Gallery Diary - Galerie Sophie Tappeiner | Anna Schachinger

Die aktuelle Situation bedeutet eine enorme Belastung für die Kultur- und Kreativwirtschaft und auch für uns als Kunstmagazin. In dieser Zeit wollen wir unseren Beitrag leisten und geben Ihnen täglich Einblicke in die Ausstellungen der derzeit geschlossenen Galerien.


Die Galerie Sophie Tappeiner zeigt aktuell die Künstlerin Anna Schachinger mit der Ausstellung "Hitze", die gerade noch rechtzeitig vorm Shut Down öffnen konnte, doch bereits auf eine Vernissage verzichten musste und nach wenigen Stunden der Öffnung sodann auch schon wieder schließen sollte. Gianna Virginia Prein schrieb den Pressetext zur Schau:

DURCHSCHNITTSTEMPERATUR 80,01°C RELATIVE FEUCHTIGKEIT 26,6%

Wir müssen das mit dem Saunabesuch nachholen, aber das weißt du ja. Da deine Solo-Ausstellung bei Sophie Tappeiner in Wien unter Anderem um die Themen Repräsentation und Räumlichkeiten kreist, ist es mir wichtig, unsere Verbindung hier transparent zu halten – deshalb auch die Briefform – denn ich schreibe nicht nur als Kollegin sondern auch als Vertraute, die über das letzte Jahr einen sehr persönlichen Einblick in deine Praxis bekommen durfte.

ALLE MÜSSEN ENTKLEIDET SEIN ALKOHOLAUFGÜSSE SIND VERBOTEN WENN DAS TÜRLICHT ROT BRENNT, DARF NIEMAND REIN NOCH RAUS SONST DROHEN TODESBLICKE UND LAUTSTARKE EMPÖRUNG

Es ist schwierig, die Arbeiten ohne deinen Körper, den Körper der Malerin, mitzudenken. Ich stelle mir vor du liegst im Amalienbad zwischen deinen Modellen und denkst darüber nach, wie problematisch es nach wie vor ist, nackte Frauenkörper auf Leinwand zu bringen.

MIND. 30 CM ABSTAND NICHT MIT LEEREM ODER ZU VOLLEM MAGEN IN DIE SAUNA GENUG TRINKEN

Deine Frauen* sind für mich weniger ausgestellt als beieinander. Ihre Repräsentation ist lustvoll aber bedient keine heteronormative Sexyness. Es sind keine serial girls, die eine Illusion von Perfektion und Willigkeit propagieren, sie haben ihre eigenen Konflikte. Deine Bilder sind quasi skizzierte Sozialstudien von Wiener*innen, die es sich leisten können in die Sauna zu gehen um sich (vermutlich) in neoliberaler Self- Care Manier für die anstehende Arbeit zu regenerieren oder die bereits ihre Pension genießen.

 Anna Schachinger, Zyklop, 2020, oil on canvas, 27 x 22 cm | Foto: kunst-dokumentation.com

Manchmal drehst du sie während des Malprozesses um und malst mit veränderter Perspektive weiter. Dadurch entstehen Bilder in Bildern oder auch Räume in Räumen.

 

Du hast mir einmal erzählt, dass deine Bilder so entstehen: Manchmal zeichnest du erlebte Situationen nach, primär konfrontierst du dich aber mit der Leinwand und dem Farbauftrag im Moment des Tuns. „Kompositionen entstehen häufig erst mit der Größe des Pinsels im Verhältnis zur Leinwand“. Manchmal drehst du sie während des Malprozesses um und malst mit veränderter Perspektive weiter. Dadurch entstehen Bilder in Bildern oder auch Räume in Räumen. Frauenräume sollen vor sexueller Gewalt, sexistischer Objektifizierung und vor strukturellen Machtungleichheiten bzw. männlicher Dominanz schützen; frei von Konflikten sind sie dennoch nicht. Angefangen mit der Einladungspolitik – nicht alle, für die diese Schutzräume nötig sind, identifizieren sich mit der Kategorie Frau*. Dir dessen bewusst, sind den Menschen und Körperteilen in deinen Bildern trotz expliziter Nacktheit kaum sexuelle Merkmale angehaftet. Dass sie vom Bildrand abgeschnitten werden, ist „ein malerischer Trick“, sagst du schmunzelnd „der soll zeigen, dass es drum herum weitergeht“. Das Ausschnitthafte, Angedeutete oder Verdrehte deiner Darstellungen zeigt die Limitation der Leinwand und mit ihr, die Begrenztheit einer allgemeinen Repräsentationsfähigkeit. Die Situationen sind so vielschichtig dargestellt, wie ihre ineinandergreifenden, inhärenten feministischen Diskurse; sie sind zu komplex für eine universalistische historische oder theoretische Erzählweise – dennoch ist die Visibilität ihrer Fragestellungen essentiell.

2-3 SAUNAGÄNGE À 8-15MIN AUFGUSSESSENZ SPARSAM VERWENDEN

„Manche Dinge, die anfangs gestanden sind, müssen umgeworfen werden um zu schauen was passiert“ – als du das sagst, denke ich daher rührt auch die Spannweite der hier gezeigten Werkstile: deine persönliche Vorgehensweise und deren Ausdrucksstärke geht durch Muster und Zeichen bis hin zur Figuration. Abstrakter Neoexpressionismus trifft auf Ana Mansos Kompositionsästhetik und Therese Oultons Verweigerung zu Repräsentieren um dann, weil nonrepresentional doch leider auch Tendenz non-political ist, mit Frauenbildern des Sozialistischen Realismus der 60-70er Jahre, genderlose Körperarbeit zu inszenieren.

Anna Schachinger, Damit die Kälte draußen bleibt, 2020 oil on canvas, 56 x 42 cm | Foto: kunst-dokumentation.com

ZIEH DEINEN SCHMUCK AUS SONST BRENNT’S KEINE KÖRPERÖLE AUFTRAGEN, DIE MACHEN FLECKEN BLEIB RUHIG SOLLTE ES ZU UNANGENEHMEN SITUATIONEN KOMMEN HINTERHER KALT ABDUSCHEN

Die Bademeisterin macht den Aufguss, und bringt mit ihren verschiedenen Wedeltechniken eine Laolawelle an geräuschvollem Ausatmen mit sich. Die Köpfe sinken, außer vielleicht deiner, weil du ein bisschen herumschaust, wie sich die Lichtreflexe auf den schwitzenden Körpern zeigen. Der Aufguss erhöht die Luftfeuchtigkeit die das Verdunsten des Schweißes auf der Haut erschwert und den Körper noch weiter erwärmt. Dampf legt sich über die Konturen. Die Fahne wird geschwungen und mit dieser revolutionsgleichen Geste fangen alle an mächtig zu schwitzen.


IMPRESSIONEN

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