Weitblick-Gespräche zum Thema Bildende Kunst und Kultur

Felicitas Thun-Hohenstein im Gespräch mit Silvie Aigner

Silvie Aigner, Felicitas Thun-Hohenstein

Am 11. Juni war Felicitas Thun-Hohenstein zu Gast im Rahmen der Weitblick-Gespräche zum Thema Bildende Kunst und Kultur im Panoramaraum Hochhaus Herrengasse, die in Kooperation mit PARNASS stattfinden. Diese stellen aktuelle kunstimmanente Themen sowie Persönlichkeiten aus dem Kunst-und Kulturleben in den Fokus. Die Talkreihe wird präsentiert von Dr. Wolfgang Spitzy für das Hochhaus Herrengasse und moderiert, konzipiert von Silvie Aigner, Chefredakteurin der österreichischen Kunstzeitschrift PARNASS.

Felicitas Thun-Hohenstein, ist Autorin, Kuratorin zahlreicher internationaler Ausstellungen und langjährige Professorin für Kunstgeschichte am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste Wien sowie Initiatorin und Leiterin des Catrin-Pichler-Archivs. 2019 kuratiert sie den österreichischen Pavillon der 58. Kunstbiennale in Venedig. Ihre Wahl für den Beitrag im österreichische Pavillon fiel auf Renate Bertlmann, wie Felicitas Thun-Hohenstein vor Kurzem bei einer Pressekonferenz verkündete. Damit wird erstmals eine Künstlerin in einer Soloausstellung gezeigt. Eine bewusste Entscheidung, die den historischen Anachronismus von bisher 13 Soloausstellungen österreichischer Künstler ausgleicht und so betont Thun-Hohenstein im Gespräch durch eine Reihe von Diskussionen und wichtigen Ausstellungen von Künstlerinnen durch eine Vielzahl von Kuratorinnen vorbereitet wurde.

Ein wichtiges Anliegen ist Thun-Hohenstein auch die Biennale über den Pavillon „hinauszudenken“.

Ein wichtiges Anliegen ist Thun-Hohenstein auch die Biennale über den Pavillon „hinauszudenken“. Die Kuratierung des Biennale-Pavillons schafft eine große Aufmerksamkeit, so die Kuratorin: „daher ist es mir ein Anliegen über die Kuratierung des Pavillons hinaus, grundsätzlich auf die Interessen von Kunstschaffenden aufmerksam zu machen und auf das Potenzial der vielfältigen Ausdrucksformen der bildenden Kunst, auf ihre Themen, Fragestellungen, die in einem gesellschaftspolitischen Zusammenhang große Möglichkeiten bieten.“ Schon vorab und auch noch nach dem eigentlichen Event werden sogenannte „Biennale Lectures“ in ausgewählten Orten in Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste stattfinden. Thun-Hohenstein, die sich wie sie sagt, als „Vermittlerin der Kunst“, versteht, möchte in diesem Rahmen unterschiedliche Fragestellungen beleuchten und Verbindungen ausweisen. Es wird „eine Art Rundreise“ auch in unbekanntes Terrain das als Forschungsraum genutzt werden soll. Den Auftakt macht ein Gespräch mit Ralph Rugoff, dem Kurator der 58. Biennale von Venedig. Die Biennale-Lectures finden an speziellen Orten statt, die das jeweilige Thema auch räumlich unterstützen. „Die erste mit dem Thema Kunst und die künstlichen Grenzen, veranstalten wir im Planetarium, denn wenn wir schon über Grenzen nachdenken, dann gleich in einem Raum einer absoluten Grenzaufhebung. Die Künstlerin Jakob Lena Knebl wird diese Orten als sogenannte „Begehrensräume“ gestalten. Für die Gestaltung im Planetarium war ihre erste sponate Reaktion. Wir machen einfach finster“.

Die zweite Lecture, die am 8. März dem internationalen Frauentag stattfindet, diskutiert den Zusammenhang feministischer Praxis und Sprache, die Rollenbilder hinterfragt, Normen herausfordert und zugleich selbstreflexiv eigene Begrifflichkeiten überprüft. „Wir alle spielen Theater und im Alltag stets auch eine Rolle, daher haben wir dafür das Schauspielhaus, also eine Bühne ausgewählt“, so Thun-Hohenstein. Die dritte Lecture an der Akademie rückt temporäre Ausstellungsformate in den Diskurs. „Es geht mir stets auch darum tradierte Vermittlungsformate aufzubrechen um eine größtmögliche Öffentlichkeiten durch und für die Kunst zu erreichen, so Thun-Hohenstein. „Wir benützen daher auch alle verfügbaren Social Media Kanäle, es wird auf der Webpage auch jeweils Livestream Übertragungen geben. Die Webseite soll ein wachsendes Archiv darstellen, in dem sich zunehmend, verdichtend der Prozess des Austausches und der Zusammenarbeit in künstlerischer, kuratorischer und kulturpolitischer Hinsicht abbildet.“

Die fragliche Balance zwischen kritischem Diskurs und populären Format derartiger Großausstellung, die im ersten Talk relevant wird, ist Felictias Thun-Hohenstein bestens bekannt. So erzählt sie im Gespräch mit Silvie Aigner, dass sie daher auch gespannt auf die kuratorische Arbeit von Ralph Rugoff blickt: „Ich denke, dass seine Ausstellungen klare Themen ansprechen, die durchaus ein breites Interesse bewirken. Andererseits sind sie aber auch sehr detailtreu. Ich glaube, dass er auch auf das nicht klar Ersichtliche zoomen wird.“ Wünschen würde sie sich jedoch eigentlich ein Team an Kuratoren für Großevents wie dieses. Denn so Thun-Hohenstein es stellt eine große Herausforderung für einen Kurator dar,  alleine diese Hauptausstellungen der Biennale zu konzipieren, zumal sie dafür auch nicht viel Vorlaufszeit haben. Auf die Frage von Silvie Aigner, dass selbst Ralph Rugoff das Format der Biennale für problematisch hält, meint Felicitas Thun Hohenstein, dass er angekündigt hat in der Struktur einiges zu ändern. Man darf also gespannt sein. Das Format der Biennalen selbst, sieht sie dennoch nicht als obsolet an. Im Gegenteil. 2008 war sie für den österreichischen Beitrag auf der 11. Cairo Biennale verantwortlich. „Man ist bei diesen Biennalen sehr oft auch mit regionalen und geografischen Paramentern konfrontiert, die andere Blickwinkel ermöglichen und einen aus der Komfort Zone bringen, was ich sehr schätze.“, so Thun-Hohenstein. Biennalen sind für sich auch „Räume des Widerstands“, die radikaleren, expliziteren Positionen im Sinne eines experimentellen Feldes Platz einräumen können und so den Blick signifikant erweitern. Was große Museumsausstellungen oft nicht ausreichend leisten können übernehmen in ihren Augen vieler Orts die Biennalen.

Bertlmann ist sowohl ästhetisch als auch konzeptuell sehr genau. […] Schmerz und Schönheit werden im Sinne einer Irritation zusammengeführt

Felicitas Thun-Hohenstein

Mit Renate Bertlmann spricht Thun-Hohenstein genau eine solche Position an. Die Pionierin der feministischen Kunst erhielt 2017 der Österreichischen Staatspreis – es dauerte ganze acht Jahre bis nach Brigitte Kowanz 2009 wieder eine Frau zum Zug kam. Doch Renate Bertlmanns Arbeit fasziniert nicht nur ob ihrer feministischen Aspekte. „Bertlmann ist sowohl ästhetisch als auch konzeptuell sehr genau. […] Schmerz und Schönheit werden im Sinne einer Irritation zusammengeführt“, beschreibt die Kuratorin. Außerdem begeistert sie Bertlmanns einzigartiger Umgang mit Material sowie die konstante Frage nach Machtverhältnissen in der Kunst. „Renate Bertlmanns künstlerische Arbeit steht für mich unter dem Begriff Ästhetik des Riskanten. Sie hat sich nicht nur sehr früh in wesentlicher Position in eine internationale Geschichte der Performance eingeschrieben, sondern sie greift seit den 1970er-Jahren Themen und Fragestellungen auf, die eine echte Herausforderung sind und in ihren Grenzüberschreitungen auch eine Mutprobe, wie die Fragen nach der weiblichen Identität, der Sexualität, der Ironie, aber auch der Spiritualität. Neben diesen brennenden Themen ist der Ausgangspunkt ihrer Arbeiten von Anfang an die Forschung am Material selbst, das solchermaßen in seinem Eigensinn zum aktiven Teil ihrer künstlerischen Auseinandersetzung wird. In dieser Synchronisierung von performativem Gestus und traditioneller Kunstpraxis in Form von Objekten, Zeichnungen oder Fotografie erweist sich ihre Arbeit als hoch aktuell.“ Thun-Hohenstein legte in ihrer Arbeit immer wieder einen Schwerpunkt im Sichtbarmachen der Arbeiten dieser besonderen Künstlergeneration rund um Persönlichkeiten wie Carolee Schneemann oder die gerade im Kunstraum Niederoesterreich ausgestellte Martha Wilson. „Die unglaubliche Hartnäckigkeit und Kraft“ mit der diese Künstlerinnen ihre Arbeit vertreten wird auch jüngere Generationen ansprechen, ist Felicitas Thun-Hohenstein überzeugt. Auf der Biennale Renate Bertlmann, auf Wunsch der Kuratorin auch eine neue Arbeit entwickeln. Denn so ist sich die Kuratorin sicher, eine Biennale braucht eine neue Arbeit. Doch wird sie diese in in bestehende Werke der Künstlerin einbetten. Das ist legitim und sogar notwendig angesichts eines so dichten und über Jahrzehnte geschaffenen Œuvres, ist Thun-Hohenstein überzeugt. Gelungen ist es ihr auch den Beitag der Biennale nach Wien zu bringen und die neue Arbeit in den historischen Spiegelräumen des Belvederes zu zeigen. Dazu findet auch das finale Event im Rahmen der Biennale-Lectures statt, die ein Art Resümee ziehen wird, dass dann auch in Form eines Buches die Themen der Lectures und den künstlerischen Beitrag der Biennale zusammenfasst.

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