curated by – 5 Highlights des Galerienfestivals

24 international besetzte Shows bei freiem Eintritt einen ganzen Monat lang. Das Wiener Galerienfestival curated by – das jährlich Kuratorinnen und Kuratoren in die Galerien der Stadt einlädt mit dem Aufruf museale Qualität im kommerziellen Rahmen erlebbar zu machen – kann sich 2022 sehen lassen. Unter dem Impluswort „Kelet“, zu Deutsch Osten, befragt das Festival politische und geografische Haltungen sowie die Auflösung dieser territorialen Vorurteile. Sehenswert sind alle Standorte, zum Einstieg aber hier ein paar ausgewählte Tipps. 


Layr

Die beiden Jungkuratoren Elisa R. Linn und Lennart Wolff zeigen bei Layr wie facettenreich und zukunftsweisend der Dialog zwischen Avantgarde und Heute sein kann. Im Ping-Pong werden hier Textilentwürfe der russischen Künstlerin Anna Andreeva (1917-2008) sowie der 1943 in Schweden geborenen Charlotte Johannesson mit Werken der jungen Talente Jordan/Martin Hell, Melika Ngombe Kolongo, Lorenza Longhi und VNS Matrix gezeigt. Das „Verweben“ von Ideen, so wie es in der Textilhistorie immanent ist wird zum gemeinsamen Nenner. Das Kuratoren-duo sucht Codes sichtbar zu machen die sich im handwerklich-technischen ebenso abzeichnen wie in moderner Digitalästhetik. Eine Schau mit viel Inhalt und Nachhall.

Jordan/Martin Hell, THE PARTHENON, 2022, Dye, acrylic, & synthetic hair extensions, 51 x 78 cm | Courtesy the artist & Layr, Vienna


Hubert Winter

“Water being washed away” – so der melodische Titel von Kurator Alessandro Rabottini. Die Schau ist unter anderem mit der aktuellen Biennale Künstlerin der Schweiz Latifa Echakhch hoch besetzt. Von ihr zieht sich eine tropfende, gelbe Horizontlinie durch den Galerieraum, ein Versatzstück, das der Architektur erhalten bleibt, auch wenn die Wände später wieder und wieder geweißt werden. „Flüssige Durchdringung“ ist das Thema dieser fragil-diffizilen Ausstellung, die von einer Installation von Giorgio Andreotta Calò dominiert wird, deren Metapher zwischen Verfall und Stabilität changiert. Die Arbeit „Carotaggio (Venezia)“ legt vertikale Bohrkerne der Venezianischen Lagune vom straßenseitigen Galeriefenster stetig tiefer in den Ausstellungsraum. Der Gehsteig fungiert als fiktiven Meereshorizont, innen im Galerieraum werden die Elemente gebohrt aus dem Kern auf dem Venedig steht fester oder zumindest weniger poröse.

Giorgio Andreotta Calo, Carotaggio (Venezia), 2014. Installation view at Anche le sculture muoiono…, curated by Lorenzo Benedetti, Centro di Cultura Contemporanea Strozzina, Fondazione Palazzo Strozzi, 2015, Florence, Italy. Photo: Martino Mar-gheri, Courtesy: Studio Giorgio Andreotta Calò and CCCS Strozzina


Galerie Krobath

Störungen und Irritationen weben den roten Faden der von Klaus Speidel in der Galerie Krobath konzipierten Ausstellung. Zu sehen gibt es hier sensible Arbeiten von Katarina Burin, Jiří Kolář, Jiří Kovanda, Dominik Lang, Lene Lekše, Dita Pepe, Malenkiy Piket. Vor allem das an Cindy Shermann erinnernde und zwischen Fiktion und Dokumentation anzusiedelnde Werk von Dita Pepe fasziniert nachhaltig. Zu entdecken gilt es erst 2022 entstandene hoch persönliche Fotoarbeiten der tschechischen Künstlerin.

Jirií Kolár, "Bedshelf", ca 1980. Holzobjekt, Collage / wooden object, collage 70 x 85 x10 cm. | courtesy of Jiri Kolar / Krobath Wien


Vin Vin 

Mit Kami Gahiga konnte Vin Vin eine spannende junge Kuratorin aus London gewinnen. Unter dem Ausstellungstitel „Peripheral Sun“ reflektiert sie Assoziationen zum Thema Osten anhand von vier Positionen: Joël Andrianomearisoa, Kapwani Kiwanga, Marin Majic und Maja Ruznic. Das Ergebnis ist eine hochpoetische Schau mit leisen Oberflächen und lautem Tiefgang. Kami Gahiga befragt in ihrer kuratorischen Arbeit auch die unterschiedlichen Definitionen von Ost und West, je nach Standpunkt, für ihren Blick aus London bedeute es vermutlich etwas anderes als für die Haltungen in Wien, so Gahiga.

Photo: Flavio Palasciano


EXILE

Angewandte Utopie kann man mit allen Sinnen bei EXILE erfahren. Sawangwongse Yawnghwe verführt hier zum interaktiven Brettspiel in dessen Verlauf die politischen Ereignisse Myanmars nachvollzogen werden können und zufällig – so es das Würfelglück will – Stellung bezogen werden muss. Am Thema des Völkermordes arbeitet sich nebenan auch Milica Tomić ab, während der junge Ukrainer Nazar Strelyaev-Nazarko mit verklärter Romantik malerisch auf die Ruinen seiner Heimat blickt. Das Herzstück der von Zasha Colah und Valentina Viviani kuratierten Ausstellung ist aber das eindrucksvolle Werk „The Fountains of Za'atari“ von Margherita Moscardini. Eine multidimensionale Arbeit die auf Brunnensystemen des Za’atari Flüchtlingslager in Jordanien beruht. Austellungsbesucher:innen sehen Keramikmodelle der Brunnensysteme formell ansprechend im Ausstellungsraum arrangiert. Doch wer ein solches Objekt erwirbt, kauft nicht einfach eine Plastik, sondern verpflichtet sich auch zum Bau und zur Instanthaltung eines realen Brunnens folgend dem Modell.

Photocredit: Shiva Gor & Aman Negi

curated by

Verschiedene Standorte, 1010 Wien
Österreich

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