Jubiläum des Galerienfestivals

Galerierundgang I: curated by

Christoph Schlingensief in "Ausländer raus!" von Paul Poet © filmgalerie 451 | Courtesy Crone, Berlin/Wien

Das Wiener Galerienfestival curated by geht in die zehnte Runde. Unter dem diesjährigen Titel viennaline kuratieren nationale und internationale Kuratoren Ausstellungen in 21 Galerien. Nina Schedlmayer hat sie für PARNASS besucht – im ersten Teil u.a. Krinzinger Projekte und Galerien in der Eschenbachgasse und Schleifmühlgasse.


 

Jérôme Sans | Krinzinger Projekte

Wein, Walzer, Psychoanalyse: Was manchen Künstlern bei Krinzinger Projekte zum Thema Wien einfiel, ist ein wenig, sagen wir: naheliegend. Kuratorenlegende Jérôme Sans lud sechs Positionen ein, vor dem Hintergrund von Ingeborg Bachmanns Text „Das dreißigste Jahr“ Werke zu liefern, die in einem Zusammenhang mit Wien stehen. Und so tanzte Gregor Hildebrand auf spezialbeschichtetem Bildträger zu Leonard Cohens „Take this Waltz“, malte Mircea Cantor mit verschiedenen Rotweinsorten Teppiche auf große Blätter und auf die Galeriewand, baute Leandor Erlich Freuds Sprechzimmer nach. Das Publikum blickt auf den Raum, getrennt durch eine Scheibe – in der es sich wiederum selbst reflektiert und so plötzlich selbst geisterhaft auf der berühmtesten Couch der Welt zu sitzen scheint.

Was manchen Künstlern bei Krinzinger Projekte zum Thema Wien einfiel, ist ein wenig, sagen wir: naheliegend.

Nina Schedlmayer

Tritt man aus dem Psycho-Kammerl heraus, zurück in den Galerieraum, erscheint Monica Bonvicinis Sofa aus Ledergürteln plötzlich in einem anderen Licht. Nebenan beamen einen die spiegelnden Schriftbilder, in denen Versatzstücke aus der Social-Media-Sprache auftauchen und die von dem Künstlerduo :mentalKLINIK erdacht wurden, in die Gegenwart. So schlägt die Schau einen Bogen zwischen Moderne und 21. Jahrhundert.

Bonnie Camplin, The Pixelated Man, 2018, C-print, Collage, 91 x 70 cm, Courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien | Foto: Die Künstlerin und Cabinet, London

Bonnie Camplin, The Pixelated Man, 2018, C-print, Collage, 91 x 70 cm, Courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien | Foto: Die Künstlerin und Cabinet, London


Das liegt sichtlich ganz im Sinne des aktuellen Mottos von „curated by“. Zum zehnten Mal wird das Wiener Galerienfestival nun abgehalten, mit 21 Beteiligten, diesmal unter Selbstverwaltung. Stellte man der Veranstaltung üblicherweise einen oder mehrere Texte von renommierten Theoretiker/innen, gewissermaßen als Unterfutter, voran (im Vorjahr von Sabeth Buchmann und Franz Josef Czernin), so verzichtete man darauf heuer. In einem knappen Statement heißt es bloß, dass diesmal „die Spezifika des Systems Wien“ ausgelotet würden: „Der Aufklärungsoptimismus, die politische Lage, die Wege der Wahrnehmung, die Stadt der Kontraste, das Leben zwischen Barock und Heute, die kulturell gefestigte Ost-West-Brücke, das Lokale im Globalen und auch das Imaginäre an sich sind die prägenden Komponenten dieser Stadt.“


Meyer Kainer, Galerie Steinek und Krobath

Die Galerien der Eschenbach- und Schleifmühlgasse gehen auf diese Vorgabe unterschiedlich intensiv ein. Die Ausstellung bei Meyer Kainer (Kuratorin: Melanie Ohnemus) dreht sich um Cyborgs und die Auflösung von Dichotomien – was sich vor allem aus dem Begleittext, weniger aus den Werken erschließt. Bei Silvia Steinek hat Gerald Matt einen durchaus gelungenen Beitrag zu Künstlerinnen der geometrischen Abstraktion, kuratiert, der das Generalthema wenig reflektiert.

Das trifft auch auf die Ausstellung bei Krobath zu, kuratiert von den Künstlerinnen Mirjam Thomann und Jenni Tischer. Was nichts daran ändert, dass man unter dem Titel „Milieu“ mit einer inspirierenden Schau aufwartet. Sie dreht sich unter anderem um das Umfeld von Künstlerinnen – neben Arbeiten von Thomann und Tischer selbst punktet die Ausstellung mit einem kleinen, feinen Aquarell der Berliner Dadaistin Hannah Höch: mutmaßlich ihr Garten, in dem während des 2. Weltkriegs Werke ihrer Freundinnen und Freunde überdauerten.

Dóra Maurer, Quadricinia 2., 2015, Holz, Leinen, Acryl, 40,5 x 124,5 cm | Courtesy Galerie Steinek, Foto: Miklós Sulyok, Budapest

Dóra Maurer, Quadricinia 2., 2015, Holz, Leinen, Acryl, 40,5 x 124,5 cm | Courtesy Galerie Steinek, Foto: Miklós Sulyok, Budapest


Mark Rappolt | Crone

Näher an die „viennaline“ kommt man bei Crone: Dort entfaltete Mark Rappolt seine Ausstellung „Now Forever“ rund um Dokumente zu Christoph Schlingensiefs Aktion „Bitte liebt Österreich“, bei der in Big-Brother-Manier über die Ausweisung von Asylwerbern abgestimmt wurde – damals eine heftig umstrittene Performance, die heute daran erinnert, wie die Kunst in Zeiten von autoritären und restriktiven politischen Ansätzen zu positionieren, auszustrahlen vermag. Andere Arbeiten erweitern den Fokus: Anna Witts „Die Rechte des Gehsteigs“ wirft etwa die Frage auf, wer Öffentlichkeit bestimmt – ein Experte erläutert da, was auf der Straße erlaubt, was verboten ist.


Wolfgang Kos | Georg Kargl Fine Arts

Noch enger gefasst zeigt sich die Ausstellung in der Galerie Georg Kargl, kuratiert vom früheren Leiter des Wien Museums, Wolfgang Kos: „Vienna Transit“ hätte so oder so ähnlich auch vor 15 Jahren stattfinden können, mit Arbeiten von Roman Ondak, Anna Jermolaewa, Sue Williams, Gerwald Rockenschaub und vielen mehr – es geht um den „Standort Wien“ zwischen österreichischer Provinz und ehemaligen Ostblock. Man kann diese Ausstellung auch als eine – mehr als berechtigte – Hommage an den kürzlich verstorbenen Georg Kargl betrachten, daran, wie er selbst diese Zeit mitprägte. Lässt man diesen Blickwinkel außer Acht, erscheint sie allerdings ziemlich nostalgisch.

Christoph Schlingensief in "Ausländer raus!" von Paul Poet © filmgalerie 451 | Courtesy Crone, Berlin/Wien

Christoph Schlingensief in "Ausländer raus!" von Paul Poet © filmgalerie 451 | Courtesy Crone, Berlin/Wien

curated by

Verschiedene Standorte, 1010 Wien
Österreich

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