Ausstellungen

Ab in den Kaninchenbau: Das Museum Liaunig

Die Jahresausstellung »Follow the Rabbit« des Museums Liaunig (ver-)führt die Besucher in die zeitgenössische Kunstszene des Land des Lächelns. Alexandra Grimmer kuratierte eine kurzweilige Gegenüberstellung zeitgenössischer Kunst aus China und Österreich. Mit einer bemerkenswerten Wiederentdeckung lockt die zweite Ausstellung: Die ausgezeichnete Personale von Zybnêk Sekal ruft den tschechischen Künstler anlässlich seines 100. Geburtstag nachhaltig in Erinnerung. 


Follow the Rabbit | Hauptausstellung

Eine klassische Kaffeehausbekanntschaft. Die Jahresausstellung im Museum Liaunig in Neuhaus beruht auf einem zufälligen Zusammentreffen im Café des Museums. Einer der Gäste war Peter Liaunig, seines Zeichens Architekt und Leiter des Museums. Der andere Gast war der Kulturattaché der Botschaft der Volksrepublik China. Die beiden kamen ins Gespräch und eines der besprochenen Themen war eine gemeinsame Ausstellung. Sie skizzierten eine Gegenüberstellung österreichischer und chinesischer Kunst. Peter Liaunig war von diesem Konzept angetan. Was an einem Sommertag angerissen wurde, erwies sich in den Mühen der Ebene als undurchführbar. Denn die Vorstellungen der chinesischen Seite, was die Mitfinanzierung betraf – bei den Transport- und Zollkosten der Leihgaben aus China –, entsprachen nicht den budgetären Rahmen der Kärntner. »Grundsätzlich hätten wir alles finanzieren sollen«, erzählt Liaunig im Gespräch mit dem PARNASS.

Chen Shuo / Huang Min (Courtesy BMCA Collection)/ Peter Dörflinger / Martin Schnur / Robert Tauber

Yang Gang / Sun Xun (Courtesy Shanghart Shanghai/Beijing/Singapore) / Alfred Klinkan / Erwin Wurm / Peter Kogler / Shi Jiongwen / Erwin Wurm / Tone Fink / Kiki Kogelnik / Drago j. Prelog / Peter Pongratz, Foto: Museum Liaunig © die Künstlerinnen und Künstler

Das Konzept ließ ihn jedoch nicht ruhen. Mehr oder weniger durch einen Zufall – »Ein Freund hat mir einen Tipp gegeben.« – entdeckte er die Sammlung Blue Mountain Contemporary Art (BMCA). Eine Sammlung zeitgenössischer chinesischer Kunst des Israeli Ofer Levin, die seit fast zehn Jahren in Wien beheimatet ist. Die Managerin und Kuratorin der Sammlung ist die Expertin für zeitgenössische Kunst aus China, Alexandra Grimmer.

Nach kurzen Verhandlungen hatte Liaunig seine Sommerausstellung 2023: Unter dem Titel »Follow the Rabbit« kuratierte Grimmer die Gegenüberstellung der beiden Sammlungen. »Sie werden überrascht sein!«, eröffnete Grimmer die Ausstellung. »Bei einigen Positionen wird die Unterscheidung, ob es sich nun um österreichische oder chinesische Positionen handelt, schwerfallen«, fügte sie erklärend hinzu. Die Ununterscheidbarkeit liegt in der Entwicklung der BMCA-Collection. Levin hat seine Sammlung vor mehr als zehn Jahren begonnen. Damals orientierten sich Künstlerinnen und Künstler aus China noch stark an den Vorbildern der »Meister« aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Was dazu führte, dass ein Gros der Arbeiten, gerade in der Malerei, einen eklektizistischen Touch haben. Die originäre Einbindung, Hinterfragung und Neuausrichtung bekannter chinesischer Kulturtraditionen waren eher bei Video und Skulpturen zu finden.

Roman Scheidl / Li Hui (Courtesy BMCA Collection) / Othmar Jaindl / Walter Vopava

Nichtsdestotrotz gelingt Grimmer eine kurzweilige, nuancierte Ausstellung, in der 103 Künstlerinnen und Künstler vertreten sind. Was an imposanten Positionen der Sammlung Liaunig (Kunst seit den 1960er-Jahren) liegen mag: Etwa bei der Gegenüberstellung der rohen Skulpturen von Ma Jia und der flächigen Malerei einer Suse Krawagna, oder die Kombination der expressiven Malerei von Zhang Enli mit Walter Vopava und Christoph Luger. Des Weiteren ist die »Konfrontation« einer engmaschigen, langgestreckten Zeichnung der Künstlerin Shi Jionwen mit dem labyrinthischen Chaos von Christian Schwarzwald sehenswert. Sehr stark präsentiert sich auch das Trio der hängenden Spiegel-Neon-Skulptur von Li Hui, der poetischen Farbflächenmalerei von Friedrich Cerha und einer massiven Collage von Rudolf Polanszky. Einen interessanten Gegensatz abstrakter Malerei – in ihrer jeweiligen technischen Ausarbeitung – ergibt sich auch zwischen He Wies oberflächlich-poppigen Leinwand und der vielschichtigen Arbeit von Helmut Swoboda. Eine alles in allem sehenswerte Präsentation.

Die Hauptausstellung ist noch bis 29. Oktober 2023 zu sehen.

Zhang Enli (Courtesy Xavier Hufkens Bruxelles) / Ma Jia / Suse Krawagna 

Zybnêk Sekal 100 | Sonderausstellung

Studiert man die Biografie des 1923 in Prag geborene Künstler dann bleibt neben seinem künstlerischen Schaffen ein Merkmal im Gedächtnis: jenes der Verfolgung. Mit 18 Jahren wurde er, der sich immer politisch engagiert hat, in Prag verhaftet und wurde nach einigen Monaten im Gefängnis Pankràc in die Konzentrationslager Theresienstadt und Mauthausen deportiert.  Nachdem er diesen Horror knapp überlebt hat, studierte er an der Universität für Angewandte Kunst bei Frantiśek Tichy und Emil Fiala in Prag. Aber die Repressionen nach der Niederschlagung des Prager Frühlings veranlassten ihn zur Emigration. Zuerst nach Berlin und ab September 1970 in Wien.

In seinem Œuvre erkennt der Betrachter einerseits das tiefe Misstrauen gegenüber Staat und Politik und andererseits verarbeitet er den Schrecken der Gefangenschaft, Verfolgung und Armut. Prägende Merkmale der Skulpturen und Bilder des Künstlers liegen in ihrer Größe: Sowohl bei den Skulpturen als auch bei den Bildern dominiert das Kleinformat. In einer Größe, die es möglicherweise erlaubt, sie bei der nächsten Flucht mitzunehmen. In dieser kompakten Form liegt das Erstaunliche und Ergreifende von Sekals Arbeit. Besonders beeindruckend eine ungemein filigrane Collage, die er aus verwendeten Zigarettenpapieren gefertigt hat. Oder die Käfige in den Käfigen: Ein tragischer Hinweis darauf, aus welchem »Gefängnis« er auch immer wieder befreit wurde, ein weiteres wartet schon wieder. Zybnêk Sekal – eine wichtige Stimme der Nachkriegskunst Mitteleuropas, eine unprätentiöse, kompakte wie ergreifende Ausstellung.

Die Sonderausstellung ist noch bis 23. Juli zu sehen. Ab 20. Juli widmet das Museum Liaunig dem in Graz geborenen Künstler Franz Ringel (1940–2011) eine Retrospektive. 

Ausstellungsansicht © Museum Liaunig / Zbyněk Sekal

Eyewall | Skulpturendepot

Die „Eyewall“ (Augenwand) ist der gefährlichste und zerstörerischste Teil eines tropischen Wirbelsturms, jene Wand aus Winden, die unfassbare Energien erzeugt und für die zerstörerische Kraft eines Hurrikans oder Taifuns verantwortlich ist. Nicht von ungefähr wählt Hannes Priesch diesen Begriff als Titel einer Serie, für die der Künstler die E-Mail-Korrespondenzen zwischen staatlichen Krisenmanagern rund um den Hurrikan Katrina 2005 in den Fokus nimmt. Die Arbeit besteht zum einen aus einer Vielzahl großformatiger Gemälde: Abschriften von E-Mails, die teils offiziellen, teils chatartig, lapidaren Charakter aufweisen. Von Hannes Priesch in ein Narrativ gebracht, zeichnen sie ein Sittenbild ganz besonderer Art, das beispiellose Ignoranz und Missmanagement zutage fördert. Priesch hatte 47 Dokumente aus mehr als tausend E-Mails, deren Veröffentlichung von amerikanischen Kongressabgeordneten erzwungen wurde, nach subjektiven Gesichtspunkten ausgewählt und mit einigem zeitlichen Abstand zur Hurrikan-Katastrophe – 2008 bis 2010 – in 49 Gemälde umgesetzt.

Die Ausstellung im Skulpturendepot ist noch bis 29. Oktober 2023 zu sehen.

Skulpturendepot, Hannes Priesch, Eyewall © Museum Liaunig

Museum Liaunig

Neuhaus 41, 9155 Neuhaus
Österreich

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