Campbell's Soup Cans
Kann eine Suppendose ein Kunstwerk sein? Ja, laut Andy Warhol.
Finanziell war die Präsentation seiner „32 Campbell's Soup Cans“ (1962) kein Erfolg, kunsthistorisch gilt die Ausstellung jedoch als Wendepunkt. Denn gerade in der Banalität des alltäglichen Produkts verbirgt sich eine Sprengkraft, die bis heute spielerisch die Grenzen von Hochkultur und Design niederreißt.
Kunst für die Massen
Angelehnt an Bildern aus Werbung und Massenmedien porträtiert Warhol in dieser Serie alle damals verfügbaren 32 Geschmacksrichtungen der Firma „Campbell's Soup“ - von Tomatensuppe über schwarze Bohnen bis hin zur Zwiebelsuppe. Emotionslos dominieren die vereinfachten Dosen den weißen Raum der Leinwand, „Gleichheit“ lautet ihr Prinzip. Selbst die allegorischen Figuren der Goldmedaillons (Jules-Clément Chaplain/Weltausstellung 1900) sind zur Scheibe verflacht.
Campbell's Soup Cans
(manchmal auch: 32 Campbell's Soup Cans)
1961 bis 1962
Andy Warhol
1928 bis 1987, Pittsburgh/New York City
Stilrichtung: Pop Art
Größe: je 51 x 41 cm
Originale Stückzahl: 32
Erstmals ausgestellt: Ferus Gallery/Los Angeles, 1962
Heute: Museum of Modern Art New York
Varianten: Warhol ergänzte die ursprüngliche Serie zahlreich. Die nachfolgenden Arbeiten werden als "Campbell's Soup cans Serie" und oft auch einfach als "Campbell's Soup cans" bezeichnet. Sie waren unterschiedlicher Formate und zeigen die Suppendosen zum Beispiel auch mit zerissenem Ettiket.
Auch interessant: 2016 wurden sieben Campbell's Soup Cans Drucke aus dem Springfield Art Museum gestohlen.
Kunst als Marke oder eine Marke als Kunst
Doch warum überhaupt „Campbell's Soup“? Vielleicht weil die Marke mit bestimmten Werten wie Kontinuität (Design seit 1897) sowie Preisstabilität aufgeladen war. Aus simpler Tomatensuppe wird so ein nostalgisches Vanitas Stillleben, die Konserve einer ‚guten alten Zeit', die sich im Umbruch befindet. Austauschbarkeit und das Gefühl der Vereinheitlichung lassen sich in den verschiedenen Geschmacksrichtungen der 32 Dosen dann ebenso herauslesen wie die Individualität des Einzelnen, die mit der Konsumgesellschaft der 60er-Jahre zu verwässern beginnt. Gleichzeitig suggerieren die scheinbar identen Dosen eine Wahlfreiheit, die sich letztendlich nur als Scheinvielfalt entpuppt. Mit Warhols Suppendosen ist der Zeitgeist in der Kunst angekommen, der Massenkonsum als Herzstück der amerikanischen Gesellschaft entlarvt.
Was ist Kunst?
Bewusst stellt Warhol mit diesen Assoziationen auch den Begriff des „Kunstwerks“ in Frage. Leblos aneinandergereiht wie in einem Supermarktregal scheinen die 32 Leinwände selbst der maschinellen Produktion zu entstammen, wären da nicht kleine Details (rote Farb-Spritzer), die einen menschlichen Schöpfer verraten. Schließlich zwingt die motivische Wiederholung den Betrachter dazu nicht mehr das einzelne Objekt, sondern das Gesamtkonzept zu hinterfragen, das Panorama siegt über das Detail.
Warhol zum Anziehen
Die Erfolgsgeschichte der Dosen liest sich dann aber doch wie eine Marketingstrategie: Kooperation zwischen Künstler und Konzern gibt es keine. Aber bereits in den späten 1960er-Jahren reagiert das Unternehmen mit dem „Souper Dress“ auf damalige Modeerscheinungen. 1969 nippt Warhol am Cover des Esquire-Magazins an einer Dose „Campbell's Soup“. Die Tomatensuppe ist nicht nur zum Zeichen der Pop-Art sondern vor allem zu dem Symbol des Amerika der 60er-Jahre geworden.
Literatur
Elizabeth Athens: Andy Warhol's Production Kitchen. In: Gastronomica Spring 2009
Gary Indiana: Andy Warhol and the Can that Sold the World. Basic Books, New York 2010
Kirk Varnedoe: Campbell's Soup Cans. In: Bastian, Heiner (Hrsg.) Andy Warhol Retrospektive. DuMont, Köln 2002