Andreas Chwatal, 2018, Messestand Galerie Jo Van de Loo, art berlin | Courtesy Galerie Jo van der Loo, München

Unkonventionell und vergleichsweise erschwinglich: Deutschlands Hauptstadt hat eine neue Kunstmesse, die art berlin, titelte Astrid Mania in der Süddeutschen Zeitung über die art berlin. PARNASS war vor Ort, um sich selbst ein Bild über die Art Berlin zu machen.


Nun unkonventionell ist mit Sicherheit der Ort, die Hanger-Hallen am ehemaligen Flughafen Tempelhof, in die man vom Gleisdreieck 2018 hingezogen ist. Sonst zeigt sich die Messe als gute, aber solide Zusammenschau etablierter bis junger Kunst. Unkonventionelles, Mutiges assoziiert man nicht mit der Messe. Gegründet 2017 als Kooperation der ehemaligen abc Messe (art berlin contemporary) mit der Art Cologne, hat sich die art berlin nun als Marktplatz etabliert.

Wurde die erste Ausgabe im Gleisdreieck im Vorjahr noch kritisch aufgenommen, so hat sich auch hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmer die art berlin konsolidiert und zeigt ähnlich wie Wien um die 120 Galerien. Die Quadratmeterpreise sind moderat und für junge Galerien gibt es in der neuen Sektion "Special Projects" 20-Quadratmeter-Kojen zu reduzierten Preisen, in denen Einzelpräsentationen gezeigt werden. Die Leipziger Galerie Tobias Naehring nutzt dies beispielsweise um die junge Malerin Melanie Ebenhoch auf der Messe vorzustellen.

Melanie Ebenhoch, 2018, Messestand Galerie Tobias Nähring, art berlin | Courtesy Galerie Tobias Naehring, Fotos: dotgain.info

Melanie Ebenhoch, 2018, Messestand Galerie Tobias Nähring, art berlin | Courtesy Galerie Tobias Naehring, Fotos: dotgain.info

Leider ist darunter auch Einiges, das der Qualität der Messe insgesamt nicht gerecht wird. Die junge Szene bildet sich hier – ganz im Gegensatz etwa zur ZONE1 in Wien – nicht ab. Zufrieden ist man mit der Dichte der Besucher und der Präsenz der Sammler, wenngleich diese, so erfährt man im Gespräch mit den Galeristen, oft auch die gleichzeitige Messe viennacontemporary am Schirm haben und entweder schon dort waren, oder vorhaben, diese noch am Wochenende zu besuchen. Allerdings, so die Meinung einiger Galeristen, sind die Sammler in Berlin eher bereit, Werke in höheren Preissegmenten zu kaufen.

Vergleichbar der viennacontemporary sind vor allem Galerien im mittleren Segment vertreten, die international agieren und hohe Qualität zeigen.

Silvie Aigner

Natürlich vertreten die großen Berliner Galerien wie unter anderem Eigen + Art, mit Arbeiten von Carsten Nicolai und Stella Hamberg, Sprüth Magers mit einem gelungenen Stand mit Werken von Jenny Holzer, "Rancho Deluxe", ein Wandobjekt aus 15 Aluminiumplatten von Rosemarie Trockel von 2001, und Objekten von Thea Djordjadze, weiters auch carlier | gebauer, Capitain Petzel, Galerie Crone und der internationale Player Johann König, dessen Ausstellung von Alicja Kwade in St. Agnes gerade begeistert.

Auf der Messe präsentiert er ein Portfolio der von ihm vertretenen Künstler, das sich wie das Who is Who der Gegenwartskunst liest: von Erwin Wurm, über Tatiana Trouvé, Anselm Reyle, den sehenswerten "Corner Boy“ von Monika Bonvicini, Jeppe Hein bis zu Jorinde Voigt. Luftig und mit viel Licht und geräumig präsentieren sich die Galerien auf der Messe. Die Internationalität bei den teilnehmenden Galerien ist noch sehr überschaubar, doch aus Köln, Düsseldorf oder München sind einige wichtige Galerien angereist, darunter etwa der Münchner Galerist Walter Storms, der zwei großartige Arbeiten aus Günther Ueckers Serie der "Geschriebenen Bilder" zeigt.

Günter Uecker, Gerold Miller, Günter Frutrunk, 2018, Messestand Galerie Walter Storms, art berlin | Courtesy Galerie Walter Storms, München

Günter Uecker, Gerold Miller, Günter Frutrunk, 2018, Messestand Galerie Walter Storms, art berlin | Courtesy Galerie Walter Storms, München

Auch sonst ist der Stand des etablierten Münchner Galeristen sehenswert. Er präsentiert Großformate kunsthistorischer Schwergewichte der Moderne von Gerold Miller, Günter Fruhtrunk, Ulrich Erben bis Stanley Finley. Hans Mayer aus Düsseldorf zeigt Tony Oursler in einer Soloschau und damit die einzige digitale Installation, wie überhaupt Videokunst kaum vertreten ist.

Dittrich & Schlechtriem zeigt eine sehenswerte Auswahl an Fotoarbeiten des dänischen, heute in New York lebenden Asger Carlsen. Surreale Gebilde aus verzerrten Körpern in einer gemeinsamen mit Roger Ballen entstandenen Schwarz/Weiß Fotoserie, sowie großformatige abstrakte Fotografien zu erstaunlich moderaten Preisen. Ebenso bei Dittrich & Schlechtriem die aktuellen Arbeiten des in Berlin lebenden Schweizer Künstlers Julian Charrière, der derzeit mit einer sensationellen Einzelausstellung in der Berlinische Galerie zu sehen ist, die im Rahmen der Berliner Art Week eröffnete.

Asger Carlsen, 2018, Messestand Dittrich&Schlechtriem, art berlin | © ​​DITTRICH & SCHLECHTRIEM

Asger Carlsen, 2018, Messestand Dittrich&Schlechtriem, art berlin | © ​​DITTRICH & SCHLECHTRIEM

Interessant auch die Berliner Galerie Alexander Levy mit einer großen Fotoarbeit von Fabian Knecht (Genetiv, 2017) und Objekten von Nik Nowak (Unsound System, 2018). In unmittelbarer Nachbarschaft punktete der Münchner Jo van de Loo mit einem Solostand von Andreas Chwatal. Der 1982 geborene Künstler, ausgezeichnet im Vorjahr mit dem Bayrischen Kunstförderpreis, lebt und arbeitet in München und studierte bei Markus Oehlen.

Seine Werke wirken auf dem ersten Blick idyllisch, doch bricht die Ästhetik sofort, wenn man erkennt, dass Chwatal unmissverständlich brisante Themen und Ereignisse unserer Zeit anspricht von Charlie Hebdo bis Bataclan, vom Panzerobjekt bis hin zur Tourismusschwemme in den historischen Räumen von Versailles. (Dans la Galérie des Glaces / Entgrenzung nach Frankreich, 2016). Doch ohne moralischen Zeigefinger und in gelungenen formalen Dialog von Objekt, Tuschezeichnung und Keramikrelief.

Ina Gerken, Untitled (Waiting on the warmth), 2018, Messestand Galerie Achenbach Hagemeier | © Galerie Achenbach Hagemeier

Ina Gerken, Untitled (Waiting on the warmth), 2018, Messestand Galerie Achenbach Hagemeier | © Galerie Achenbach Hagemeier

Eine Entdeckung war die junge Malerin Ina Gerken bei der Düsseldorfer Galerie Achenbach Hagemeier. 1987 geboren, studierte 2014 bis 2016 an der Kunstakademie Düsseldorf und war Meisterschülerin von Katharina Grosse. Was sicher zur Selbstsicherheit im Umgang mit Farbe geführt hat, doch präsentiert sie sich mit Arbeiten von großer gestischer Kraft und eigenständiger Formensprache.

Silvie Aigner

Auffallend sind auch einige Stände mit konkreten Positionen wie Vivid aus Rotterdam, die erstmals auf der Messe ist, Ikeda Galerie mit einer schönen Installation von Fred Sandback. Die allerdings leider durch eine nicht gelungene Gegenüberstellung mit dem US- Künstler Georg Condo ein wenig in ihrer Wirkung getrübt wird. Macht man bei Jahn und Jahn Station, konfrontiert einen der in Leipzig lebende Stefan Vogel mit dem Statement "Ich will einfach nicht mehr" und einer Installation mit dem Titel "Umzug", einer Mischtechnik von 2018. Stefan Vogels Materialbilder sind wie immer berührend, direkt und ursprünglich. Nichts ist veredelt, dem Künstler liegt nichts an einer Überhöhung – und so heißt es auch für den Messebesuch – weitermachen.

Stefan Vogel, 2018, Messestand Galerie Jahn und Jahn, art berlin | Courtesy Jahn und Jahn, München

Stefan Vogel, 2018, Messestand Galerie Jahn und Jahn, art berlin | Courtesy Jahn und Jahn, München


Der kuratierte Salon und ein wenig verlorene Skulpturen

Besonders stolz sind die Veranstalter auf die Einrichtung eines "Salons", kuratiert von Tenzing Barshee. 40 Galerien aus aller Welt konnten für 500 Euro Mietkosten je ein Werk eines Künstlers präsentieren. Das Resultat ist ein Labyrinth, das eher einer Geisterbahn, oder wie die Neue Züricher Zeitung schrieb, einer "Schreckenskammer" gleicht und keinesfalls als gelungene Präsentation bezeichnet werden kann.

Einer der beiden Eingänge ist mit einer Verschalung aus übereinander getackerten Bildern versperrt. Was eventuell eine Installation sein sollte, erweckt den Eindruck, der Kurator hat die Kunst zweckentfremdet. Oder ist er gar selbst nicht überzeugt, von dem was ihm hier passiert ist. Versteckt hinter einem Glassturz mit einem kleinen Spielzeugeinhorn (?) am Boden, das zweiteilige Bronze-Objekt der Österreicherin Angelika Loderer, abgestellt, keinen anderen Platz gefunden. Man ist versucht es da raus zu holen.

Sonst sind leider keine Perlen zu entdecken, man hat auch keine Lust darauf angesichts der Fülle an schlechten Arbeiten und der chaotischen Präsentation. Ebenso enttäuschend sind die groß plakatierten "Outdoor Skulptures". Angesichts der Weite des Flughafenfeldes erwartet man sich Großes und steht bis auf das weiße Segelboot von Cosima von Bonin Kammerstücken gegenüber, noch dazu lieblos neben den gut besuchten Outdoor Café präsentiert. Bevor man so untergeht, sollte man es bleiben lassen.


GELUNGENE GALERIEPRÄSENTATIONEN AUS ÖSTERREICH

Wie ein kuratierter Stand aussehen kann, zeigt Robby Greif vor. Der junge Direktor der Galerie Christine König in Wien legt in dieser Hinsicht der Messe Art Berlin einiges vor und präsentiert einen Messestand mit Arbeiten von Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Galerie Charim, Galerie Christine König und Gabriele Senn in einem gelungenen Mix aus Malerei und Objekten. Jedes für sich von hoher Qualität, ob die Skulpturen und Mischtechniken von Bruno Gironcoli, die Arbeiten vom Rudolf Polanszky und Sepp Auer, oder Oswald Oberhuber.

Eine Visitenkarte und ein Statement vor allem hinsichtlich der künstlerischen Qualität der Wiener Szene und gutes und gelungenes Signal, wie auch der Galerist anmerkt nach Berlin, dass auch mit dem Vorurteil aufräumt, die Galerien in Wien würden nicht miteinander kooperieren. Chapau! 

Christine König Galerie, Charim Galerie, Galerie Elisabeth und Klaus Thoman, Gabriele Senn Galerie, 2018, Messestand, art berlin | Foto: Christine König Galerie

Christine König Galerie, Charim Galerie, Galerie Elisabeth und Klaus Thoman, Gabriele Senn Galerie, 2018, Messestand, art berlin | Courtesy Christine König Galerie, Foto: Christine König Galerie

Sehenswert auch der Stand von Bernd Kugler aus Innsbruck. Dominiert wird seine Präsentation von der großformatigen Leinwand „Untitled“ aus 2016 des nun in Los Angeles lebenden deutschen Künstlers André Butzer.

Silvie Aigner

Eine seiner letzten Schwarz-Weiß Arbeiten, in denen er die Parameter der Malerei in gelungener Weise auslotet und einer sehr schönen Arbeit von Hans-Peter Thomas aka Bara. Ein Bild aus seiner Werkgruppe, in der er sich auf Ordnungssysteme beruft und diese als Art "Folie" für seine Malerei verwendet und in formal auch auf seine Skulpturen verweist. Bernd Kugler agiert von Innsbruck seit vielen Jahren im internationalen Feld der Kunstszene und ist ein Dauergast in Berlin.


POSITIONS

Die Positions sind diesmal in unmittelbarer Nachbarschaft zur art berlin und ebenfalls im Flughafengelände. Erwartet man sich hier ähnliches wie von der Wiener Parallel ist man falsch. Es geht weder um Artist Statements, Präsentation der jungen Szene oder der Möglichkeit Installationen zu zeigen. Es ist eine Side-Messe mit einer Fülle an Galerien, die zumeist auch eine Überfülle an Arbeiten an ihrem Stand präsentieren und die Qualität ist sehr durchmischt.

Klassiker zeigt Alexander Kunkel, dessen Stand hier ein wenig deplaziert erscheint. Aufgefallen: Cattani aus Bozen mit Arbeiten von Antonella Zazzera und Julia Bornefeld und Galerie Von & Von, Nürnberg mit dem polnischen Künstler Leszek Skurski und den Hamburger Constantin Schroeder. Leider, da nützt auch der nette Shuttle im Feuerwehrauto nichts.

Allgemeiner Einblick Positions, Berlin 2018 | Foto: © PARNASS

Allgemeiner Einblick Positions, Berlin 2018 | Foto: © PARNASS


Titelbild: Andreas Chwatal, 2018, Messestand Galerie Jo Van de Loo, art berlin | Courtesy Galerie Jo van der Loo, München

Weitere Impressionen zur Art Berlin finden Sie in unserem Special: Art Berlin, 2018.

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