BIRKE GORM | HANDWERK ALS MALEREI
Die 1986 in Hamburg geborene Künstlerin Birke Gorm verwendet vorwiegend gebrauchte Jutesäcke als Träger aktueller Inhalte. Diese, in der Landwirtschaft zur Aufbewahrung von Getreide und Saatgut verwendeten Jutesäcke werden in der Ausstellung „Labor Chest“ zum Symbol mehrerer Bedeutungsebenen – vom Aufbewahrungsort bis zum Brutkasten und thematisieren zugleich auch traditionelle Sozialstrukturen. Mit ihrem Werk, das nicht der klassischen Malerei entspricht, hat Birke Gorm die Jury überzeugt. 2020 erhielt sie einen Anerkennungspreis im Rahmen des STRABAG Artaward International, Bis zum 19. März sind ihre Werke im STRABAG Kunstforum und online zu sehen.
Auf einer großen Jutefläche sind Hühner porträtiert. Für Birke Gorm sind sie geeignete Studienobjekte, an denen Hierarchien abzulesen sind und Genderthemen sichtbar werden. Nicht nur die Idee der Hackordnung spielt hier eine Rolle, auch das Aufsammeln an sich, wie das Picken von Futter beispielsweise, ist eine Aktivität, die historisch als weibliche Aufgabe wahrgenommen wird. In ihrem handgenähten Wandteppich aus der Serie „some girls mothers are bigger than other girls mothers” bezieht sich die Künstlerin aber nicht nur auf die Geste der sich wiederholenden Beschäftigung der weiblichen Hühner, sondern auch auf das Material selbst. Es handelt sich um aufgeschnittene und bearbeitete Jutesäcke, die üblicherweise zur Aufbewahrung von Saatgut verwendet werden. PARNASS hat mit der Künstlerin gesprochen.
PARNASS: In ihrem Kunstschaffen ist das Material stets entscheidend. Was hat es damit für eine Bewandtnis?
Birke Gorm: Material und der Umgang mit Material tragen viele Informationen, die bei künstlerischen Arbeiten mitreden können, wenn man sie lässt. Dies war für mich schon immer ganz entscheidend, mitzudenken. Materialien erzeugen Assoziationsketten, wovon manche persönlich und manche allgemeiner oder auch gesellschaftsbedingt sein können. Ich versuche bei der Auswahl von Material sehr sorgfältig und behutsam zu sein, damit es in den Arbeiten auch eine inhaltliche Komponente wird. Jute beispielsweise, wird stark mit Agrikultur und ländlicher Arbeit in Verbindung gebracht. Säcke aus Jute treten in diesem Kontext auf, aber können auch als archaisches Symbol für einen globalen Warenhandel verstanden werden. Der Sack: ein Behälter, Gefäß, Bauch… Und die Jute als Ausgangspunkt der Malerei, also die Leinwand — wurde für mich auch der Ausgangspunkt Bilder zu erzeugen, ohne aber zusätzliche Materialien aufzutragen, sondern im Material selbst zu bleiben.
P: Das Sammeln der Materialien ist einer der Ausgangspunkte. Wo suchen Sie? Wo finden Sie?
B.G.: Ich suche sie meistens in meiner unmittelbaren Nähe. Manche Dinge sammle ich von der Straße, im Wald oder am Meer. Beispielsweise Metallstücke, Karton, Äste oder Steine die in meiner Arbeit auftauchen. Außerdem kaufe ich einem Bauern Jutesäcke ab, die schon jahrelang in Verwendung waren. Ich gehe natürlich auch in den Baumarkt oder in Textilgeschäfte, um Materialien zu bekommen. Wichtig ist mir, dass es Materialien sind, die nicht ‘speziell’ oder kostbar sind, sondern dass es immer eine Zugänglichkeit gibt, die nicht ortsspezifisch oder finanziell bedingt ist.
P: Wie kann man sich die handwerkliche Umsetzung, den Prozess des Entstehens, das Schaffen einer Ästhetik vorstellen?
B.G.: Die meisten meiner Arbeiten sind relativ zeitintensiv in der Umsetzung. Die Jutebilder beispielsweise bestehen aus verschiedenen Prozessen: Ich trenne und entwirre teilweise die Jutetextilien, um Fäden zu bekommen, die dann wieder appliziert werden. Teilweise wasche ich die Arbeiten zwischendurch und stretche sie wieder zurück in ihr Format. Teilweise werden Fäden eingefärbt mit Zwiebelschale und Krappwurzel, um Farbnuancen zu erzeugen. Und danach nähe ich die Motive von Hand. Dies ist der längste, aber auch schönste Arbeitsprozess für mich. Die Motive sind meist Übersetzungen von Bildern aus anderen Quellen, die in jeder der Juteserien recht verschieden sind.
P: Ist es Ihnen wichtig, Ihre Kunst mit einer Aussage, einer Botschaft zu versehen?
B.G.: Nein, aber in jeder Arbeit werden verwickelte und problematische Strukturen verhandelt. Die Themen, mit denen ich mich beschäftige, treten auf verschiedene Art in den Serien auf. Die Aussage ist vermehrt den Themen selbst eingeschrieben und bedarf eine Auseinandersetzung, um sie dekodieren zu können. Ich lasse dabei bewusst Interpretationsspielraum.
Der STRABAG Artaward wurde vor 25 Jahren gegründet und dient der Unterstützung von jungen Künstlerinnen und Künstlern, die sich neben dem Preisgeld auch über eine Einzelausstellung in der STRABAG Kunstforum freuen können. Zusätzlich zu möglichen Ankäufen von Werken für die STRABAG Artcollection können sich die Gewinnerinnen und Gewinner auch für einen Artist in Residence Aufenthalt im STRABAG Artstudio in Wien bewerben.
STRABAG KUNSTFORUM
Donau-City-Strasse 9, 1220 Wien
Österreich