Bruce Nauman im Schaulager Basel

Ausstellungsansicht: Bruce Nauman, Model for Trench and Four Buried Passages, 1977 Bruce Nauman: Disappearing Acts, 17. März bis 26. August 2018, Schaulager® Münchenstein/Basel, Ausstellungsansicht mit Bruce Nauman, Model for Trench and Four Buried Passages, 1977, Gips, Fiberglas und Draht, Glenstone Museum, Potomac, Maryland, © Bruce Nauman / 2018, ProLitteris, Zurich, Foto: Tom Bisig, Basel

Im Schaulager der Laurenz-Stiftung in Münchenstein bei Basel ist noch bis 26. August 2018 eine groß angelegte Retrospektive des bedeutenden zeitgenössischen US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman (*1941) zu sehen. Organisiert wurde sie zusammen mit dem Museum of Modern Art, New York. Zu sehen sind 170 Werke der ganzen Schaffensperiode des Künstlers ab Mitte der 1960er-Jahre bis heute.


Die Architektur des Schaulagers von Herzog & de Meuron ist wie geschaffen für das Werk eines so vielseitigen und multimedial arbeitenden Künstlers wie Nauman. Die Kuratorin Kathy Halbreich fand im Begriff und Inhalt des Verschwindens den roten Faden durch sein vielfältiges Œuvre.
Die Ausstellung folgt einem großzügigen chronologischen Bogen, der immer wieder durchbrochen wird. Die Schau beginnt mit der Installation „Venice Fountain“ (2017): Durch zwei umgekehrt platzierte Gipsabdrücke des Gesichts des Künstlers fließt in transparenten Schläuchen in einem ewigen Kreislauf Wasser in zwei Werkstatt-Waschbecken. Das gemahnt an ein Ready-Made. Im ersten Ausstellungsraum findet sich eine Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1966 mit dem Titel „The True Artist is an Amazing Fountain“. Genau hier manifestiert sich die Umsetzung einer inhaltlichen Diskussion in ganz verschiedenen Medien zu unterschiedlichen Zeiten. Es ist für Nauman die Tätigkeit im Atelier und nicht das Endprodukt, das im Museum begutachtet wird. Darum wirken die Werke dieses noch immer so aktuellen US-amerikanischen Künstlers oft wie aus der Arbeit gerissen.

Was den Besucher aufschlussreich durch die Ausstellung begleitet, ist das Nebeneinander von Kohle- oder Bleistiftskizzen von Installationen und Objekten, die dann umgesetzt in demselben Raum stehen. Man meint dem Konzept des Künstlers so folgen zu können, ist dann aber immer wieder überrascht, dass man die Werke meist nicht wirklich aufschlüsseln, geschweige denn ihnen eine klare Ausrichtung zuordnen kann. Das bewirkt, dass auch Naumans ältere Arbeiten der 1960er-Jahre aktuell geblieben sind: Es sind jene Inhalte, deren Aktualität eine Art Ewigkeitscharakter hat. Das Werk „Art Make-Up: No. 1 White, No. 2 Pink, No. 3 Green, No. 4 Black“ (1967–68) zeigt vier 16-mm-Filme, die in einem Kubus an vier Wänden projiziert sind: Sie zeigen den Künstler mit entblößtem Oberkörper, der sich in der Abfolge Weiß, Pink, Grün und Schwarz färbt.

Sprache wird zum Œuvre

Nana Pernod

Der Wandel scheint total, die Wahrnehmung ein und desselben Körpers ändert sich ständig. Das Thema einer sich stetig verändernden Wahrnehmung ist eine Konstante im Werk von Nauman. Ebenso zählen die Wandinstallationen mit farbigen und animierten Neonröhren, in denen der immanent wichtige Aspekt der Sprache zum Ausdruck kommt, zu seinem künstlerischen Repertoire. Sprache wird zum Œuvre – die Inhalte sind trotz der bekannten Wörter nicht wirklich auf Anhieb zu entziffern, es bleiben Andeutungen, Schnittmengen anderer Teile einer Installation oder einer Skulptur. So verhält es sich auch mit fast allen Titeln bei Nauman: Sie führen eine Art Parallelleben zu den gezeigten multimedialen Arbeiten, aber auch zu den klassischen Genres wie Zeichnung oder Skulptur.

Bruce Nauman, Corridor Installation (Nick Wilder Installation), 1970 Holzwände, Dispersion, 3 Videokameras, Scanner, Gestell, 5 Monitore, Videorekorder, Videoplayer, Video (schwarzweiss, ohne Ton), Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin, Foto: Courtesy Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin, © Bruce Nauman / 2018, ProLitteris, Zurich

Bruce Nauman, Corridor Installation (Nick Wilder Installation), 1970
Holzwände, Dispersion, 3 Videokameras, Scanner, Gestell, 5 Monitore, Videorekorder, Videoplayer, Video (schwarzweiss, ohne Ton), Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin, Foto: Courtesy Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin, © Bruce Nauman / 2018, ProLitteris, Zurich

Auf der anderen Seite stechen die sehr direkten Arbeiten des Künstlers ins Auge: jene, welche seine Zeitgenossenschaft des Vietnam-Kriegs, der Rassenkonflikte, des Kalten Kriegs, des Sexismus und der Konsumgesellschaft thematisieren. Die Retrospektive ist ein eindrücklicher kuratorischer Wurf: Die Aufstellung überzeugt, die Menge der ausgestellten Werke ist groß, doch in sich schlüssig. Wir sehen hier einen US-amerikanischen Künstler, dessen Arbeiten durch die Bedeutung der Sprache auch stark europäisch geprägt sind. Der Kosmos Naumans ist durch seinen virtuosen Umgang mit so verschiedenen Medien und Materialien anspruchsvoll, doch lässt man sich darauf ein, ist man danach ein klein wenig anders – die eigene Wahrnehmung war gezwungen, ein paar Sprünge in Richtungen zu machen, die sie sonst gerne meidet.

Schaulager

Ruchfeldstrasse 19, 4142 Münchenstein/Basel
Österreich

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