Fremd aus welcher Perspektive?

Galeriengastspiel in Wien

Mit der gemeinsam kuratierten Gruppenausstellung „Fremdkörper“ beginnt die temporäre Bespielung der Räumlichkeiten „Am Schwarzenbergplatz“ durch die Galerien KOW (Berlin), LambdaLambdaLambda (Pristina) und Simone Subal Gallery (New York).


Was in dieser Ausstellung verhandelt wird, ist rasch anhand der Videoarbeit „EXTRA“ (2011) von Candice Breitz zu verstehen. Gemütlich im Ledersofa sitzend, sieht man auf einem alten Röhrenfernseher eine nie ausgestrahlte Episode der südafrikanischen TV-Serie „Generations“. Die Künstlerin inszeniert sich als Requisite – sitzend, liegend oder im Hintergrund vorbeigehend – in der seit 1994 fast ausschließlich mit schwarzen Darsteller:innen besetzten Soap und thematisiert Weiße in der Post-Apartheitsgesellschaft. Übersetzt ins bürgerliche Ambiente im mehrheitlich weißen Wien wird die Arbeit zu einer Reflexion über Rassismus und was den „Fremdkörper“ definiert.

Der Ausstellungstitel bezieht sich auf einen Text des Philosophen Jean-Luc Nancy, in dem er beschreibt, wie durch seine Herztransplantation ein fremdes Organ sein Überleben sichert. Ein solcher Körperbezug wird nur bei Sharona Franklin augenfällig, wo in Gelatine eingelassene Pillen andeuten, wie Pharmaprodukte die Außenwahrnehmung aufrechterhalten. Ohne dieses besondere Verhältnis zu reflektieren, erschließen sich die vielfältigen Arbeiten über die Metapher des Fremdkörpers. Ihnen ist eine Doppelperspektive gemein, in der Eigenes und von anderen als fremd Wahrgenommenes verbunden wird. Wie wird aber diskursiv immer noch Fremdheit erzeugt, wo wir längst Kontinuität und Abhängigkeit zwischen den vermeintlichen Gegensätzen sehen können?

„Acoustic Sound Blanket 8“ (2022) von Baseera Khan, eine überdimensional hohe, spitz zulaufende schwarze Stoffkutte, dringt ein Stück weit in die Komplexität dieser Frage: In Performances mutiert der schwarze Stoff zum Hijab, durch den Khan nur eine Hand nach außen streckt. Die goldene Stickerei, die die Öffnung dafür umrandet, ist ein Familienerbstück, das zum Marker dafür wird, wie andere sie nur über ihre Migrationsgeschichte wahrnehmen.

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

In „St. Bacon“ (2024), dem Gemälde auf der gegenüberliegenden Wand, erkenne ich zuerst nur den Bezug zu Francis Bacons Papst. Mie Yim spielt aber mit Erwartungshaltungen an ihre Biografie als Künstlerin mit koreanischen Wurzeln, in Hawaii aufgewachsen und ausgebildet im westlichen Kunstkanon. Der großzügige Hauptraum mit auffälligem rotem Boden problematisiert diese Fehlkonzeption von Erbe: Sowohl die nicht verwirklichte Utopie kubanischer Designer in Marco A. Castillos strengen Formen aus Rattan als auch das Wissen um Häkeln und Weberei älterer Generationen bei Hana Miletić zeigen, wie Vertrautes über die Zeit fremd wird. Dierk Schmidts mit Notizen zerkratzte kleine Vitrinen „Broken Windows 3.1“ (2014/2015) verweisen auf die deutsche Restitutionspolitik, wo Objekte in Museen zurückgehalten werden. Die Präsentation mit Brüchen im Glas zeigt den falschen Gegensatz zwischen besseren Aufbewahrungsbedingungen und ursprünglichem Kontext und, wie auch in den anderen Arbeiten, dass die Idee von Fremdheit letztlich stets selbst aus einer Außenperspektive konstruiert wird.

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Direkt vom Eingang aus zu sehen, bekommt Brilant Milazimis Ölgemälde als Letztes meine Aufmerksamkeit. Er lässt auf gänzlich weißem Bildraum eine blassrosa Figur mit Hund durch einen Türrahmen treten. Sie geht auf eine Sitzende zu, betont durch stärkeren Pinselstrich und dunkleres Rot. Das reicht aus, um nach der Dynamik zwischen den beiden zu fragen, und bringt uns zurück zum Sofa im Hauptraum: Wer im Werk des kosovarischen Künstlers ist wohl die Figur, die erstmals die Schwelle hin zum bequem Sitzenden wagt?

Dass diese Ausstellung nicht in der Dichotomie zwischen Fremdem und Eigenem steckenbleibt, sondern Komplexität einfordert, liegt auch am lockeren Umgang mit der Präsentation, wo einige Werke lässig in den eingebauten Wandregalen lehnen und Platz bleibt, zwischen den Arbeiten herumzugehen und quer durch den Raum Verbindungen herzustellen. Dass sich die drei beteiligten Galerien in dieser Form ihrer eigenen Herausforderung als Fremdkörper – mit österreichischem Hintergrund im Ausland gegründet und nun gleichsam von außen das Bekannte zu ergänzen – stellen und entsprechende künstlerische Positionen einbringen, lässt gespannt sein auf die Fortsetzung.

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Exhibition view, Fremdkörper, Am Schwarzenbergplatz, Vienna, 2024, Courtsey of the artists and KOW/Berlin, LambdaLambdaLambda/Prishtina, Simone Subal/New York, Photocredit: kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Fremdkörper

Am Schwarzenbergplatz (KOW, Berlin / LambdaLambdaLambda, Pristina / Simone Subal Gallery, New York)

16.02.–23.03.2024

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