Südfrankreich

Ein Blick nach Arles lohnt

Schon von weitem überragt Frank Gehrys Denkmal, der LUMA Turm, die 50.000 Einwohnerstadt Arles im Süden Frankreichs. Eine Irritation in den Weiten der Provence, die gleichsam fasziniert und aufregt und dem diesjährigen Fotofestival Rencontres d'Arles ein wenig die Show stiehlt. Aber nur auf den ersten Blick, überzeugt das Festival doch mit großen Namen, sehenswerten Ausstellungsgestaltungen und zahlreichen bisher weniger bekannten Positionen, die einen Ausflug nach Frankreich mehr als lohnen.


200 Künstlerinnen und Künstler sind es, die das diesjährige Fotofestival in Arles, es ist die bereits 52. Edition, zu dem machen, was es ist: Ein einzigartiger Parcours quer durch die Szenen der zeitgenössischen Fotografie mit Seitenblicken auf die Geschichte und dem Wagnis einer Zukunftsprognose dieses vielfältigen Mediums.

Kuratierte Sektionen und Discovery Award

So fragen sich kuratierte Sektionen der Rencontres d'Arles auch wie weit man das Medium Fotografie erweitert denken kann, und in Zeiten des Digitalen vielleicht sogar muss. Vor allem der „LOUIS ROEDERER DISCOVERY AWARD“, der kuratiert von Sonia Voss elf ausjurierte künstlerische Positionen in Szene rückt, wagt eine Bestandsaufnahme der aktuellen fotografischen Beschäftigung und greift dabei sehenswert etwa ins Objekthafte und Installative. Die Namen Mariana Hahn und Jonas Kamm sollte man sich wohl merken.

Zur Gewinnerin des Discovery Awards wurde Tarrah Krajnak gekürt. Die Geschichte der Fotografie um eine Neuschreibung bemühend, inszeniert sich die Künstlerin in Frauenporträts à la Edward Weston, macht allerdings mehr sichtbar, als das Original offenbart. Während Weston den Frauenkörper als Form betrachtet, zeigt Tarrah Krajnak was rund um die Form aus dem Bildrand fiel und reklamiert sich dabei selbst in die Betrachtung. Der Publikumspreis derselben Sektion ging an Ilanit Illouz, die eine experimentellen fotografische Studie des Wadi Qelt, einem Tal in der judäischen Wüste zwischen Jerusalem und Jericho, zeigt.

Tarrah Krajnak, Self-Portrait as Weston/as Bertha Wardell, 1927/2020, from the Master Rituals II: Weston’s Nudes series, 2020. Courtesy of the artist.

 

35 Ausstellungen – unsere Highlights

Weitere Highlights unter den 35 offiziellen Ausstellungen des Festivals, die um Satellitenprogramme ergänzt werden, sind unter anderem die Schau „THAWRA ! ثورة REVOLUTION !“, die sich mit dem Volksaufstand im Sudan befasst oder „BORDERS“, eine ausgezeichnet gehängte Ausstellung von Jean-Michel André. Borders begann im Dschungel von Calais am Tag vor der Räumung der Barackensiedlung 2016. Drei Jahre lang traf Jean-Michel André in Frankreich, Italien, Spanien und Tunesien Flüchtlinge, die ein Dach über dem Kopf suchten.

Zentral gelegen im Palais de l'Archevêché faszinieren unterdessen die Porträts von Pieter Hugo, auch wenn sie dann und wann im Ausstellungsaufbau mehr Kontext vertragen könnten, während hier allerdings die historische Architektur eine ganz besondere Rolle spielt. Überhaupt macht es Freude durch das Fotofestival in verlassene Kirchen und Parks geführt zu werden. Architektonisch besonders eindrucksvoll liegt ein Stück außerhalb von Arles die Abbaye de Montmajour – ein Kloster mit über 1000-jähriger Geschichte wo unter anderem Raymond Cauchetiers unterhaltsame schwarzweiß Fotos der Filme der französischen New Wave zu sehen sind.

Aber auch in der Stadt sind manche Ausstellungsorte besonders sehenswert. So ist vor allem die farb- und stimmkräftige Gruppenschau „The New Black Vanguard“ ein Must. Sie verhandelt Wahrnehmungen von Schönheit, Blackness, Geschlecht und Macht neu. Die Zusammenstellung „Africa State Of Mind“ ist weniger farbenfroh, aber kein bisschen weniger sehenswert, auch ob der Ausstellungsgestaltung auf simplen Holzverschlägen in einem etwas abseits gelegenen Park.

Großartig ist auch die Gruppenschau „Masculinities“, die vom Barbican, London organisiert, zahlreiche Big Names – unter ihnen Peter Marlow, Richard Mosse, Catherine Opie, Wolfgang Tillmans – zusammenführt und abwechselnd ironisch, humoristisch und tiefschürfend auf das Bild des Mannes im letzten und aktuellen Jahrhundert blickt.

Ausstellungsansicht, THAWRA ! ثورة REVOLUTION !“, Foto: PARNASS

LUMA Arles

Die Ausstellungshalle der Masculinities befindet sich gleich gegenüber der Schau „Pierre Huyghe, After UUmwelt“ des LUMA Arles. Gerade hat der Ende Juni neueröffnete dem LUMA zugehörige Ausstellungsturm gestaltet von Frank Gehry für viele Schlagzeilen gesorgt. Das ganze Areal rund um den „Parc des Ateliers“ wurde in diesem Kontext großzügig neu angelegt, mit einer Landschaftsgestaltung von Bas Smets und großzügigen Kunstinstallationen – sehr zentral steht etwa eine Skulptur von Franz West. Insgesamt fällt es aber schwer die neue Architektur als mehr als einen großen Spielplatz der Kunst zu betrachten, nicht nur weil die Rutschen von Carsten Höller durch die man sich zwischen den Ausstellungsebenen bewegen kann und der von der Koreanerin Koo-Jeong-A inszenierten Skaterpark an einer Außenwand zum lockeren Kunsterleben einladen, sondern auch weil neben der Architekturspielerei eines in die Jahre gekommenen Architekten, wenig White Cube für offene Ausstellungsgestaltungen übrig bleibt.

„Parc des Ateliers“ und LUMA Arles, Foto: PARNASS

Fragt man sich durch Arles erhält man sehr unterschiedliche Haltungen zum neuen Turm – er wirkt wie ein Fremdkörper und doch soll gerade das seine Stärke sein. Einen Bilbao Effekt erhofft sich die Kunstsammlerin Maja Hoffmann, die hinter dem seit 2013 revitalisierten Areal, das nun durch den neuen Turm eine Krönung erhielt, steht.

Dabei läuft es auch so schon ganz gut in Arles wo seit 1970 das Fotofestival floriert und sich wunderbar mit dem Theaterfestival im nahgelegenen Avignon ergänzt. Bereits in der für Fachpersonen und Kulturtägige geschlossenen Eröffnungswoche wurden 14.000 Festivalbesucher verzeichnet, das sind zwar um 25 Prozent weniger als noch 2019 zum 50. Jubiläum des Festivals, aber dennoch ein starkes Zeichen für einen Kunstsommer zwischen Provence und Côte d’Azur.

Frank Gehry, LUMA Arles, Foto: PARNASSFoto: PARNASS

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