Bilderrahmen erreichen die Moderne
Herbert Giese: Früher wurden Rahmen oft mit Fenstern als Teil von Architektur verglichen. Sie sollten den illusionistischen Blick in eine wirklichkeitsgetreue Welt unterstützen. Trifft das noch auf die Rahmen der Wiener Sezession zu? Oder wird hier erstmals mit dem Illusionismus gebrochen?
Werner Murrer: Ich vergleiche Rahmen ungern mit Fenstern. In der Gotik hatten die Rahmen zwar oft einen Wasserschlag – ursprünglich eine Abschrägung an Fenstern, als Wasserabfluss. Beim Bilderrahmen hatte diese jedoch keinerlei Funktion mehr. In der Renaissance verbreitete sich der Ädikularahmen, er griff die Architektur von Tempeln auf, und die Voluten der ionischen Säulen finden sich an Barockrahmen wieder.
Die schweren Rahmen der Gründerzeit passten nicht mehr zu den ästhetischen Reformen der Avantgarden. Die Künstler*innen malten expressiv, die Bilder blieben flächig, hatten oft keine Perspektive mehr. In Analogie dazu führten bereits van Gogh oder Munch ihre Rahmen in die Moderne – mit einfachen, flachen Leisten oder runden Stäben.
Gerade in Wien war nicht nur die Kunst modern, sondern mit ihr auch die Einrichtung. Denken Sie an die schlichten, reduzierten Interieurs - diesem Stil wurden auch die Rahmen angepasst. Wegweisend im Sinne eines Gesamtkunstwerks war hier der Architekt und Designer Josef Hoffmann. Er entwarf schlichte Rahmen mit schmalen Leisten in einem Spitzbogenprofil, dem sogenannten Bischofsmützenprofil, und ließ sie silbern, golden, schwarz oder gar weiß fassen. Die „Hoffmann-Leiste“ signalisiert den Einzug der Moderne in der von ihm angedachten ganzheitlichen Raumgestaltung. Der Illusionismus verschwindet - die Moderne ist auch bei den Bilderrahmen angekommen.
Werner Murrer Rahmen
Zennerstraße 6, 81379 München
Deutschland