Rosa eingefärbte Gesetzestafeln, ein impulsiv angedeutetes Gesicht, krakelige Schriftzeichen und dazwischen immer wieder das Wort „Moses“ – Pop-Art at its best!


„Moses and the Egyptians“ von 1982 gilt als Schlüsselwerk im Œuvre Basquiats, bedient sich einer flächigen Zweidimensionalität, ohne dabei an intellektueller Tiefe zu verlieren.

Moses and the Egyptians 1982

Jean-Michel Basquiat

Technik: Acryl und Öl auf Leinwand

Größe: 185,9 x 137 cm

Standort: Guggenheim Museum Bilbao / Spanien

Fest eingeschrieben in den westlichen Kunstkanon sind die Umrisse der beiden Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten selbst in dieser farblich verfremdeten Version sofort als solche zu erkennen. Und hier beginnt auch bereits Basquiats Spiel mit der Wahrnehmung denn unmittelbar kontrastiert der breite rosa/pinke Farbauftrag der Tafeln mit der geritzten Primitivität der Schrift und dem Profil des Propheten Moses. Schroffe Linien stemmen sich auf der überdimensionalen Leinwand gegen tradierte Lehrmeinungen der bildenden Kunst während Emil Noldes Farbexpressivität auf die „flat paintings“ von Wilhelm De Kooning trifft und der Dadaismus dem Expressionismus die Hand reicht. Wilde Farbspritzer und verschmierte Farbe erwecken zudem den Eindruck von Spontanität vor dem Hintergrund der Jahrtausende alten biblischen Geschichte und – last but not least – verschmilzt Europäisches, Amerikanisches und Afrikanisches Gedankengut zu einem Gesamtbild.

Basquiat benutzt die Geschichte um Moses und die Israeliten um die politische Vergangenheit Afrikas mit der Gegenwart der New Yorker 80ies zu verknüpfen.

Denn Basquiat benutzt die Geschichte um Moses und die Israeliten um die politische Vergangenheit Afrikas mit der Gegenwart der New Yorker 80ies zu verknüpfen. „Moses“, der ikonisierte Befreier der Sklaven aus der Knechtschaft und dessen Profil werden mit schnellen Strichen an die Wand der Gesetzestafeln geworfen, ähnlich einem Graffiti-Künstler, der Verfolgung oder Zensur befürchten muss. Auch weitere unter Anführungszeichen gesetzte Wörter wie „Israellites“ und „Eygytians“ weisen auf eine nicht wörtlich zu nehmende Codierung hin und rufen in ihrer Slang-artigen Schreibweise das Land Ägypten als Ursprungsort der afro-amerikanischen Hochkultur zurück ins Gedächtnis. Dem gegenübergestellt findet sich eine Auswahl jener Wunder und Plagen die Moses als Zeichen seiner Auserwähltheit vollbrachte. Die Teilung des Roten Meeres hat Basquiat aber interessanterweise ausgespart, oder ist diese im Pink der Gesetzestafeln vielleicht doch subtil angedeutet?!

Moses and the Egyptians, 1982, Acrylic and oil stick on canvas, 185 x 137 cm, Guggenheim Bilbao Museoa, Gift, Bruno Bischofberger, Zurich © Estate of Jean-Michel Basquiat. Licensed by Artestar, New York

Vielleicht kämpft aber Basquiat auch genau gegen diese Spaltung an. Überdimensional geben daher die Zehn Gebote nicht nur „Moses and the Egyptians“ einen Rahmen, sondern bilden auch den kleinsten gemeinsamen Nenner an sozialen Grundgesetzen für ein friedliches Zusammenleben über Nationalitäten und Hautfarben. "Follow Moses" will und Basquiat scheinbar zurufen und an die die gute Grund-Gesinnung der Menschheit erinnern. Eine Mahnung zur Weltverbesserung, die auch in Zeiten der „Black Lives Matter“ und „MeToo“-Bewegungen nichts an Aktualität verloren hat.

Jean-Michel Basquiat, 1984, Photograph by Lee Jaffe, Copyright, All Rights Reserved, Courtesy of LW Archives

Literatur:

Dieter Buchard: Basquiat. Boom for Real. 2018

Susanne Reichling: Jean-Michel Basquiat - Der afro-amerikanische Kontext seines Werkes. Dissertation 1998

https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/213/1/1dissertation.pdf

Phoebe Hoban: Basquiat. A Quick Killing in Art. 2015

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