Mit der Ausstellung von Andreas Mühe „Ich kenn dich auch vom Ansehen nicht“ ist Pipo Eisl und Alexander Rhomberg eine ganz besondere, nahezu museale Schau in der Elektrohalle Rhomberg gelungen.


Andreas Mühe gestaltet die Elektrohalle Rhomberg zur Theaterbühne um – oder zu einem vermeintlichen Einblick in private Räume. Möbel, die in den Fotobildern als Requisiten erscheinen, stehen real im Raum bis hin zum Vorhang der an den Wänden der Elektrohalle Rhomberg angebracht ist und dieser eine ganz neue Atmosphäre gibt. Alles scheint wie ein Puzzlestück oder vielmehr wie ein Setzkasten, so Mühe platziert zu sein. Der Betrachter ist sich nicht ganz sicher, ob er hier einer Familienaufstellung beiwohnt oder in eine Installation eintritt. Die Überraschung ist auf jeden Fall gelungen.

1979 in Chemnitz geboren, wo bei Andreas Mühe die Stadt konsequent als Karl-Marx-Stadt bezeichnet, lebt Andreas Mühe heute in Berlin. Was Mühes Fotoarbeiten so einzigartig macht, ist ihre Detailgenauigkeit, die Präzision der Umsetzung und die Recherche, die Vorarbeiten, die damit einhergehen. Seine Fotoarbeiten die er ausschließlich analog herstellt, sind von langer Hand vorbereitete Fotoarbeiten. Nach der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und Identität nun also der Werkzyklus „Mischpoche“2017—2019 – in der die eigenen Familie zum Bildsujet wird. Andreas Mühe ist der Sohn des 2007 gestorbenen Schauspielers Ulrich Mühe und dessen erster Frau Annegret Hahn, die bis 2012 Intendantin des Thalia Theaters in Halle an der Saale war. Ulrich Mühe und dessen dritte Frau Susanne Lothar spielten beide im Jedermann, Salzburgs berühmtesten Stück über Leben und Tod. Der Verweis auf die Festspiele findet sich auch im  Titel der Ausstellung — „Ich kenn Dich auch vom Ansehen nicht“ — ist ein Zitat aus Hofmannsthals „Jedermann“. Andreas Mühe saß schon in jungen Jahren im Publikum, wie er erzählt. Das er daher die bereits im Hamburger Bahnhof gezeigten Werkzyklus auch in Salzburg ausstellen wollte, ist nachvollziehbar, zeigt sich doch eine Verwandtschaft zu Theater und Inszenierung gibt  – und die Elektrohalle Rhomberg bietet dafür eine perfekten Rahmen.

Elektrohalle Rhomberg, Ausstellungsansicht, Foto: PARNASS

Im Zentrum stehen zwei Familienportraits, die die lebenden wie bereits verstorbenen Mitglieder seiner Familie, mütter- und väterlicherseits, abbilden. Die bereits verstorbenen Personen ließ er, von Fotovorlagen ausgehend, in einem komplexen und intensiven Produktionsprozess als verblüffend lebensecht anmutende Skulpturen nachbilden, was nicht nur die Altersverhältnisse durcheinander bringt, sondern insgesamt ein Feld aufmacht in dem vom Persönlichen zum Allgemeinen und vom Familiären zur Figuration alle enthalten ist. Fotografie, Inszenierung, Realität und Skulptur fügen sich zu einem vielschichtigen Bild zusammen –  zu einem Porträt einer Familie in dem Zeit- wie Kunstgeschichte tief eingeschrieben sind. Die Familie des Künstlers – und das Arbeit mit und an den Porträts insbesondere mit den Nachbildungen seiner Eltern, war ihm zum Teil sehr nahe – zu nahe, sodass er sich für eine Zeit auch davon wieder rausnehmen musste, wie er erzählt. Aber genau dieses Changieren zwischen Privat und Allgemein macht diese Ausstellung so faszinierend. Sie ist zu allererst ein künstlerischer Akt und doch schwingt etwas mit, ein Ton, ein Klang der tiefer geht und spürbar bleibt. Die von Mühe entwickelte bereits zum signature style avancierte Formensprache seiner Fotoarbeiten prägt auch ihr den Eindruck – und schließt von Vornherein jeglichen Voyeurismus aus.

Elektrohalle Rhomberg, Ausstellungsansicht, Foto: PARNASS

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