Gallery Diary - Galerie Crone | Stefan Reiterer

Die Galerie Crone präsentiert die erste Einzelausstellung des Künstlers Stefan Reiterer. Unter dem Titel „Displacement“ verwirklicht Reiterer eine raumgreifende Installation, in der sich digitale und reale Welten verschränken und aus dem Gleichgewicht geraten.


"Im Rahmen der Ausstellungskonzeption von „Displacement“ habe ich mich unter anderem mit den Dokumentationen früherer Installationen bzw. Hängungen in den Räumlichkeiten der Galerie CRONE sowie der früher dort ansässigen Galerie Mezzanin auseinandergesetzt. Daraus hat sich die Idee entwickelt, die komplette architektonische Struktur, des eingebauten 1. Stockwerks und Büros inklusive, in einer raumgreifenden Arbeit zu bespielen. Die bemalten Flächen aus Stoff trennen und verbinden den durch Glasfenster und Mauern unterteilten Raum. Die eingeschnittenen Öffnungen zeichnen die Bögen der Gewölbedecke sowie der Auslagenfenster nach und geben verschiedene Blickachsen frei auf die Bilder der Serie 'templates', den Außenraum bzw. den Rezeptionsbereich der Galerie." - Stefan Reiterer

Ausstellungsansicht, Galerie Crone, Stefan Reiterer, Courtesy of Galerie Crone and the artist

Stefan Reiterers künstlerische Praxis ist geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit digitalen Bildgestaltungs-Prozessen und ihrem Potential, dreidimensionale Räume abzubilden und zu manipulieren. Für seine Ausstellung „Displacement“ entwickelt er eine begehbare Installation, die sämtliche Galerieräume durchzieht. Meterlange Bahnen aus Leinwandstoff reichen von der Decke bis zum Boden. Zum Teil passen sie sich den architektonischen Gegebenheiten an, zum Teil widersetzen sie sich ihnen, indem sie durch Wände, Mauervorsprünge und Fenster verlaufen. Reiterers Installation spielt mit den Räumen und definiert sie neu. Sie stellt sich den Besucher*innen in den Weg und eröffnet ihnen zugleich neue Richtungen, Blickachsen und Perspektiven. Sie lenkt ihren Gang, ohne ein klares Ziel vorzugeben. Orientierung, Desorientierung und Neuorientierung wechseln sich ab.

Reiterers Rauminstallation gehört zur Serie „texture mapping“, die der Künstler bereits seit einigen Jahren verfolgt. Mit dem Begriff wird in der 3D-Computergrafik ein Verfahren beschrieben, bei dem räumliche Modelle mit zweidimensionalen Bildern, sogenannten Texturen, versehen werden. Diese digitalen Texturen werden nun von Reiterer in Form von Stoffbahnen in den Realraum übertragen und mit dem einfachsten malerischen Mittel überzogen – dem Strich beziehungsweise der Schraffur.

Die Flächen, die beim „texture mapping“ dazu eingesetzt werden, Räumlichkeit digital zu illusionieren, werden nun physisch in den Ausstellungsraum gestellt. So wird der digitale in den architektonischen Raum ausgeweitet, quasi aufgespannt. Die vermeintliche Dreidimensionalität im Digitalen weicht einer „realen“, erlebbaren und begehbaren Räumlichkeit, die ganz ohne Illusionismus auskommt. Nichts wird verborgen oder geschönt. Die Eigenschaften des Leinwandstoffes sowie der Holzkonstruktion werden betont, die Aktualität und Präsenz der Materialien hervorgekehrt.

Ausstellungsansicht, Galerie Crone, Stefan Reiterer, Courtesy of Galerie Crone and the artist

Im Spannungsverhältnis zu den wogenden Formen der Installation stehen Reiterers illusionistische Malereien, die sich ebenfalls mit der Manipulation von Raum beschäftigen. Für die Arbeiten aus der Serie „templates“ greift Reiterer auf bereits vollendete Gemälde und Collagen zurück. Sie zeigen abstrakte Strukturen, spontan aufgetragene Markierungen, aber auch detailliert wiedergegebene Luft- und Satellitenaufnahmen der Erde (letztere mit der Software Google Earth generiert und heruntergeladen). Diese meist kleinformatigen Arbeiten auf MDF-Platten werden dreidimensional gescannt und digital bearbeitet.

Im virtuellen Raum des Computers wird es möglich, die Arbeiten beliebig zu verändern. Sie werden verbogen, mit neuen Bilddaten überlagert oder verzerrt. Sie gehen scheinbar in einen anderen Aggregatzustand über, um sich dann in neuer Gestalt wieder zu festigen. Dabei kann es sein, dass sich die Hinterseite der Platte nach vorne biegt, die bemalte Oberfläche plötzlich verschwindet oder sich der Bildträger in verschiedenste Richtungen wölbt.

Ausstellungsansicht, Galerie Crone, Stefan Reiterer, Courtesy of Galerie Crone and the artist

So werden die an sich flachen Malereien im Digitalen zu raumgreifenden Objekten. Aus der schier unendlichen Vielzahl an Möglichkeiten und Ansichten wählt Reiterer dann eine Variante aus, die er wiederum mit den klassischen Mitteln der Malerei auf Holz bannt. Die Biegungen, Hebungen und Senkungen werden dabei illusionistisch auf der flachen Platte wiedergegeben.

So wie sich im Labyrinth der Stoffbahnen Orientierung und Desorientierung abwechseln, so verschränken sich auch in Reiterers Gemälden Klarheit und Unklarheit, Stabilität und Chaos. Ganze Städte und Landstriche scheinen miteinander zu verschmelzen und vor unseren Augen zu verschwimmen. Gesteinsformationen und Straßenzüge werden fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt oder von monochromen Farbflächen überlagert. Beim Betrachten gerät man in einen Strudel ineinanderfließender Strukturen, die sich selbst zu verschlucken scheinen. Man wird von einem Schwindel erfasst, die Welt gerät ins Schlingern und entgleitet unserem Blick. Damit werden Reiterers digital manipulierte und malerisch festgehaltene Kompositionen zu einem eindrucksvollen Abbild unserer Welt, die immer stärker aus den Fugen zu geraten scheint.

Galerie Crone

Getreidemarkt 14 , 1010 Wien
Österreich

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