SCHLAGLICHTER AUF EINE VERLOREN GEGANGENE WELT

DIE WIENER ROTHSCHILDS im Jüdischen Museum

Ein großes Gemälde von Frans Hals, „Der Uhrturm am Markusplatz“ von Francesco Guardi oder August von Pettenkofens „Der Kuss“ sind nur zwei der Kunstwerke, die sich in den Wiener Palais der Familie befanden, als Louis Rothschild von den Nationalsozialisten als Geisel genommen-, und der gesamte Familienbesitz arisiert wurde. Im Jüdischen Museum Wien wird die Geschichte des österreichischen Zweigs der legendären Familie Rothschild in einer aufwendig recherchierten Ausstellung nachgezeichnet.


„Das Haus Rothschild bot jedem eine Projektionsfläche, dem Antisemiten, dem neidigen Sozialisten, dem verarmten Aristokraten und eigentlich jedem, der von unermesslichem Reichtum träumen wollte“ schreibt Georg Gaugusch in seiner Publikation „Wer einmal war“*. Dasselbe Bild zeichnet Gabriele Kohlbauer-Fritz, die gemeinsam mit Tom Juncker die Ausstellung im Jüdischen Museum kuratiert hat. Diese dokumentiert die Geschichte der Familie – von der Ankunft Salomon von Rothschilds in der Hauptstadt des Habsburgerreiches im Jahre 1816 bis heute. Neben dem politischen Einfluss der Rothschilds, geht es den Kurator:innen vor allem um die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Familie in Österreich. Von der Gründung der Bank bis zu Kaiser Ferdinands-Nordbahn, von den Witkowitzer Eisenwerken bis zu Spitälern, Heilanstalten, Schulen und öffentlich zugänglichen Gartenanlagen.

Das Haus Rothschild bot jedem eine Projektionsfläche, dem Antisemiten, dem neidigen Sozialisten, dem verarmten Aristokraten und eigentlich jedem, der von unermesslichem Reichtum träumen wollte.

Georg Gaugusch

Aber auch das  persönliche gesellschaftliche Engagement der weiblichen Familienmitglieder wird gezeigt. Doch bis auf ein kleines Palais in der Prinz-Eugen-Straße, das bis heute den Namen Rothschild trägt, einem Platz im zweiten Bezirk und dem Mausoleum auf dem Wiener Zentralfriedhof, weist heute so gut wie nichts mehr auf das Wirken der Familie hin.

Den Beginn des Ausstellungsrundgangs macht ein Sphinx aus Sandstein, deren wechselvolle Geschichte erst durch akribische Recherchen ans Licht kam. Sie zierte ursprünglich den Garten des großen Palais in der Prinz Eugen Straße, in dem nach dem Anschluss zeitweilig die Zentralstelle für jüdische Auswanderung unter Adolf Eichmann untergebracht war. Nach der Restitution verkauft die Familie Rothschild das Gebäude an die Arbeiterkammer, die es in den 1950er-Jahren abreißen ließ, um an seiner Stelle einen Neubau zu errichten.

Ausstellungsansicht, Die Wiener Rothschilds © David Bohmann

Doch die Geschichte der Rothschilds in Wien, die sich auch anhand von Aquarellen, Lithografien und Ölbildern von bedeutenden Künstlern aus der Zeit, wie beispielsweise Moritz Daniel Oppenheim, nachzuvollziehen lässt, beginnt viel früher mit Salomon Rothschild. Salomon war der zweite von fünf Söhnen von Mayer Amschel Rothschild und dessen Ehefrau Gutle Schnapper aus Frankfurt am Main. Er wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Vertreter seiner Familie nach Wien geschickt und avanciert in Kürze zum bestimmenden Finanz- und Wirtschaftsberater des Fürsten Metternich. In diese Zeit fielen die Gründung der Bank, die später als Creditanstalt firmierte, und weitere große wirtschaftliche Investitionen. Weil Juden zu der Zeit keinen Grundbesitz erwerben durften, lebte Salomon Rothschild samt Familie im Hotel Römischer Kaiser in der Wiener Renngasse. Sein Netzwerk reichte vom Kaiserhaus – Salomon Rothschild war einer der wenigen Juden, der in den Adelsstand erhoben wurde – bis zu einflussreichen Persönlichkeiten seiner Zeit, darunter etwa Leopold von Wertheimstein, Friedrich von Gentz oder Moritz Ritter von Goldschmidt um nur einige zu nennen.

Als große Kunstkenner- und Sammler traten erst seine Nachfahren Nathaniel und noch eine Generation später - die Brüder Alfons, Eugen und Louis auf. Zwei Elfenbeinstatuetten, die Kaiser Ferdinand II und Kaiser Ferdinand III darstellen, und zwei Figurengruppen aus Buchsbaumholz, deren eine Maria Theresia zu Pferd zeigt, die andere den noch jungen Erzherzog Joseph, stammen aus einer Widmung des Jahres 1903 von Nathaniel Rothschild an die kaiserlichen Sammlungen, heute Kunsthistorisches Museum. Aus Berichten und Bildern aus den 1930er-Jahren weiß man, dass Gemälde von Fragonard, Boucher, Gainsborough oder Romney, neben Kunst- und Goldschmiedearbeiten, Skulpturen, Medaillen, Teppichen, Gobelins, Möbeln, Lustern, astronomisch-mathematischen Geräten, Musikalien und vielem mehr zur Sammlung gehörten. In der Liste, der von der Gestapo beschlagnahmten Kunstwerke, ist von 10.000 Stück die Rede.

Edvard von Heuss, Salomon von Rothschild, ca. 1845, Öl auf Leinwand © Privatsammlung, London

1947 erfolgte die formale Rückstellung der Rothschild-Kunstsammlungen

Susanne Hehenberger

„1947 erfolgte die formale Rückstellung der Rothschild-Kunstsammlungen“ schreibt die Historikerin Susanne Hehenberger im Katalog zur Ausstellung, „doch forderten einige Museen in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt und unter Heranziehung des Ausfuhrverbotsgesetzes, Widmungen aus den zu restituierenden Sammlungen, um im Gegenzug dafür der Ausfuhr der restlichen Sammlungsstücke zuzustimmen.“ Erst 1998,  Jahrzehnte später „war die rechtliche Grundlage für die Rückgabe dieser unfreiwilligen Widmungen geschaffen.“

So wurden damals mehr als 110 Exponate aus verschiedenen öffentlichen Museen an die Erben restituiert. Sie waren bis dahin in der Gemäldegalerie und der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums, im Belvedere, im Heeresgeschichtlichen Museum, in der Österreichischen Nationalbibliothek, in der Graphischen Sammlung Albertina und auch im MAK-Museum für angewandte Kunst zu sehen gewesen. Mit dem Porträt des Grafen Sinzendorf von Hyacinthe Rigaud und einem Zeremonienstab beschenkte Bettina Looram-Rothschild nach erfolgter Rückgabe das Kunsthistorische Museum, beziehungsweise die Schatzkammer.

Einzig ein großformatiges und lange nicht zuordenbares Ölbild von Karel Klic, auf dem Anselm von Rothschild zu sehen ist, und ein vielteiliges Service mit gekröntem „AR“ Monogramm, das für Albert Rothschild steht, sind Teil der Sammlung des Jüdischen Museums Wien.

Ausstellungsansicht, Die Wiener Rothschilds © David Bohmann

Alles andere musste vom Rothschild Archiv, den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein oder verschiedenen Museen im In- und Ausland entliehen werden um dem Ziel der Ausstellung gerecht zu werden: Mythen und Vorurteile abzubauen, die Errungenschaften der Familie für die Stadt Wien und das Land zu unterstreichen und die Spuren des materiellen und immateriellen Erbes der Rothschilds in Österreich zu untersuchen.

Karel Klíč, Anselm von Rothschild, Wien, spätes 19.Jh, Öl auf Leinwand © Jüdisches Museum Wien

Frans Hals, Männliches Bildnis, 1650/52, Öl auf Leinwand © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections

Büste der Bettina von Rothschild aus dem ehemaligen Kaiserin-Elisabeth-Spital (Der Wiener Gesundheitsverbund - Pflege Rudolfsheim-Fünfhaus), ca. 1897, Marmor © Momentosphere by Tobias de St. Julien

Abbrucharbeiten am Palais Rothschild, Prinz-Eugen-Straße, Wien, 1954/55 © Alfred Klahr Gesellschaft

True Detective Mysteries, "Hitler´s Kidnaping of Baron Rothschild", New York, 1940, Papier © The Rothschild Archive, London

Unter den gezeigten Schätzen befindet sich etwas, dessen Geschichte dem Untertitel der Ausstellung „Ein Krimi“ ebenfalls gerecht wird. Es handelt sich um „Das Heilige Dornenreliquiar von Jean Duc de Berry“, datiert um 1400, Paris, das sich im Besitz der Geistlichen Kunstkammer der Hofkapelle befand und 1860 erstmals in einer Ausstellung zu sehen war. Es ist ein auffälliges, kostbares Goldschmiede-Kunstwerk, das mit Email und Edelsteinen verziert ist. „Das wäre etwas für Baron Rothschild“ soll der damals nicht allzu gut beleumundete Restaurator und Antiquitätenhändler Salomon Weininger gesagt haben. Was auch immer dann genau vor sich ging: Das Original fand den Weg in die Sammlung der Familie Rothschild. Wunderschöne Kopien gingen in Umlauf. Eine davon ist heute im Besitz der Fürstin von Thurn und Taxis. Eine zweite gehört zur Sammlung der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien.

Jüdisches Museum Wien

Dorotheergasse 11, 1010 Wien
Österreich

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