Wien Museum

ATELIER BAUHAUS, WIEN. Friedl Dicker und Franz Singer

Ein Baukasten aus geometrischen Teilen, die zu Tieren und anderen Formen zusammengesteckt werden können. Innovative und funktionelle Möbelstücke, aber auch Wohnwelten entstanden im Wiener Atelier der beiden Künstlerpersönlichkeiten Friedl Dicker und Franz Singer. Das Wien Museum widmet den Entwürfen aus dem „Atelier Bauhaus“ eine Ausstellung.


Das Wiederentdecken eines fast vergessenen Kapitels der Wiener Moderne ist der grundlegende Antrieb für die Ausstellung im Wien Museum MUSA, die von einem Kuratorenteam unter der Leitung von Andreas Nierhaus zusammengestellt wurde. Dickers und Singers Entwürfe „stellen im Wien der 1920er- und 1930er-Jahre eine Ausnahmeerscheinung dar“, so Mitkuratorin und Dissidentin Katharina Hövelmann. Beide folgten dem Maler und Reformpädagogen Johannes Itten von Wien an das neu gegründete Bauhaus in Weimar, an dem sie von 1919 bis 1923 studierten. „Die künstlerisch fruchtbare Tätigkeit ihrer 1925 gegründeten Wiener Ateliergemeinschaft endete mit dem aufkeimenden Nationalsozialismus. Dicker und Singer und ein Großteil ihrer Auftraggeber und Auftraggeberinnen – überwiegend jüdisch – emigrierten ins Ausland“, so die Expertin. Nach ihrer Emigration nach Prag wurde Dicker letztlich in Auschwitz vergast.

Nur wenig erhalten

Die politischen Umstände der Zeit sind auch der Grund, warum von all den Arbeiten kaum etwas erhalten ist. Die wesentlichsten Leihgaben für die Ausstellung kommen aus dem Bauhaus-Archiv in Berlin und aus dem Privatbesitz des Architekten Georg Schrom in Wien. Seine Tante Leopoldine war eine der am längsten dienenden Mitarbeiterinnen des Teams um Friedl Dicker und Franz Singer. Sie hat ihrem Neffen den Nachlass übergeben. Georg Schrom ist als Leihgeber, aber auch als Ausstellungsarchitekt und Kurator für diese Schau unersetzlich.

Es sind die moderne, oft geometrische Formgebung von Möbelstücken, neu gedachte, flexible Raumkonzeptionen und der spielerische, farbenfrohe Zugang zu diversen Materialien, Texturen und Oberflächen, die so charakteristisch für die Nische sind, in der Friedl Dicker und Franz Singer sich bewegten. Anders als den zeitgleich arbeitenden Künstlern der „Wiener Werkstätte“ war den beiden der soziale Aspekt wichtig. Von ihnen erdachte Entwürfe für praktikable und kostengünstige Einrichtungsgegenstände für sogenannte Elendswohnungen beillustrieren dies. Üblicherweise war es aber betuchte Kundschaft, die sich dem Atelier Bauhaus anvertraute.

FRIEDL DICKER ZEICHNEND, COLLAGE, UM 1930, Privatbesitz

Zahlreiche Architekturprojekte

Die Inneneinrichtung der Adolf–Loos-Villa von Hans und Anni Moller (geb. Anny Wottitz) im 19. Bezirk, die Studenten-Dachgeschoßwohnung von Ella Lingens, damals noch Reiner, das Gästehaus der Familie Hériot, eines Nachkommen einer französischen Kaufhausdynastie und seiner Frau Hilda Auersperg im Prater oder der Montessori-Kindergarten im Goethehof, einem Gemeindebau im 22. Bezirk, sind Beispiele ihrer realisierten Projekte. Architekturzeichnungen, Skizzen, Fotografien und einige der insgesamt nur rund 40 erhaltenen Möbelstücke des Atelier Bauhaus beweisen die ästhetischen Ansprüche des Designer-Duos. Kurator Andreas Nierhaus fasst die Tragik ihres Schicksals zusammen:

„Am Höhepunkt ihres Schaffens war es, bedingt durch die Zeitumstände, auch schon wieder zu Ende.“  

WIEN MUSEUM MUSA, ATELIER BAUHAUS, WIEN. FRIEDL DICKER UND FRANZ SINGER, AUSSTELLUNGSANSICHT, 2022, Foto: timtom

Wien Museum MUSA

Felderstraße 6-8, 1010 Wien
Österreich

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