Das sind die Nominierten für den STRABAG Artaward International 2021

Nominiert für den STRABAG Artaward International 2021 sind: Anouk Lamm Anouk, Robert Gabris, Samuel Paučo, Natália Šimonová, Marcin Zawicki


Anouk Lamm Anouk

Anouk Lamm Anouk ist Malerin, ist Lyrikerin und alles, was dazwischen liegt. Oder wie sie selbst sagt: „Ich bin nichts und niemand.“, was zugleich eine Anspielung auf ihre Verankerung im Zen-Buddhismus darstellen könnte. Anouk identifiziert sich als nicht binär. Basierend auf der Erforschung ihrer Identität und ihres Körpers in Bezug auf die Gesellschaft war ihr erstes Ziel eine Reduktion als Verdichtung, die zu einer sehr persönlichen Annäherung an die Abstraktion führte. Frühe Erfahrungen und das Hineinwachsen in einen geschlechtlich falsch konnotierten Körper prägten ein bereits umfangreiches Werk, das den Schmerz konfrontiert und in Schönheit und Kraft transformiert. Die Betrachter*innen werden herausgefordert, indem sie gezwungen werden, sich mit Sex, Erotik und (weiblicher) Emanzipation auseinanderzusetzen.

Bestimmte Motive, Wesen, Rhythmen wiederholen sich oder finden sich fragmentarisch in verschiedenen Werkserien wieder – oftmals nur als subtiler Verweis auf das große Ganze. Der Alltag, die Träume, die Arbeit, die Extravaganz – in Anouks Oeuvre geht es darum, alle Aspekte des Seins zu vereinen. Sichtbarkeit ist der Schlüssel und ein wesentlicher Teil ihres Selbst und ihres Schaffens. Denn sich selbst treu zu sein – Queerness sichtbar zu machen – ist zentrales Anliegen von Anouk. Zu sich zu stehen und stolz zu sein, ist ein wesentlicher Teil ihrer Praxis. Sichtbarmachen als eine Form von Aktivismus in einer Welt, die immer noch von mannigfaltiger Diskriminierung geprägt ist. Deshalb ist ein Raum der Ruhe und Kontemplation auch so zentral in Anouks Arbeit. Anouk macht das Medium sichtbar, Leinen ist der omnipräsente Malgrund und auch der erste Farbton der meisten ihrer Bilder. Eine streng limitierte Farbpalette schafft einen vermitteln den Nicht-Raum – besonders in ihrer abstrakten Werkserie post/pre. Anouk Lamm Anouk


Robert Gabris

Meine künstlerische Arbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit Identitätsfragen, insbesondere verschiedener von der Gesellschaft ausgeschlossener Gruppen. Dabei beschäftige ich mich mit neuen, experimentellen Formen des Zeichnens als Widerstand gegen Ausgrenzung und Rassismus. Ich gehöre der ethnischen Gruppe der Roma an, definiere mich aber nicht als Roma-Künstler. Meine Arbeit ist geprägt durch mein Interesse an den vielfältigen Aspekten diverser und konvertierbarer Identität, am queeren Körper und seiner Existenz, an physischen und mentalen Körpern, und an der von Normen und Grenzen geprägten Gesellschaft. Das Medium meiner Wahl ist die konzeptuelle Zeichnung und ihre experimentelle Umsetzung, die Dekonstruktion von Formen und das Streben, Grenzen zu verschieben. Meine Arbeiten sind meist autobiografisch, eine ständige und obsessive Suche nach exakten Proportionen und Symmetrie.

Der Komposition der vorliegenden Arbeiten liegt meine komplexe Wahrnehmung der Slowakei – meines Heimatlandes – zugrunde. Die Zeichnungen themati­sieren vor allem eine metaphorische und emotionale Landschaft, in der die Erinnerungen an meine Ver­gangenheit eine Autopsie meines Lebens vornehmen. Die Serie an Zeichnungen besteht aus zwei Elementen, zwei Teilen, die sich den Betrachter*innen öffnen: Mein Körper in der Landschaft und die Landschaft in mei­nem Körper. Der Titel der Serie My Country, My Blood! [Mein Land, mein Blut!] beschreibt ein wesentliches Dilemma vieler Mitglieder verschiedener ausgegrenz­ter Bevölkerungsgruppen in der Slowakei. Die grund­legende Frage lautet stets: Wem gehört dieses Land und wer darf und kann ein gleichberechtigter Bestand­teil dieses Landes sein. Mit dem gewählten Titel der Serie versuche ich mir etwas anzueignen, dem ich nie wirklich angehörte. Dieses Land, seine Normen und Strukturen sind immer noch patriotisiert und Anders­sein nicht akzeptiert.

Die Zeichnungen sind anatomische Abbildungen meiner Verdauungsorgane, ich seziere meinen Darm als Ausscheidungsorgan und schaffe einen Gegenpol zu einem klassischen Blick auf die Landschaft – einen Blick von innen nach außen. Ich bezeichne diese Ge­därme als anatomische Landschaften meines Körpers. Sie symbolisieren einen Akt der Ausgrenzung, Ab­sonderung und Ausstoßung von meinem Land. Hier reflektiere ich über die prägenden Erinnerungen an das Verlassen meines Landes vor etwa 15 Jahren. Mit­hilfe des detaillierten, feinteiligen Zeichenprozesses verarbeite ich eine schwierige Zeit meines Lebens. Meine Erinnerungen sind das Einzige, was mir von der Slowakei bis heute geblieben ist. Deshalb sortiere und archiviere ich sie für die Ewigkeit, denn mein Innerstes ist mein wahres Zuhause. Robert Gabris


Samuel Paučo

Samuel Paučo gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten der jüngsten Generation von zeitgenössischen tschechischen Malern. In seiner gestalterischen Grundhaltung kann er seine generationsbedingten Wurzeln nicht verleugnen, vor allem wenn es darum geht, traditionelle Konzepte und Praktiken der Malerei zu hinterfragen. Dabei steht er der Malerei nicht skeptisch gegenüber – im Gegenteil: Paučo bleibt immer ein Maler, doch hat er die Notwendigkeit erkannt, das Medium über seine konventionellen Grenzen hinaus zu denken und in einen offeneren Diskurs einer Malerei des „erweiterten Raumes“ zu treten. Paučo gibt die Figuration nicht zur Gänze auf und entwickelt sein Werk unter Berücksichtigung einiger zentraler künstlerischer Aspekte, unter welchen die Farbe, die Struktur und die Inspiration durch die Natur entscheidenden Einfluss haben. Auf diese Weise lässt sich auch das Genre der Arbeiten erfassen, die das Wesen der traditionellen Landschaftsmalerei lebendig halten.

Trotz geringfügiger Variationen der künstlerischen Ausdrucksformen weisen die Gemälde kontinuierlich bestimmte Motive aus der Natur (oft fragmentarisch oder außergewöhnlich und raffiniert) auf. Dies hängt auch mit der Arbeitsweise des Künstlers zusammen. Neben dem chronologischen Aspekt ist vor allem die Zyklizität eine wichtige Leitinstanz für seine Methode: Die Serien bilden meist zusammenhängende Einheiten, innerhalb derer spezifische Fragestellungen auf kreative, fast systematische Weise durchgespielt werden. Paučo geht dabei nicht linear vor, sondern lotet kontinuierlich alternative Ausdrucksformen aus. Jedenfalls gibt sich der Künstler nicht mit den offensichtlichen mimetischen Darstellungsweisen zufrieden, sondern sucht seinen persönlichen Weg, das jeweilige Thema neu zu interpretieren – und zwar nicht nur rein malerisch, sondern auch mit konzeptionellen Mitteln, mithilfe derer er sich seine Umgebung aneignet. Man könnte sagen, dass sich der spezifische Stil des Künstlers in einem sensiblen Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation entwickelt und dabei eine unverwechselbare Kombination von Impulsen und Erfahrungen darstellt, die aus den reichen Quellen der modernen Malerei und ihrer Authentifizierung durch das Prisma zeitgenössischer Prozesse schöpfen. Auf diese Weise gelangt der Künstler allmählich zu einem selbstbewussten Stil, der zwischen der Vitalität eines expressiven Gestus – der die Kontinuität zur klassischen Malerei wahrt –, und dem zeitgenössischen Diskurs konzeptueller Denkweisen oszilliert.

Der schöpferische Prozess steht immer unter Paučos konzeptioneller Kontrolle. Trotz der starken Neigung zum Experiment und der bemerkenswerten malerischen Energie hat der Künstler gleichzeitig einen Sinn für rationale Reduktion – seine Methode bewahrt die Spannung zwischen Zufall bzw. Intuition und der Kontrolle durch den Künstler, zwischen den explosiven und reduktiven Elementen seiner Malerei. Kaliopi Chamonikola


Natália Šimonová

Natália Šimonová zählt zu einer jungen slowakischen Künstler*innengeneration, die sich mit der erweiterten Malerei beschäftigt. Ihre Arbeit zeichnet sich durch expressive, schnelle Malerei aus, die sie auf großformatigen Leinwänden umsetzt. Schon in jungen Jahren gelang es der Künstlerin, sich in der slowakischen Kunstszene zu etablieren. Im Jahr 2020 erhielt sie den prestigeträchtigen Maľba-Preis für Malerei junger Künstler*innen, der von der VÚB-Stiftung ins Leben gerufen wurde.

Die ihren aktuellen Arbeiten immanente Verwendung von Rost als Bildgestaltungsmittel trat erstmals in einer Serie zum Thema Vitiligo in Erscheinung, in denen sie sich mit dem Thema Hautkrankheiten auseinandersetzte. In weiterer Folge befasste sich die Künstlerin mit den Strukturen von Wohnsiedlungen und den damit verbundenen Aspekten kollektiver Erinnerung. Natália Šimonová präsentiert ihr Werk oft in großflächigen Installationen, die sie aus Leinwänden und dem für sie typischen, rostigen Papier gestaltet. Als unermüdliche Forscherin interveniert die Künstlerin mit ihren Bildern jedoch auch im öffentlichen Raum, sowohl in der Peripherie und in Kleinstädten als auch in der Großstadt – zuletzt in Paris.

In ihrer Malerei setzt sich Natália Šimonová mit der Gestaltung und dem Erscheinungsbild städtischer Umgebungen in der Slowakei und auch im Ausland auseinander. Dabei malt sie ganz konkrete Objekte, die sie als wesentliche Bestandteile einer sozialistischen, urbanen Siedlungsarchitektur interpretiert und die dem Verfall preisgegeben sind. In klassischer Manier, aber auch mit ungewöhnlichen Mitteln nähert sie sich einer Darstellung der Zerstörung an – so arbeitet sie z. B. mit echtem Rost, der prozesshaft ist und sich fort­während auf den Bildern verändert. Natália Šimonová


Marcin Zawicki

In meiner Kunst dreht sich alles um Überlegungen rund um Bild und Realität. Für ein besseres Verständnis der von mir erforschten Beziehungen zwischen der physischen Materie und dem Bild ist es wichtig, den Prozess zu kennen, der die Entstehung meiner Bilder begleitet. Jedes Gemälde basiert auf einer Maquette – einem von mir geschaffenen, dreidimensionalen, skulpturalen Modell. Diese ungewöhnliche Herangehensweise an meine künstlerische Arbeit öffnet einen weiten Bedeutungshorizont, ein Verständnis für das Sichtbar- und Erkennbarmachen der Natur und in der Tat – für die Realität an sich. Meine Bilder beschäftigen sich mit Alchemie und den Gedankenkonstrukten der ersten Philosophen. Sie sind Kommentare zum Phänomen des Lebens selbst, die meine Überlegungen über die Figur des Demiurg und den Akt der Schöpfung enthalten sowie über die Wechselbeziehung von Sein und Sicht­barkeit in der Aura einiger mystischer Rituale.

Die Golem-Serie basiert auf dem Mythos des Golems – ein künstliches Objekt, dem durch einen schöpferischen Akt Leben eingehaucht wird. Das Tonmodell, das durch ein Wort oder einen Zauberspruch in ein lebendiges Wesen verwandelt wird, erinnert mich an den Akt der Transformation und an die verzauberte Beziehung zwischen der Malerei und ihrem Archetyp. Marcin Zawicki

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