Gallery Diary - Galerie Gugging | Misleidys Castillo Pedroso & Oswald Tschirtner

Die aktuelle Situation bedeutet eine enorme Belastung für die Kultur- und Kreativwirtschaft und auch für uns als Kunstmagazin. In dieser Zeit wollen wir unseren Beitrag leisten und geben Ihnen täglich Einblicke in die Ausstellungen der derzeit geschlossenen Galerien. Da auch unsere beliebten ARTLIFE Events pausieren, mussten wir unseren Besuch in der galerie gugging verschieben. Dennoch möchten wir Ihnen in unseren Gallery Diaries die aktuelle Ausstellung nicht vorenthalten.


Die galerie gugging widmet sich in diesem Jubiläumsjahr einem der bekanntesten Künstler aus Gugging: Oswald Tschirtner, der heuer seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Wir zeigen Tschirtners Arbeiten gemeinsam mit der kubanischen Künstlerin Misleidys Castillo Pedroso, deren Werke ebenso in renommierten musealen und privaten Sammlungen vertreten sind. Die Idee zu dieser Ausstellung wurde im März 2019 im Büro unseres Kollegen Christian Berst geboren und wir freuen uns sehr, sie nun zu realisieren.

Oswald TSCHIRTNER, Ohne Titel © galerie gugging 2020

Misleidys Castillo Pedroso und Oswald Tschirtner sind, auf individuelle Weise,
Galionsfiguren einer befreiten, unentbehrlichen und existentiellen Art Brut.

 

Christian Berst

„Unsere beiden Künstler trennen 65 Jahre, viele tausend Flugkilometer sowie ihre ganz eigenwillige künstlerische Formensprache und doch sind sie auf ganz besondere Art und Weise miteinander verbunden“, meint Nina Katschnig. Während Misleidys Castillo Pedroso eine Art private Mythologie aus einer isolierten Position heraus erschafft, sind Oswald Tschirtners Werke stets auf Aufforderung und in Anwesenheit eines Zweiten – zunächst Dr. Navratil, dann Dr. Feilacher – entstanden.

 

Waren es früher in erster Linie alte Meister und zeitgenössische Künstler, die im Mittelpunkt des Interesses standen, so ist Art Brut heute ein Fixstern am Contemporary Art-Himmel. Die Arbeiten von Misleidys Castillo Pedroso und Oswald Tschirtner verdienen unter diesem Aspekt besondere Beachtung. Die Eine, deren Stummheit und Autismus sie von einem blühenden Sozialleben abhielten, bastelte sich lebensgroße Ansprechpersonen, die sie in ihrem Eigenheim verstreute und mit denen sie auf Augenhöhe kommunizieren konnte.

Waren es früher in erster Linie alte Meister und zeitgenössische Künstler, die im Mittelpunkt des Interesses standen, so ist Art Brut heute ein Fixstern am Contemporary Art-Himmel.

Der Zweite, überwand seine Askese mithilfe von Zeichnungen, deren klare Linienführung unvergleichlich ist. Misleidys Castillo Pedrosos Arbeiten waren Teil der Ausstellung „Flying High: Künstlerinnen der Art Brut“, die von 15. Februar bis 23. Juni 2019 im Kunstforum/Wien zu sehen war und werden heuer noch in Los Angeles, New York und Tokyo gezeigt.

Die beiden Künstlerpersönlichkeiten Misleidys Castillo Pedroso und Oswald Tschirtner finden in der Ausstellung „… weiblich mächtig – männlich zart …“ auf ganz besonders anregende, sich beinahe ergänzende Weise zusammen.

Misleidys CASTILLO PEDROSO © galerie gugging 2020


Oswald Tschirtner wurde 1920 in Perchtoldsdorf, Österreich, geboren und lebte von 1981 bis zu seinem Tod im Jahr 2007 im Haus der Künstler in Gugging. Ermutigt vom Psychiater Leo Navratil begann Tschirtner in den 60er Jahren zu zeichnen. Bekannt wurde er durch „seine“ Kopffüßler: reduzierte Figuren ohne kennzeichnende Attribute wie Kleidung oder Geschlecht. Der Kopf verfließt dabei mit dem Körper, die Beine sind nicht mehr getrennt, sondern vereinen sich – durchaus elegant – zu einem stammartigen Rumpf mit fingerlosen Armen. Der Künstler arbeitete auf postkar- tengroßem Papier, auf Leinwänden oder Hausfassaden und verwendete – je nach Dimension – Feder und Tusche, Edding oder Acrylfarbe. Er gilt als Meister der mini- malistischen Bildsprache. 1990 erhielt er mit der Gruppe der Künstler aus Gugging den Oskar-Kokoschka-Preis. Seine Werke befinden sich unter anderem im Setagaya Museum, Japan, in der Collection de l’Art Brut, Schweiz, und im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Österreich.

Ausstellungsansicht © galerie gugging 2020

Unsere beiden Künstler trennen 65 Jahre, viele tausend Flugkilometer sowie ihre
ganz eigenwillige künstlerische Formensprache und doch sind sie auf ganz besondere
Art und Weise miteinander verbunden.

Nina Katschnik, Galeristin

Misleidys Castillo Pedroso wurde 1985 in der Nähe von Havanna, Kuba, geboren. Da sie von Geburt an nicht in der Lage ist mit traditionellen Mitteln zu sprechen oder zu kommunizieren, hat die Künstlerin ihre eigene visuelle Sprache entwickelt – bestehend aus farbenfrohen Figuren, die Bodybuildern ähneln, mythologischen Kreaturen, Dämonen und einzelnen Körperteilen. Die poppigen Gouache-Arbeiten auf Karton werden an- schließend ausgeschnitten und mit Klebebandstücken an der Wand ihres Hauses installiert. Die Figuren und Körperteile variieren in ihrer Größe enorm, sind aber von gleichbleibender ästhetischer Sensibilität und Qualität. Ihre Werke waren unter anderem in der Ausstellung „Flying High: Künstlerinnen der Art Brut“ im Kunstforum/ Wien im Jahr 2019 zu sehen und werden dieses Jahr unter anderem in Los Angeles, New York und Tokyo präsentiert.


 

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