Nil Yalter

Nil Yalter, Exile Is a Hard Job/Walls. Construction, Demolition, 2018 | Acryl auf Offset-Druck im öffentlichen Raum, Wetzlarer Strasse, Köln, Kalk © Nil Yalter | Foto: Estelle Vallender

Nil Yalter nennt sich gern eine „marxistische Feministin“. Ihre Videos, Assemblagen, Collagen, Fotografien und Installationen im öffentlichen Raum kreisen um jene, die oft im Zentrum politischer Debatten stehen, ohne selbst gehört zu werden. Eine Ausstellung im Kölner Ludwig Museum zeichnet ihr Œuvre nach.


Die Arbeit ist über vierzig Jahre alt und nach wie vor so aktuell, dass ihre Schöpferin sie immer wieder, in abgewandelten Fassungen, in den Straßen verschiedener Städte affichiert. Es ist immer dasselbe Bild, das sich in rasterförmig angeordneten Postern wiederholt: vier Kinder, die in einem Zimmer sitzen und neugierig in die Kamera blicken. Darüber zieht sich, in fetten roten Lettern, der Satz: „Exil ist harte Arbeit“, übersetzt in die jeweilige Landessprache.

Die Künstlerin Nil Yalter hat ihre Fotomontage, teils ergänzt durch andere Bilder als das oben genannte, bereits an vielen Orten gezeigt; oft in Vierteln, in denen vorwiegend Migrantinnen und Migranten wohnen. Gegenden, die sie darüber hinaus in fast archäologisch anmutenden Assemblagen dokumentierte („Temporary Dwellings“, 1974–77). Darin kombinierte sie Bauschutt und zerbrochene Platten, eingedrückte Coladosen und befleckte Textilien mit Polaroidfotos, in denen sich die Tristesse von Plattenbauten ebenso darstellt wie der Gestaltungswille der Bewohner in Wandbemalungen.

Nil Yalter, 1938 in Kairo geboren, wuchs in Istanbul auf und zog 1965 nach Paris, wo sie bis heute wohnt. Wer vollumfänglich in ihr Werk eintauchen möchte, muss nach Deutschland reisen, wo das Museum Ludwig in Köln die von Rita Kersting kuratierte Einzelausstellung „Nil Yalter. Exile Is a Hard Job“ zeigt und darin ihr Œuvre von den frühesten Arbeiten bis zur Gegenwart nachzeichnet. In Österreich kennt man die Künstlerin vor allem aus Ausstellungen der Galerie Hubert Winter, zuletzt etwa 2018, sowie aus der Sammlung Verbund, die mehrere ihrer Arbeiten besitzt. Die „marxistische Feministin“, wie sie sich selbst gern bezeichnet, arbeitete schon früh mit Videotechniken.

Nil Yalter, Algerian Marriage, 1977 (Detail), 6 Tafeln: Bleistift und Öl auf Papier | Detail: Fotografie, Bleistift und Öl auf Papier, 61,8 x 81,8 cm © Nil Yalter | Foto: Galerie Hubert Winter, Wien

Nil Yalter, Algerian Marriage, 1977 (Detail), 6 Tafeln: Bleistift und Öl auf Papier | Detail: Fotografie, Bleistift und Öl auf Papier, 61,8 x 81,8 cm © Nil Yalter | Foto: Galerie Hubert Winter, Wien

Für ihre Arbeit „The Headless Woman or The Belly Dance“, bereits 1974 entstanden, verwendete sie einen Text des Anthropologen René Nelli, der sich um die sexuelle Befreiung der Frauen drehte: In einer Spirale schrieb Yalter, einen Bauchtanz vollführend, die Worte auf ihren Körper. An dieser Arbeit zeigt sich die Komplexität im künstlerischen Denken Yalters – der Tanz ist Anspielung auf weibliches Vergnügen, der Text erinnert „an religiöse Texte, wie sie Imame in Anatolien auf die Körper von unfruchtbaren und ungehorsamen Frauen schrieben“, wie Kunsthistorikerin Fabienne Dumont im Ausstellungskatalog des Ludwig Museums notiert.

Gleichzeitig benutzt Yalter mit Video ein Medium, das von Anfang an eine bedeutende Rolle in der feministischen Kunst spielte. Betrachtet man ihre Arbeiten heute, im Jahr 2019, so fällt vor allem eines auf: wie sehr sie jene in die Mitte ihrer Kunst rückt, die ansonsten zwar gern im Brennpunkt der öffentlichen politischen Debatte stehen, allerdings selbst kaum je befragt werden.


Den vollständigen Artikel lesen Sie in unserem PARNASS 1/2019.

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