Vogelbeobachtung im Ausstellungsraum
Vogelbeobachtung mit Erfolgsgarantie: die Sichtung von dutzenden Vögeln kann in der ERES Stiftung in München aktuell garantiert werden, ebenso wie neue Erkenntnisse zu den gefiederten Lebewesen und ihrer Präsenz in der zeitgenössischen Kunst.
Vogeldasein gleicht Freiheit?
Die Papageien rutschen kaum merklich auf der Stange einen Schritt nach links, zucken mit den Flügeln oder blinzeln einem zu. Vier plüschige Gelbbrustaras sitzen gleich am Eingang, ziehen alle Blicke auf sich und lassen hin und wieder einen Laut vernehmen. Die Aufmerksamkeit der Besucher bedingt die Lebendigkeit der Vögel, Hände wedeln vor Augen und Schnäbeln, jeder will der Sache auf den Grund gehen und vermutet automatisch einen Zusammenhang mit visuellen Stimuli, wie man sie eben bei einer realen Begegnung annehmen würde. Aber hier handelt es sich um ausrangierte Spielzeug-Fabrikate, die in der Arbeit von Gerrit Frohne-Brinkmann eine neue Bühne bekommen. Wer die von Roboterhand kolorierte Patent- und Funktionsübersicht studiert, kommt deren Geheimnis schnell auf die Spur.
Überhaupt begegnen einem in der „Bird Show“ die unterschiedlichsten Gestalten und alle erzählen sie auf ihre Art eine Geschichte. Viele davon handeln von Freiheit – wohl der Zustand, den der Mensch schon seit ewigen Zeiten auf das Vogeldasein projiziert.
Manche berichten von Heldentaten im Krieg, wie etwa die Aquarell-Porträts von Mary of Exeter, Winkie und anderen Brieftaubenpersönlichkeiten, deren heroische Lebensgeschichten Anna Jermolaewa, die bei der diesjährigen Biennale Österreich vertritt, in ihrer Wandinstallation hervorhebt. In anderen manifestieren sich die Spuren einer konflikt- und katastrophengezeichneten Gegenwart. In Glas gegossene, von schwarzer Flüssigkeit überzogene Vogelkörper visualisieren die Erinnerungen Monira Al Qadiris an die unzähligen leblosen Tiere, die die brennenden Ölquellen während des Golfkriegs zur Folge hatten. Im Neon-Schriftzug von Šejla Kamerić verbinden sich paradoxe Kontraste zu einem fragilen wie wehrhaften „Liberty“. Wieder andere Werke beschäftigen sich mit der Erforschung (und Manipulation) des Vogel-Verhaltens oder der tief verwurzelten Bedeutung in Bildtraditionen und Überlieferungen.
Der Vogel - ikonographisch aufgeladenes Motiv
Carsten Höller etwa greift ein Experiment auf, welches der Ornithologe Freiherr von Pernau Anfang des 18. Jahrhunderts realisiert haben soll, und unterrichtet einen Finken im Gesang von Liebesliedern. Boris Saccone hinterfragt die altbewehrten Ikonen und erhebt die Stadttaube und nicht etwa den schneeweißen heiligen Geist ins Zentrum seines kleinen Flügelaltars.
Es ist erstaunlich, wie viel Symbolkraft von Vögeln in den Augen des Menschen ausgeht. Wie faszinierend und überraschend Erkenntnisse zu ihrer Biologie sind, wie sich diese Eigenschaften zu Nutze gemacht werden – und wie komplex und unerforscht dennoch so viele Details ihrer Existenz nach wie vor bleiben. Mit all diesen Facetten beschäftigen sich die Werke der knapp 20 nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung, aber auch das begleitende Wissenschaftsprogramm. Der Vogel als ikonographisch aufgeladenes Motiv erfährt in den zeitgenössischen Interpretationen ganz neue Deutungsmöglichkeiten. Nicht nur (Hobby-)Ornithologen werden mit der „Bird Show“ ihre Freude haben.
ERES-Stiftung
Römerstraße 15, 80801 München
Deutschland
The Bird Show
bis 27. Juli 2024