Earthbound
Das sensible Verhältnis zwischen dem zunehmend gefährdeten Ökosystem unseres Planeten und den Aktivitäten seiner menschlichen Bewohner ist Thema der internationalen Gruppenausstellung „Earthbound“ im Haus der elektronischen Künste (HEK) in Basel. Die Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler machen sinnlich und emotional erfahrbar, was die Wissenschaft oft nur in trockenen Fakten zu vermitteln vermag.
Die von der Decke hängenden Ranken diverser Grünpflanzen empfangen die Besucher:innen im HEK. Ein Schild an der Wand lädt zum Berühren der Blätter und Zweige ein. Und siehe da: Die Pflanzen antworten mit unterschiedlichen Klängen und Geräuschen. Hinter der freundlichen Kommunikation mit dem Grünzeug steckt eine hochkomplexe Technologie, die – vereinfacht gesagt – die von den Pflanzen empfangene elektrostatische Energie des menschlichen Körpers in akustische Signale übersetzt.
Die Installation Akousmaflore des französischen Duos Scenocosme ist symptomatisch für die Ausstellung, die sich mit den drängenden Umweltfragen unserer Zeit beschäftigt und auf faszinierende Weise die Welt der Natur, der Technologie und des Menschen in Beziehung setzt. Entstanden ist die Ausstellung auf Einladung der Europäischen Kulturhauptstadt Esch 2022. Nach der Präsentation in Luxemburg vergangenen Sommer ist sie jetzt bis 13. November in Basel zu sehen. Boris Magrini hat die Schau zusammen mit Sabine Himmelsbach kuratiert: „Ziel ist es, zu hinterfragen, wie Künstlerinnen und Künstler heute mit dem Thema Ökologie umgehen: Können sie mithilfe neuer Technologien einen anderen Dialog mit der Natur entwickeln? Wie kann man neue Technologien benutzen, um mit der Kunst eine bessere Perspektive oder vielleicht sogar alternative Lösungen für die Probleme unserer Zeit vorzuschlagen?“
Eine Vielfalt höchst unterschiedlicher Installationen und Videoskulpturen, manche davon als Auftrag für die Ausstellung entstanden, vermittelt einen Einblick in das breite Spektrum dieses Dialogs mit der Natur. Die Positionen und Ansätze, sich dem Thema zu nähern, sind ebenso unterschiedlich wie die Zielsetzungen: Geht es bei Akousmaflore vor allem darum, die Interaktion zwischen menschlicher Präsenz und Pflanzenwelt bewusst zu machen, so entwickelt der mexikanische Künstler Gilberto Esparza mit Korallis einen konkreten Beitrag, um dem Absterben von Korallenriffen entgegenzuwirken.
Sabrina Ratté aus Kanada wirft mit ihrer Videoinstallation Floralia einen Blick in die Zukunft, in der ausgestorbene Pflanzen vielleicht nur mehr virtuell als 3D-Objekte in digitalen Archiven bewahrt werden. Die australische Künstlerin und Umweltingenieurin Tega Brain lässt einen Sumpf von verschieden ausgerichteten KI-Programmen manipulieren. In Nature see you lässt der in Wien lebende schwedische Künstler, Komponist und Schriftsteller Erik Bünger den Gorilla Koko, dessen Videobotschaft auf der UN-Klimakonferenz 2015 im Internet viral ging, mithilfe seiner von einem Avatar übersetzten Zeichensprache an die Menschen appellieren, endlich zu handeln.
Die Ausstellung Earthbound macht nachdenklich und besorgt, gleichzeitig gibt sie Hoffnung und Mut, dass technologische Innovationen nicht nur Zerstörung bewirken, sondern auch Ansätze zu Problemlösungen anbieten können. Auf jeden Fall bietet sie ein Erlebnis, das alle Sinne anspricht, naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit künstlerischer Kreativität verbindet, bedrohliche und ästhetisch beglückende Momente bereithält und auf intellektueller wie emotionaler Ebene klarmacht: Wir alle sind „earthbound“ und sollten Wege für ein harmonisches Zusammenleben finden, bevor es zu spät ist.
HeK (Haus der elektronischen Künste Basel)
Freilager-Platz 9, 4142 Münchenstein
Schweiz