Johannes Vermeer

„Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ – Die Chronik einer Restaurierung

Jan Vermeer van Delft, auch Johannes Vermeer genannt (um etwa 1632–1675) gilt als einer der bekanntesten niederländischen Barockmaler. Seine Bilder sind technisch wie formal einprägsam. Über die Ausbildung des in Delft ansässigen Künstlers ist wenig bekannt. Gesichert ist seine Aufnahme in die St. Lukas-Malergilde 1653. Ab dem Zeitpunkt galt er als als selbständiger Maler, der seine eigenen Bilder signieren und verkaufen durfte. Der Umfang seiner erhaltenen Gemälde ist relativ klein. Im Mittelpunkt seines Œuvres stehen vor allem Genreszenen die zu seinen bekanntesten Bildern gehören.


Neben der Wiener „Malkunst“ (um 1666/1668) und dem „Mädchen mit den Perlenohringen“ (1665) zählt das  „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ (1657-1659) zu den weltweit bekanntesten Werke Vermeers. Seit 2017 wird das frühe Hauptwerk nach umfangreichen Untersuchungen in Dresden restauriert. Diese letzten Forschungsergebnisse ermöglichen nun einen völlig neuen Blick auf das Bild. Aus diesem Anlass zeigt die Gemäldegalerie Alte Meister eine umfangreiche Ausstellung, in der das Werk Jan Vermeers im Dialog mit Highlights der holländischen Genremalerei gezeigt wird.

Cupido gehört doch dazu: Die Einsamkeit des „Brieflesenden Mädchens am offenen Fenster“ von Johannes Vermeer scheint eine nachträgliche Konstruktion aus Moral und Interpretation. Das zeigt die jetzt abgeschlossene Restaurierung, bei der eine nicht originale Übermalung entfernt wurde.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass in den gemalten Räumen des Johannes Vermeer Bilder an der Wand hängen. Es ist sogar eher selten, dass an Vermeers gemalten Wänden kein Bild hängt. Auf dem Dresdener Gemälde des „Brieflesenden Mädchens am offenen Fenster“ von 1657–1659 gab es ein solches Gemälde nicht. Die Fläche hinter der Frau war leer. Doch seit das Bild 1979 geröntgt worden war, wusste man, dass sich unter der leeren Wandfläche ein Cupido befand. Aber die Kunstwissenschaft nahm an, dass Vermeer selbst ihn aus dem Bild gelöscht hatte. Seit 2017 ist klar, dass dieses Gemälde nicht von Vermeer übermalt wurde. Bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen der verschiedenen Farbschichten wurde eine Schmutzschicht gefunden, deren Existenz auf die nicht eigenhändige Übermalung hinweist. 

Brieflesendes Mädchen und Restaurator Christoph Schölzel, Zustand Mai 2019, © SKD, Sebastian Kahnert

Eine Ausstellung stellt jetzt die Freilegung des Cupido vor und das Dresdener Bild in den Kontext des Schaffens von Johannes Vermeer. Sie versammelt nicht nur mehr als 40 niederländische Gemälde des späten 17. Jahrhunderts, sondern auch zehn Vermeers.

„Am linken Rand der übermalten Hintergrundfläche in der oberen Bildhälfte war bei der Firnisabnahme zu bemerken, dass die Farben der Übermalungsschicht ganz anders auf die eingesetzten Lösungsmittel reagierten als die originalen Farbschichten Vermeers“, schrieb der Dresdener Gemälderestaurator Christoph Schölzel in einem ersten Restaurierungsbericht 2017 über die Untersuchungen an Vermeers „Brieflesendem Mädchen am offenen Fenster“. Mit dieser kühl vorgetragenen, gleichwohl sensationellen Entdeckung begann an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ein weltumspannender Diskussionsprozess um Restaurierungsethik.

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Restaurierung, Restaurator Christoph Schölzel mit Vermeers Briefleserin, Restaurationswerkstatt SKD, © SKD, Foto: David Pinzer

Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Residenzschloss Dresden
Taschenberg 2
01067 Dresden
Deutschland

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