Porzellanmuseum im Augarten

Furchtlos nach Rio – auf den Spuren von Erzherzogin Maria Leopoldine

„Ja, ich habe Muth, denn es wäre auch unnützt [sic], furchtsam zu seyn. [...] Ein großer Entschluß! Aber er ist gefasst... Brasilien ist ein herrlicher, sanfter Himmelsstrich, ein gesegnetes Land und hat biedere und gutmütige Bewohner... Das Portrait des Prinzen macht mich noch halb narrisch... Er ist so schön wie Adonis.“, schrieb Maria Leopoldine 1816 an ihre Schwester Marie Louise.


Maria Leopoldine (1797–1826), Erzherzogin von Österreich und spätere Kaiserin von Brasilien, bescherte dem Land die Unabhängigkeit von Portugal und wird bis heute in Brasilien verehrt. In Österreich ist die Tochter von Franz I. jedoch weitgehend unbekannt. Schon zu Lebzeiten waren die über den langen Seeweg transportierten Nachrichten aus Wien selten. Wer war also Maria Leopoldine, die bereits in jungen Jahren verstarb? Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Unabhängigkeit Brasiliens begibt sich das Porzellanmuseum im Augarten auf Spurensuche und betrachtet das familiäre und kulturelle Umfeld der Erzherzogin.  

Maria Leopoldine war das das fünfte Kind von Kaiser Franz I. und Marie Therese von Neapel-Sizilien und wurde angeblich in Wien liebevoll Poldl genannt. Sie erhielt die in der Habsburg-Familie übliche Ausbildung, war jedoch vor allem an den Naturwissenschaften interessiert. Auf Drängen des Staatskanzlers Metternich wurde sie mit Dom Pedro, den Thronfolger des Vereinigten Königreichs von Portugal, Brasilien und Algarvien vermählt. Die Hochzeit fand in Wien statt, Dom Pedro wurde dabei von Maria Leopoldines Onkel Erzherzog Carl vertreten. Hernach reisten sie gemeinsam mit einer Delegation aus Künstlern und Wissenschaftlern nach Brasilien. Die von Fürst Metternich initiierte Expedition hatte den Zweck die Flora, Fauna und der Bodenschätze Brasiliens zu erforschen. So stand neben dem Interesse an der Botanik und Zoologie des Landes auch die wirtschaftliche Nutzung im Fokus. Nach dreimonatiger Fahrt erreichte man Rio. Maria Leopoldine war hervorragend ausgebildet in den Sprachen, Musik und vor allem in den Naturwissenschaften, wie Physik, Astronomie, Botanik und Mineralogie und gewann im Zugen der Unabhängigkeitsbestrebungen Brasiliens von Portugal politischen Einfluss. Gemeinsam mit ihrem Mann Dom Pedro traten sie für die Unabhängigkeit Brasiliens ein. Während Dom Pedro im Land reiste, um die Provinzen Brasiliens zu vereinen, übergab er ihr die Regenschaft in Rio de Janeiro. Anfang September berief „Dona Leopoldina“ den Ministerrat ein und unterzeichnete das Unabhängigkeitsdokument. Sie wird im folgenden Jahr Kaiserin. Die anfänglich harmonische Ehe des Regentenpaares fand eben in diesem Jahr 1822 ein jähes Ende, als Dom Pedro auf seinen Reisen kurz vor der Unabhängigkeitserklärung, Domitília de Castro Canto e Melo kennenlernte und als seine offizielle Geliebte am Hof einführte. Demütigung und Gewalt sollten letztlich zum frühen Tod der ersten brasilianischen Kaiserin führen. Doch wird Leopoldina bis heute in Brasilien als Gründerin der Nation verehrt.

Zaubernacht im Augarten

Das Wiener Porzellanmuseum ist durch ein glänzendes Fest untrennbar mit Kaiserin Leopoldina und ihrem Status zwischen den beiden Welten, Wien und Rio verbunden. Zur Feier ihrer Hochzeit fand am Abend des 1. Juni 1817 im Augarten ein „Brasilianisches Ball-Fest“ statt. Organisiert wurde es von dem Sondergesandten Portugals, António Luís de Meneses, Marques de Marialva, der gemeinsam mit Metternich die Fäden hinter den Kulissen der Vermählung gezogen hatte. 2000 Gäste sind geladen, mit der „zauberischen“ Inszenierung war der Hofarchitekt der Fürsten Esterházy, Charles de Moreau, beauftragt.

Im heutigen Museumsflügel des Schloss Augarten, einst ein Lustgebäude, das 1705 für Kaiser Joseph I. erbaut worden war und seit 1923 als Standort der Porzellanmanufaktur Augarten dient, stand in dieser Nacht die goldglänzende kaiserliche Tafel. Die Gesellschaft tanzte in einem eigens aufgestellten Pavillon im Garten, der Hofkapellmeister Joseph Wilde hatte für den Ball „Brasilianische Tänze“ komponiert. Die Festarchitektur im Augarten bleibt während des Monats Juni 1817 für einen Gulden Eintrittsgeld täglich für Schaulustige geöffnet, der Erlös kommt einer Wohltätigkeitsorganisation zugute.

Die aktuelle Ausstellung im Augarten, kuratiert von Claudia Lehner-Jobst, präsentiert nun exquisite historischen Exponate. Tafelgeschirr, wie Dessertteller, die mit Motiven aus den Funden der Brasilien-Expedition von 1817 in kaiserlichem Auftrag bemalt wurden. Ebenso zu sehen Tafelausstattungen des Kaiserhauses, darunter ein großes Dessertservice mit Silhouetten Porträts der kaiserlichen Familie sowie weitere Bildnisse der Familie auf Porzellan von namhaften Miniaturisten, eigenhändige Ölbilder der jungen Erzherzogin und Wiener Veduten als Wegweiser ihrer alten Welt. Porzellane im Zeitgeist zwischen Aufklärung und Vormärz spiegeln unter anderem die Sammelleidenschaften des Kaiserhauses für Muscheln und Mineralien wider. Die Exponate aus eigenem Bestand der Porzellanmanufaktur werden durch Leihgaben der Bundesmobilienverwaltung, Silberkammer, Hofburg Wien, LIECHTENSTEIN.The Princely Collections, Vaduz–Wien, des Museums St. Peter an der Sperr, Wiener Neustadt, der Sammlung Marton, Samobor, der Reinhold Hofstätter Privatstiftung sowie weiteren Privatsammlungen, wie etwa jene der Tafelkulturistin Annette Ahrens ergänzt.

Reiseservice für eine Person im originalen Etui, Kaiserliche Porzellanmanufaktur Wien, um 1819 © Porzellanmuseum im Augarten, Wien

Zeitgenössische Intervention von Georgia Creimer

Inspiriert von den zeitgenössischen Beschreibungen des Festes, der Reise nach Rio und den persönlichen Gedanken Leopoldines, wie sie in ihren tief empfundenen und teils erschütternden Briefen mitgeteilt werden, realisiere die brasilianisch-österreichische Künstlerin Georgia Creimer eine in-situ-Installation. „Für genau jenem Ort, an dem vor über 200 Jahren die Erzherzogin Maria Leopoldine saß und gleichzeitig gefeiert und verabschiedet wurde“, so Creimer.

Eine junge Frau sieht sich konfrontiert mit ihrer Selbstfindung, ihrer Identität und Emanzipation...

Georgia Creimer

Ihre Arbeit ist aus einer psychologischen Sicht und Empfindung entwickelt und soll auch das Gefühl des speziellen Abends widerspiegeln „an dem spätestens für sie klar geworden sein musste, dass sie ihre bisherige Welt für immer verlassen und in ein neues, für sie unbekanntes Land übers Meer reisen würde. Diese Tatsache wirkte für mich als eine starke Metapher für eine besondere ‚Coming of Age‘ Thematik: Eine junge Frau sieht sich konfrontiert mit ihrer Selbstfindung, ihrer Identität und Emanzipation …“, erklärt Georgia Creimer. Ihre Installation, in der auf eine ovale Form, das bewegte Bild einer weiblichen Figur projiziert wird, die gleichzeitig zu schwimmen und zu fliegen scheint, fängt das Gefühl der Instabilität ein, diesen für Maria Leopoldine schillernden und zwiespältigen Moment zwischen den Welten.

Ausstellungsansicht, o. T. (für Leopoldina), Georgia Creimer, 2022, Foto: Bettina Fischer

PORZELLANMUSEUM IM AUGARTEN

Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien
Österreich

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