Gallery Diary - Galerie Georg Kargl | Jakob Lena Knebl

Jakob Lena Knebl: »Wer möchte denn Martina Egger heißen? Wie ein Bier…«

 Jakob Lena Knebl, Ruth Anne 1, 2020, courtesy Georg Kargl Fine Arts, Foto © Christian Benesch

Die aktuelle Situation bedeutet eine enorme Belastung für die Kultur- und Kreativwirtschaft und auch für uns als Kunstmagazin. In dieser Zeit wollen wir unseren Beitrag leisten und geben Ihnen täglich Einblicke in die Ausstellungen der derzeit geschlossenen Galerien.


Facettenreich, schrill und stets opulent verführt Jakob Lena Knebl zu retro-schicken Zeitreisen, aktualisiert das Weltverstehen und bringt dabei die Politik der Gegenwart auf den Punkt. Sowohl im LENTOS in Linz als auch in der Galerie Georg Kargl in Wien würden ihre „Begehrensräume“ derzeit einladen, aktuell bleiben beide Ausstellungen geschlossen. In beiden spielt sie mit der Ästhetik der 1970er-Jahre. In der Ausstellung „Ruth Anne“ in der Galerie Georg Kargl spielt Jakob Lena Knebl darüber hinaus mit einem ihrer Alter Egos und schlüpft einmal mehr in eine ihrer vielen Rollen. Anfang des Jahres trafen wir die 1970 in Baden geborene Künstlerin gemeinsam mit ihrer Kunst- und Lebenspartnerin Ashley Hans Scheirl in ihrem Atelier im Prater. Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen PARNASS, unsere Bildstrecke und ein Auszug aus dem Gespräch stimmen Sie aber schon jetzt auf die Venedig Biennale 2021 ein, wo die beiden Künstlerinnen Österreich vertreten werden.

 Jakob Lena Knebl, Ruth Anne, Ausstellungsansicht, 2020, courtesy Georg Kargl Fine Arts, Foto © Kunstdokumentation.com

Inés Lombardi, Galeristin in der Galerie Georg Kargl: "Jakob Lena Knebl's comprehensive concept of art combines aspect of collecting, design, high and low culture, criticism and humor Her love for the 70´s culture , design, fashion, esotericism, is reflected in Ruth Anne, an alter ego The exhibition presents an inclusive space with things that Knebl loves and topics that concern her. Critical identity issues - in general - are negociated with authenticity and humor. The exhibition has being a wonderfull experience, extremely inspiring and uplifting. Her artistic intention to create rooms of desire, plenty of joy is definitely a positive message for our time. We are pround to represent her.

On COVID-19 pandemic situation Hopefully, after this storm, there will be a rainbow. This is what I wish for all of us. Take care and be inspired!"


PARNASS: Du verführst die Besucher gerne hinein in deine Welten?

Jakob Lena Knebl: Genau, ich sehe mich als Trickster. Mich interessieren natürlich auch politische Themen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Menschen locken muss. Mit Hilfe von Ästhetiken, die den Besuchern bekannt sind, erzeuge ich einen niederschwelligen Einstieg. So stolpert man hinein, und plötzlich geht es um große Themen. […] Es geht um Demokratisierungsprozesse des Ausstellens – die Grenze zwischen High und Low hebt sich auf. Der Funktionsbegriff ist einer der Schlüsselbegriffe der die willkürliche Trennung von Design und Kunst markiert. Daher stelle ich mir die Frage: Was ist der Funktionsbegriff der Kunst? Sie ist das Feld des Experimentierens, der Utopien, der Herausforderung, und sie darf auch Freude bereiten.

P: Bei dir geht es oft um Identitätskonstruktionen, ausgehend von deiner eigenen Person.

JLK: Ich verstehe mich als Platzhalterin. Ich weiß nicht, ob ich das machen würde, wenn ich dünn wäre, denn es geht auch um Körperpolitik. Das war am Anfang auch als Herausforderung gedacht – traut man sich das – selbst auf Fotos, Videos, in Performances anwesend zu sein? Man macht sich ein Stück weit verletzlich. Das ist ein Risiko. Es geht darum zu zeigen, dass wir mehr sind als das, was wir annehmen. Dass sich unsere Identität immer wieder auch verändert im Lauf des Lebens. Das thematisiere ich mit Hilfe von Kunst und Design, um sichtbar zu mache, dass Dinge, Diskurse, Begegnungen, einfach alles was uns umgibt, Co-Produzenten unserer Identität sind.

Mit Hilfe von Ästhetiken, die den Besuchern bekannt sind, erzeuge ich einen niederschwelligen Einstieg. So stolpert man hinein, und plötzlich geht es um große Themen. […]

Jakob Lena Knebl

P: Im Sinne von: Zeig mir, wie du wohnst, dann weiß ich, wer du bist. Aber generiert das nicht auch automatisch Rollenbilder, wie man denn zu sein hat – da arbeitest du, und auch Ashley Hans Scheirl, sehr stark dagegen.

JLK: Ziel ist eine selbstreflexive Ebene zu triggern. Ein Stück weit zu ermutigen auch andere Wege zu gehen. Wir arbeiten an Alternativen, die für andere als Inspiration dienen können, zu fragen, wer möchte ich noch sein? Ich muss mir vorstellen können, was alles möglich ist, damit ich in Bewegung komme.

  Jakob Lena Knebl, Ruth Anne, Ausstellungsansicht, 2020, courtesy Georg Kargl Fine Arts, Foto © Kunstdokumentation.com

P: Apropos Möglichkeiten des Seins. Vor einigen Jahren hast du deinen Taufnamen Martina Egger mit Jakob Lena Knebl ersetzt. Warum diese fluide Neuerfindung des Ichs?

JLK: Wer möchte denn Martina Egger heißen? Wie ein Bier … Knebl war der Familienname meiner Großeltern, Jakob und Lena ihre Vornamen. Natürlich hat mir auch das Irritationsmoment gefallen. Nach einer sehr androgynen Zeit bin ich inzwischen wieder feminin gekleidet. Es geht mir, wie auch in Ashley Hans Scheirl, um die Formel „Trans…“: Transgenre, Transmedien, Transkontext. Darum Bewegung, Prozesse, Veränderung, und Verschränkung zu markieren, Dinge zusammenzubringen, die man vielleicht nicht zusammendenken würde.

Ich finde es spannend, wenn man Ästhetik und Glamour mit Humor mischt, denn auch da kommen Komponenten zusammen, die in der Verbindung ungewöhnlich sind.

Jakob Lena Knebl

P: Ein Thema, bei dem du und Ashley Verschränkungen entstehen lassen, ist zum Beispiel Mode – ihr habt eine gemeinsame Kollektion entwickelt.

JLK: Wenn wir gemeinsam arbeiten, passiert ein Aufweichen von Grenzen. Bei der Kollektion haben wir aus Teilen von Ashleys Malereien mit dem Label „House of the Very Islands“ einen Stoffprint gemacht. Die Kunst verlässt den Raum der Ausstellung und wird im Alltag durch die Trägerinnen sichtbar. Ich habe bei Raf Simons Modedesign studiert, und da kommt man natürlich auch mit Normierungen in Berührung. Dem will ich etwas hinzufügen, das anders ist.

P: In der Galerieausstellung bei Georg Kargl gibt es auch ein gemeinsames performatives Video.

JLK: Ich finde es spannend, wenn man Ästhetik und Glamour mit Humor mischt, denn auch da kommen Komponenten zusammen, die in der Verbindung ungewöhnlich sind. ich bin von der Figur des Harlekins oder Narr des Königs inspiriert, er hatte die Funktion, Dinge auszusprechen, die andere nicht aussprechen dürfen. Vielleicht ist das auch die Kunst – die Kunst kann diese gesellschaftliche Funktion haben. Humor kann eine machvolle Strategie der Machtlosen sein.

P: Formal betrachtet ist dein Werk immer sehr üppig und farbenfroh, während es ja eigentlich gerade einen Trend zum Reduzierten gibt. Ist das eine Gegenbewegung, so ins Volle zu greifen?

JLK: Für mich war das ein wichtiger Beweggrund. Ich habe auch bei Heimo Zobernig studiert und es war für mich wichtig formal einen anderen Weg zu gehen. Mit Opulenz zu arbeiten ist riskant, nur schmal ist die Gratwanderung zum Kitsch. Es geht auch um Fragen nach dem guten Geschmack, wobei auch Klasse ein Thema wird.

P: Es sind oft ganze Szenerien, in die du die Besucher entführst.

JLK: Ich nenne es Begehrensräume, die durch die Bewegung der Besucher durch die Räume ein eigenes Narrativ bekommen.

P: Neben „Begehren“ ist auch der „Fetisch“ ein Schlagwort, das in Bezug auf deine Arbeit gerne fällt. Der Duden beschreibt das Wort „Fetisch“ als „Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben werden“.

JLK: Fetisch kommt ursprünglich aus dem religiösen Kontext. Was ich daran spannend finde ist, dass der Begriff in seiner Bedeutungserweiterung auch für spezielle Mensch-Ding Beziehungen verwendet wird, Dinge wirken in unsere Identität hinein. Man kann einen Fetisch für Material, für Körperteile, Dinge, Atmosphären entwickeln. Eine symbolische Aufladung für die Dinge und welche unerklärlichen Beziehungen da entstehen, das finde ich interessant.

  Jakob Lena Knebl, Untitled, 2019, courtesy Georg Kargl Fine Arts, Foto © Kunstdokumentation.com

P: Gerade die Körperteile erhalten bei dir aktuell besondere Aufmerksamkeit – beide aktuelle Ausstellungen werden von markanten Puppenkörpern dominiert.

JLK: Bei den Puppen geht es für mich um eine bildhauerische Fragestellung. Wie der menschliche Körper im Raum präsentiert wird, lässt sich auch über Material und Kontext gut abhandeln – ob Kleiderpuppe, Skulptur im Feld der Kunst, Fetischpuppe, Sammlerpuppe oder Kinderspielzeug. Bei den Puppenskulpturen, die ich im Lauf des letzten Jahres entwickelt habe, ist der Keramikkopf von Henry Moores Skulptur „Head of a Woman“ inspiriert. So bringe ich in einem Objekt Hochkultur und das Handwerk zusammen.


Das ganze Interview lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe 1/2020

Jetzt bestellen

Jakob Lena Knebl „Frau 49 Jahre alt“

bis 17. Mai 2020

LENTOS Kunstmuseum Linz Ernst-Koref-Promenade 1 4020 Linz | www.lentos.at


„Ruth Anne“

bis 28. März 2020

Georg Kargl Fine Arts

Schleifmühlgasse 5 1040 Wien | www.georgkargl.com

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