Zwischen touristischer Vermarktung und künstlerischer Neudeutung

GUSTAV KLIMT

Sonja Knips, 1897/1898 Öl auf Leinwand, 145x146 © BELVEDERE Wien

Klimt sells. Sei es sein Name im Titel einer Ausstellung, die ansonsten wenig mit seinem Werk zu tun hat, oder die Reproduktion seines berühmten „Liebespaars (Der Kuss)“ auf einem noch so ausgefallenen Gebrauchsgegenstand: Der Nimbus seines Œuvres, seiner Persönlichkeit und seines zur Chiffre gewordenen Namens lässt die Kassen klingeln. Kann man sich mit dem Werk des Künstlers unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch seriös auseinandersetzen? Doch, man kann. Sofern man bereit ist, sich von manchem Klischee zu verabschieden und sich auf die Qualität der Bilder einzulassen.


FÜHRUNG DURCH DIE AUSSTELLUNG GUSTAV KLIMT AM 2. NOVEMBER 2018. ZUR ANMELDUNG

Üblicherweise hakt die Faszination an Klimts „goldener Periode“ ein. Das Bildnis „Adele Bloch-Bauer 1“ ist dabei symptomatisch in verschiedener Hinsicht. Fast wie in einem Suchbild ist die Gestalt aus dem bildfüllenden Goldornament mit geometrischen Elementen, ägyptischen Augenmotiven und griechisch inspirierten Spiralen herauszulösen. Eine spektakuläre Inszenierung, die an die byzantinischen Mosaiken denken lässt, welche Klimt auf seiner Italienreise 1903 in Ravenna kennengelernt hat, und die die Porträtierte in beinahe sakrale Ebenen entrückt.

Das 1907 entstandene Gemälde eignet sich dank der ornamentalen Üppigkeit seines Hintergrunds hervorragend zur Reduktion auf seinen dekorativen Wert und damit zur endlosen Reproduktion. Was die Entstehung und Geschichte des Bildes betrifft, so ist es typisch für viele Klimt-Porträts: Die Dargestellte entstammt dem jüdischen Großbürgertum und repräsentiert als Fabrikantengemahlin die Klientel, die Klimt mit seiner Malerei vorwiegend bediente. Jene Schicht von Auftraggebern, Gönnern und Sammlern, die 1938 vom Nazi-Regime brutal enteignet, in die Emigration gezwungen, verfolgt und in vielen Fällen in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Die Überlebenden waren nach 1945 in Österreich wenig willkommen, sie und ihre Erben wurden bei Rückgabewünschen in teilweise entwürdigender Manier abgewimmelt.

Gustav Klimt, Familie, 1909/1910, Öl auf Leinwand, 90x90 cm © Belvedere Wien

Gustav Klimt, Familie, 1909/1910, Öl auf Leinwand, 90x90 cm © Belvedere Wien

Das besagte Gemälde war – wie viele andere auch – Gegenstand eines langen und komplizierten Restitutionsverfahrens, wurde den Erben der einstigen Eigentümerin schließlich zurückerstattet und leitete nach einem zähen Prozess des Verdrängens und Verzögerns die lang ausstehende Wende in der Haltung der Republik Österreich gegenüber einst „arisierten“ Kunstschätzen ein.

Als das Bild, das davor jahrzehntelang im Belvedere zu sehen war, vor seiner Abreise noch einmal in einer Sonderpräsentation ausgestellt wurde, stand das Publikum Schlange, um von der als „Goldene Adele“ familiär vereinnahmten Ikone des Wiener Jugendstils Abschied zu nehmen.

Das „Ikonische“ dieses und anderer Klimt-Gemälde ist nicht zuletzt mit ihrem materiellen Wert verknüpft, der sich bei einigen inzwischen weit jenseits der 100-Millionen-Dollar-Grenze befindet. Mit größter Selbstverständlichkeit vollzog Klimt in seiner malerischen Karriere mehrere abrupte Richtungsänderungen, die wohl nur den Außenstehenden revolutionär erschienen, für ihn selbst hingegen als Ergebnis innerer Notwendigkeit völlig harmonisch verliefen. Erfolg hinderte ihn niemals daran, sich weiterzuentwickeln, auch wenn diese Weiterentwicklung die Auftraggeber schockierte und vor den Kopf stieß.

Gustav Klimt, Beethovenfries, 1901-1902, Detail mittlere Wand, Leihgabe in der Secession, Wien © Belvedere Wien

Gustav Klimt, Beethovenfries, 1901-1902, Detail mittlere Wand, Leihgabe in der Secession, Wien © Belvedere Wien

Mit der Gründung der Secession 1897, zu deren Präsidenten Klimt gewählt wurde, löste er sich von der historistischen Basis seiner Malerei und etablierte sich als Avantgardist einer Wiener Moderne, die auch im internationalen Vergleich einzigartige künstlerische Höhenflüge hervorbrachte. Wer sich auf die Details konzentriert, wird feststellen, dass sich zwar die Ausdrucksweise änderte, die Allegorie an die Stelle der historisch verbrämten Idealisierung trat, dass es aber in der Linienführung, in der Darstellung von Gesichtern und Haltungen durchaus Kontinuitäten gibt. Klimt selbst distanzierte sich auch niemals von seinen Anfängen und seiner traditionell orientierten Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule. Dass sich die Anmutung der Bilder radikal verändert hatte, übersahen jedoch offenbar jene, die Gustav Klimt mit den großen Wandbildern zu drei der vier Fakultäten für den Festsaal der Universität Wien beauftragten – ein fatales Missverständnis.

Aus dem Unverständnis gegenüber Klimts neuer Bildsprache eskalierte einer der größten Kunstskandale, die Österreich je erlebte

Die hohen Wellen schwappten über den akademischen Bereich hinaus, via Medien bis in die breite, teils ahnungslose Bevölkerung und in die hohe Politik. Dieser Konflikt war letztlich die Ursache dafür, dass Klimt zeit seines Lebens eine Professur verwehrt wurde, er allerdings auch keinen öffentlichen Auftrag mehr annahm.

Die formale Entwicklung führte Klimt vom secessionistischen Spätimpressionismus – zum Beispiel im Bildnis „Sonja Knips“ (1898) – und Symbolismus – etwa im „Beethovenfries“ (1902) – über den schon genannten goldenen Stil bis zu den subtil aufgelösten Natur- und Landschaftsdarstellungen bis zu den letzten Werken, aus denen sich expressionistische Einflüsse des von ihm geförderten „Nachwuchses“, also Egon Schiele oder Oskar Kokoschka, herauslesen lassen.Porträts, Landschaften, Allegorien beschäftigten ihn bis zuletzt, bis zum Schlaganfall am 6. Februar 1918.

 

Anlässlich des 100. Todestags bemühen sich viele Museen, Institutionen und private Initiativen innerhalb und außerhalb Österreichs, neue Aspekte im Zusammenhang mit Gustav Klimt zu erschließen beziehungsweise zeitgenössische Auseinandersetzungen mit seinem Œuvre zu eröffnen. In Wien laden Leopold Museum und Belvedere ein, im Kunsthistorischen Museum kann man neuerlich (nach 2012) via „Stairway to Klimt“ die grandiosen, in die Säulen- und Arkadenarchitektur des Stiegenhauses eingebetteten Gemälde zu verschiedenen Stilepochen der Kunst aus der Nähe genießen und außerdem der berühmten „Nuda Veritas“ (1899) im ungewohnten Kontext der Antikensammlung begegnen. Die Klimt-Foundation hat Brigitte Kowanz eingeladen, zwei Lichtinstallationen zu gestalten, die einerseits auf Klimts Lebensdaten, andererseits auf die Kontur des unvollendeten letzten Gemäldes „Die Braut“ Bezug nehmen. Eine weitere Auftragsarbeit, ein Fotoprojekt von Irene Andessner mit großformatigen Polaroids zur „Braut“, wird im Juni realisiert. Das Klimt-Zentrum am Attersee, ebenfalls unter der Leitung der Klimt-Foundation, widmet sich diesen Sommer biografisch prägenden und künstlerischen Meilensteinen im Leben und Schaffen des Künstlers. Im Sommer wird außerdem die frei zugängliche Datenbank www.klimt-database.com online gehen. Das MAK zeigte mit „Klimt’s Magic Garden“ eine „Virtual-Reality-Begegnung“ mit dem Stoclet-Fries des Filmemachers Frederick Baker und lädt zur Besichtigung der Entwurfszeichnungen dieses Hauptwerks ein. Und in Gustav Klimts letztem Atelier in Hietzing wirft man einen Blick auf verschwundene und geraubte Kunstwerke und den Umgang mit dem Verlust.

Gustav Klimt, Tod und Leben © Leopold Museum, Wien

Gustav Klimt, Tod und Leben © Leopold Museum, Wien


Um den Überblick nicht zu verlieren und auch den kulturellen und intellektuellen Hintergrund aufzuzeigen, vor dem sich Klimt und seine Künstlerkollegen entfalteten, hat der WienTourismus für 2018 die Website „Schönheit und Abgrund“ eingerichtet. So wird auch dieses Jahr 2018 möglicherweise den Blick auf das Genie Gustav Klimt verändern, so wie jede Epoche ihren eigenen Klimt konstruierte.

Lesen Sie mehr in unserer Herbst Ausgabe 2/18!

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