Männerkunst, Frauenleben und Frauenkunst

Florentina Pakosta

Florentina Pakosta Revolverkopf, 1979 Schablonentechnik auf Papier Besitz der Künstlerin/© Bildrecht, Wien, 2018

Anlässlich ihrer großen retrospektiven Ausstellung in der Albertina hat Margareta Sandhofer für PARNASS die Künstlerin in ihrem Atelier besucht.


Männerkunst, Frauenleben und Frauenkunst. Über Jahrhunderte hinweg präsentiert sich die Männerkunst in Werken des konservativen Seins, sie ist veraltet. Aufgrund der Berufstätigkeit und der Antibabypille hat das Frauenleben neuen Selbstwert gewonnen. Die Kunst von Frauen ist neu, jung, zukunftsweisend und lebenserhaltend.

Florentina Pakosta

Auch zu ihrem 85. Geburtstag hat der Protest der Künstlerin und Autorin Florentina Pakosta gegen die männliche Dominanz in der Gesellschaft und vor allem im Kunstgeschehen nicht an Vehemenz eingebüßt. Die oben zitierten Worte sind ihrem dritten Buch entnommen, „Vorsicht Mensch“, das anlässlich ihrer aktuellen Jubiläumsausstellung in der Albertina präsentiert wird.

In den 1970er- und 1980er-Jahren zog Florentina Pakosta zunächst mit ihrem gegenständlichen, feministischen Werk die Aufmerksamkeit auf sich, die „Faust“ (Kreidezeichnung 1980) aus dem Zyklus „Meine Hände“ oder „Schrei I“ (Kreidezeichnung 1982) sind zu Ikonen des feministischen Aufbegehrens in der heimischen Kunstszene geworden. Pakosta war die erste Frau im Vorstand der Secession und organisierte dort mit „Secessionistinnen“ 1978 die erste Ausstellung der sonst unterrepräsentierten Frauenkunst. 1984 wurde ihr von Walter Koschatzky eine große Einzelausstellung in der Albertina gewidmet, weitere folgten – bis hin zur aktuellen Schau, die Ende Mai eröffnet wird. Dennoch sieht Florentina Pakosta ihr Ziel nicht erreicht, wie beim Gespräch in ihrem Atelier ausführt: „Kunst ist nicht etwas, das vom Himmel fällt. Jemand bestimmt, was Kunst ist – und es wird eine Zeit kommen, wenn es auch Frauen gibt, die bestimmen, was Kunst ist. Wir sind davon noch weit entfernt.“ 

Kunst ist nicht etwas, das vom Himmel fällt. Jemand bestimmt, was Kunst ist – und es wird eine Zeit kommen, wenn es auch Frauen gibt, die bestimmen, was Kunst ist. Wir sind davon noch weit entfernt.

Florentina Pakosta

Mit derselben glühenden Leidenschaft, mit der Florentina Pakosta ihrem nonkonformistischen Standpunkt heute Ausdruck verleiht, lehnte sie sich schon im Frühwerk gegen künstlerische Konventionen auf. Unbeirrt und selbstbestimmt verfolgte sie ihren künstlerischen Weg, widerständig gegenüber dem aufkeimenden Informell wie gegenüber der Wiener akademischen Tradition, die damals von Künstlerpersönlichkeiten wie Hrdlicka und Wotruba, Boeckl, Dobrowsky und Eisler geprägt war. Pakostas Interesse galt gesellschaftlichen Randgruppen, als welche sie letztendlich auch die diskriminierte Frau sah. Aus existenziellen Reflexionen der eigenen Identität wie derjenigen der Frau und aus der Kritik an der gesellschaftlichen Determiniertheit der Geschlechterrollen entwickelte sie einen genderbezogenen Realismus. Ihre Haltung war darin schonungslos in der Konfrontation mit dem eigenen Sein wie in der Demaskierung der maskulinen Dominanz.

Florentina Pakosta: Vorfreude, 1981, Schablonentechnik auf Papier (© Museum der Moderne Salzburg, Foto: Hubert Auer © Bildrecht, Wien 2018)Florentina Pakosta: Vorfreude, 1981, Schablonentechnik auf Papier (© Museum der Moderne Salzburg, Foto: Hubert Auer © Bildrecht, Wien 2018)

Florentina Pakosta: Vorfreude, 1981, Schablonentechnik auf Papier (© Museum der Moderne Salzburg, Foto: Hubert Auer © Bildrecht, Wien 2018)

Charakterköpfe und Gesichtsbildungen

Angeregt durch Messerschmidts „Charakterköpfe“entstanden ab 1975 der Zyklus „Gesichtsbildungen“, der psychische Extremzustände thematisierte, und männliche Rollenporträts, jeweils fotorealistische Kreidezeichnungen in plakativem Format. Pakosta wandte gezielt eine stringente Kreuzschraffurtechnik an, die der Entpersonalisierung des Duktus und damit einer objektivierten Gültigkeit dienen sollte. Die extreme Frontalität der Ansichten in erkennungsdienstlicher Manier mag vor allem die männlichen Porträtierten provoziert haben – zusätzlich zur signifikanten Umkehr des üblichen Machtverhältnisses zwischen männlich und weiblich, denn die posierenden Modelle hatten den Bedingungen der Meisterin Folge zu leisten und ihr bei all dem direkt in die Augen zu schauen – eine spannungsgeladene Herausforderung für beide Seiten. Auch in den „satirischen Köpfen“ verdeutlichte Florentina Pakosta ihre feministische Gesellschaftskritik. Sie kreierte aus unkonventionellen Kombinationen von meist männlichem Kopf und Alltagsgegenständen surreale Hybridformen: Absurde Zustände wurden in Schablonentechnik verstärkt desubjektiviert, um als gesellschaftliche Missstände pointiert bezichtigt und entlarvt zu werden. 

Florentina Pakosta, Zeitgenossen, 1982, Kreide, Aquarell gespritzt, Albertina Wien (c) Bildrecht, Wien, 2018

Florentina Pakosta, Zeitgenossen, 1982, Kreide, Aquarell gespritzt, Albertina Wien (c) Bildrecht, Wien, 2018

Trikolore Bilder

Seit 1988 entstehen die „Trikoloren Bilder“, ein Werkblock, den die Künstlerin bis heute weiterentwickelt. Die auf drei markante Farben beschränkten Gemälde zeigen geometrisch abstrahierte Kompositionen, unterschiedliche balkenförmige Konstellationen gliedern sich in die Werkgruppen „Zusammenbruch und Bodenhaftung“, „Aggressive Bewegungsabläufe“, „Durchblicke, Gitter und Zäune“ sowie „Bewegung im Raum“. Ihre Genese basiert in den letzten gegenständlichen Werken der „Warenlandschaften und Menschenmassen“,in denen die Wiedererkennbarkeit des Individuellen zurücktritt hinter die anonyme Ornamentalität der alles vereinnahmenden Masse.

Ich wollte schlagen, verletzen, stoßen. Schöne Farben fressen die Aussage.

Florentina Pakosta

Florentina Pakosta reagierte mit dieser Wende im Werk auf die politischen Umwälzungen in Europa, auf die revolutionären Bewegungen und den folgenden Zerfall des ehemaligen Ostblocks. Die neuen emotionalen Strukturen verlangten nach neuen Farben und Formen, Pakosta „strebte eine Symbolik an, die für die Freiheit neuer Gedanken steht, für neue Rechte von Mann und Frau, für den Weltraum und unseren Planeten Erde“, wie es in dem 2013 von Cornelia Cabuk herausgegebenen Buch „Pakosta. Malerei seit 1989. Trikolore Bilder“ heißt. Sie wählte grelle Industriefarben anstelle eines „schönen“ Kolorismus: „Ich wollte schlagen, verletzen, stoßen. Schöne Farben fressen die Aussage“, so die Künstlerin 2018 im Gespräch.

Nachdem eine explizite inhaltliche Aussage in den abstrahierten Formen ungleich schwieriger zu vermitteln ist, vielmehr in einer Vieldeutigkeit der jeweiligen Interpretation vorliegt, reduzierte Pakosta ihr Formenrepertoire auf „strenge Linien und wenige Farben, um das, was ich noch sagen kann, zu unterstreichen“. Im Gegenzug intensivierte sie ihre literarische Tätigkeit, umso eindeutiger zeigen die Texte ihren nicht verstummenden feministischen Protest. 

Ich bin überzeugt, dass wir am Anfang einer neuen Entwicklung stehen.

Florentina Pakosta

Dieser stilistische Wandel stellt somit keinen Bruch im bildnerischen Werk Florentina Pakostas dar. Stets waren Inhalt und Erscheinungsbild ihrer Zeichnungen und Gemälde von Intellektualität getragen. Die fortschreitende Abkehr von personalisierten Mitteln künstlerischen Gestaltens zugunsten einer systematischen Schraffur- oder Schablonentechnik im gegenständlichen Werkblock findet später in den abstrahierten Gemälden ihre dezidierte Fortsetzung im Verzicht auf sinnliche Modulation. Die „Trikoloren Bilder“ sind als effektive Konsequenz des kontinuierlichen Reduktionsprozesses auf Essenzielles zu sehen, denn sie zeugen von einer intensivierten Emotionalität: Disharmonie, Zusammenbruch, Bewegung, Aggression oder Dynamik sind die vorgetragenen Themen. – Doch Florentina Pakosta schließt auch zu ihrem 85. Geburtstag eine weitere Neuerung nicht aus, sowohl ihr Werk betreffend wie unsere gesellschaftliche Situation: „Ich bin überzeugt, dass wir am Anfang einer neuen Entwicklung stehen.“

Florentina Pakosta: 1991/4, Balkankrieg, 1991 (Privatsammlung © Bildrecht, Wien, 2018)

Florentina Pakosta: 1991/4, Balkankrieg, 1991 (Privatsammlung © Bildrecht, Wien, 2018)

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Österreich

Das könnte Sie auch interessieren