Gilbert Bretterbauer: „Es geht mir um die Durchdringung des Raumes“

Gilbert Bretterbauer, Fadenraum, 1995, ca. 300 x 150 x 800 cm | Foto: Wolfgang Woessner

Die bereits achte Ausstellung des Projekts „Wir zeigen“ stellt den österreichischen Künstler Gilbert Bretterbauer (*1957 Wien) in den Fokus. Im Sinne der von Georg Folian, als Mann der Wirtschaft, gemeinsam mit Gerhild Stangl und Katharina Hofmann-Sewera initiierten Reihe wird nach Uli Aigner, Georgia Creimer, Hubert Lobnig und vielen mehr, auch mit Bretterbauer ein Künstler der „mitterleren Generation“ ausgestellt.


Jener Generation, die bereits ein beachtliches Werk vorweisen kann, das mit einer groß angelegten Personale mit begleitender Publikation wieder und gestärkt in den Fokus der Stadt rücken soll. Paula Watzl traf den Künstler, der immer wieder zwischen Kunst und Design changiert und dabei die Konventionsgrenzen erweitert, zum Gespräch.

PARNASS: Immer wieder spielt Ihre Arbeit mit den Grenzen von Kunst und Design, wie gehen Sie mit diesen Kategorien um?

Gilbert Bretterbauer: Wo ist die Grenze und wo das Gemeinsame – das werde ich schon lange gefragt. Ich hatte damit nie ein Problem, für mich müssen das nicht zwei verschiedene Kategorien sein. Erst jetzt ist die Zeit gekommen, wo diese genreübergreifenden Kunstpraxen von vielen bedient werden. Früher hieß es immer, ich müsse mich entscheiden, Design oder Kunst – aber ich habe mich nie entschieden, weil ich das nicht wichtig finde. Man sieht einen Sessel, es kann aber auch sein, dass es eine räumliche Zeichnung von Vernetzungen ist. Nur durch die Form erinnert es an einen Sessel, und das macht plötzlich den Sessel. Es geht mir immer auch um die Abstraktion der Form. Aber durch die exakte Linie ergibt sich eben auch ein Sessel. Man kann ihn als Kunstobjekt oder als Sessel sehen, das ist abhängig von der Perspektive.

PARNASS: Gibt es dennoch einen Unterschied in der Funktion von Kunst und Design?

GB: Das Künstlerische lebt von einem Mehrwert. Letztendlich ist es eine zusätzliche Qualität. Im Unterschied zum Beispiel zu einem herkömmlichen Teppich, der genauso funktioniert, hat das Kunstobjekt einen anderen Anspruch. Um ein Design zum Kunstwerk zu machen, muss etwas dazukommen, das einen weiteren Versuch bedeutet. Den Versuch, die Kunst voranzutreiben, nicht stehen zu bleiben und nicht ein Design zu machen, das austauschbar ist, sondern etwas, das Bestand und Gültigkeit darüber hinaus hat.

Ihre Arbeit zeichnet eine Faszination für das Textile aus. Ist diese aus dem Experiment heraus entstanden, von der Leinwand weiter zu denken?

Als einziger unter meinen Galerie-Kollegen bei Peter Pakesch – inzwischen alles große Namen wie Franz West, Otto Zitko und Herbert Brandl – habe ich auch Textil studiert. Ich wollte immer an die Substanz der Dinge gehen. Ich habe mich nie im traditionellen Sinne als Maler verstanden, obwohl ich male. Ich möchte immer das Bild und die traditionelle Bildsprache erweitern. So waren meine ersten Arbeiten davon bestimmt, die Leinwand von der Wand zu nehmen, auf den Boden zu legen und direkt auf der Leinwand die Ölfarben anzumischen – das war dann das Bild. Mich hat es nicht interessiert, ein Bild zu malen, das man betrachten kann, es ist am Boden gelegen und war so etwas wie ein Teppichobjekt.

Der zweite Schritt war dann, dass ich begonnen habe, die Leinwand selbst zu weben. Mich hat interessiert: Woraus besteht ein Bild eigentlich? Also habe ich Tapisserien gewebt, einfärbige, weiße Tapisserien wie eine Leinwand. Haptik hat mich immer fasziniert, denn das Material genügt sich selbst. Es ist sinnlich und muss nichts Weiteres können, es erreicht durch die Haptik den Menschen und erzeugt einen Dialog. Ursprünglich ist es für mich also eine Analyse, eine Dekomposition dessen, woraus Malerei besteht, gewesen. Nach diesem Prozess habe ich immer wieder zurückgefunden, die Malerei als Dekor einzusetzen. Mit keinerlei Bildinhalt, als reines Dekor.

Gilbert Bretterbauer, Porträt im Spiegel | Foto: Peter Barci

Gilbert Bretterbauer, Porträt im Spiegel | Foto: Peter Barci

Sie stellen Muster im Textil her oder malen textile Muster.

GB: Ganz wesentlich ist die Wechselwirkung zwischen den gemalten Bildern – Öl auf Leinwand, ganz traditionell, sie zeigen im Grunde textile Strukturen, textile Ornamentik, und umgekehrt nähe ich Bilder, die ich als erweiterte Malerei verstehe. Statt mit Pinsel und Farbe werden sie mit Faden und Stoff hergestellt. Es geht mir um die Eigenart des Stoffes im Textilen, die ich dann im Malen abstrakt umsetze. Die Abstraktion ist mir wichtig, ich mache reine Musterbilder, die darüber hinaus keine Bedeutung haben.

Es geht mir darum, die Arbeit von jeglichem Bildinhalt zu befreien und die Materialität und das Handwerk für sich sprechen zu lassen.

Gilbert Bretterbauer

Es geht mir darum, die Arbeit von jeglichem Bildinhalt zu befreien und die Materialität und das Handwerk für sich sprechen zu lassen. Das kann so weit gehen, dass die Arbeiten nichts Weiteres zeigen als sich selbst. Die Arbeit will auf nichts verweisen, sie ist nur das, woraus sie besteht. Aber gerade dadurch erschließe ich eine neue Welt. Das ist vielleicht so zu verstehen: Wenn ich die Bedeutung nehme, bleibt nur der Inhalt übrig. Da befinde ich mich ja in einer großen Tradition der Abstraktion!


Das vollständige Interview lesen Sie in unserem PARNASS 1/2019.

Ausgabe bestellen

Das könnte Sie auch interessieren