Kunstmesse heuer erstmals im Kursalon

Neu und anders: Die viennacontemporary legt (wieder) los

viennacontemporary 2022, Foto: kunstdokumentation.com

Auch wenn man es straßenseitig kaum erkennt – im Kursalon im Wiener Stadtpark regiert an diesem langen Wochenende nicht der Walzer, sondern die Kunst. Am neuen Standort mitten in Wien will man festhalten, einiges überzeugt an der neuausgerichteten Kunstmesse, manches kann noch optimiert werden. Die Stimmung war am Eröffnungstag sehr gut und die Wiener Kunstszene wohl überrascht, dass die vc besser geworden ist als gedacht. Ein erster Rundgang mit Highlights der PARNASS Redaktion.


viennacontempory is back again, stronger than before

Boris Marte

62 Galerien aus 17 Ländern, beinahe 200 Künstler – ausreichend zu entdecken also, verteilt auf die drei Geschosse des Kursalons. An die neue Messearchitektur muss man sich erst gewöhnen, stellenweise wird es etwas eng im barocken Ambiente, hier will man vielleicht nachschärfen und in den kommenden Jahren nur weniger Galerien zulassen. Kompakt und mit Qualitätsanspruch, so der künstlerische Leiter Boris Ondreička in seinem Eröffnungsstatement am Donnerstag, 8. September 2022. Besinnen will man sich nicht nur seiner Kernaufgabe als Serviceleister der Galerien, sondern auch die Schlüsselposition im Herzen Europas ernst nehmen und nach Ost und West blicken.

Die viennacontemporary die sich im vergangenen Jahr als Non-Profit-Organisation neu aufgestellt hat, versteht sich, so Ondreička, auch nicht mehr nur als Ort des Kunsthandels, sondern auch als Plattform sozialer Begegnungen und als Netzwerk. Das will man auch mit der örtlichen Neuausrichtung unterstreichen, die nun mitten in der Stadt fußläufig zu den Galerien und Museen stattfindet. Neu ist die Location aber der geokulturelle Fokus der Messe liegt nach wie im Bereich zentral-, ost-, und südeuropäischen Kunstkontexte. Boris Marte, CEO der Erste Stiftung und Chairman of the board, ergänzt in seinem Statement die wichtige Aufgabe der Kunst, gerade vor dem aktuellen Hintergrund: Kunst, so Marte, gilt es zu bewahren, denn sie wäre, die erste, die politischen Umstrukturierungen zum Opfer fallen würde. Ein politisches Statement ist daher auch die von Kateryna Filyuk kuratierte Gruppenausstellung im „das weisse haus“ mit dem Titel „The Cockerel with Black Wings: A Recovered Heirloom (Der Hahn mit den schwarzen Flügeln – Ein wiedergefundenes Erbstück). Die von Ausstellung befasst sich mit dem Thema verlorener oder potenzieller Erbstücke und den verschiedenen sozialen Beziehungen, die in ihnen verwurzelt sind. Sie steht bei freiem Eintritt nicht nur dem Messepublikum offen. Hier gilt in jedem Fall das Prädikat ‚sehenswert‘ (Tipp: Die vor Ort angebotenen freien Führungen lohnen).

Statement Ukraine, weisses haus, Kinder Album, The Bones, 2022 © by the artist

Statement Ukraine, weisses haus, Kinder Album, The Bones, 2022 © by the artist

Höhepunkte der Messe

Auch im Kursalon selbst lohnen zahlreiche Momente. Wie immer punkten jene Galerien, die sich bei ihrem Standkonzept etwas überlegt haben und nicht ihre „Galeriedepots“ präsentieren. Besonders empfohlen sei etwa ein Besuch bei der Galerie Layr, wo Lena Henke skulpturale Editionen präsentiert von denen bereits am Donnerstag ein Set um knapp über 30.000 Euro verkauft werden konnte. Gleich daneben Karpuchina Gallery aus Prag mit einer Duo-Show bei der wir an den Objekten von Sabina Knetlová hängenblieben. 1996 geboren und gerade erst graduiert entwickelt sich die tschechische Bildhauerin mit rasendem Tempo zur gefragten Künstlerin. Ebenfalls schon von Verkäufen berichten konnte zur frühen Stunde Sophia Vonier, die Dominik Louda und Raphaela Riepl in einem zweigeteilten Standkonzept präsentiert. Lohnend auch einige Solopräsentationen, wie Hans Weigand bei Gabriele Senn, Ashley Hans Scheirl bei Crone oder Renate Bertlmann am Stand der Galerie Silvia Steinek. Ein besonderes Wagnis ist bei Eva Presenhuber zu bestaunen – eine einzige Arbeit von Tobias Pils ist hier zu sehen. Überraschend auch die neuen Malerein von Herbert Brandl, abstrakt und im Tondo-Format bei Galerie nächst St. Stephan – Rosemarie Schwarzwälder und die neuen Fotografien von Eva Schlegel bei Ursula Krinzinger sowie eine eindrucksvolle Arbeit von Alicja Kwade bei Johann König.

Herbert Brandl, Hijos del sol (Kinder der Sonne), 2022, Acryl auf Leinwand, Courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Photo: Markus Wörgötter

Herbert Brandl, Hijos del sol (Kinder der Sonne), 2022, Acryl auf Leinwand, Courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Photo: Markus Wörgötter

Galerie Crone, Ashley Hans Scheirl, Foto: kunstdokumentation.com

Galerie Crone, Ashley Hans Scheirl, Foto: kunstdokumentation.com

Karpuchina Gallery, Sabina Knetlová und Serhij Dakiv, Foto: PARNASS

Karpuchina Gallery, Sabina Knetlová und Serhij Dakiv, Foto: PARNASS

Layr, Lena Henke, Foto: kunstdokumentation.com

Layr, Lena Henke, Foto: kunstdokumentation.com

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Thomas Feuerstein und Mai-Thu Perret, Foto: PARNASS

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Thomas Feuerstein und Mai-Thu Perret, Foto: PARNASS

Gabriele Senn Galerie, Hans Weigand, Foto: kunstdokumentation.com

Gabriele Senn Galerie, Hans Weigand, Foto: kunstdokumentation.com

 

Blick in die Zone1, im Vordergrund Gašper Kunšič, house of spouse, Foto: PARNASS

Blick in die ZONE1, im Vordergrund Gašper Kunšič, house of spouse, Foto: PARNASS

Zone1, viennacontemporary 2022, Parastu Gharabaghi, City Galerie Wien, Foto: PARNASS

ZONE1, viennacontemporary 2022, Parastu Gharabaghi, City Galerie Wien, Foto: PARNASS

 Zone1, viennacontemporary 2022, Julia Belova, Galerie Rudolf Leeb, Foto: PARNASS

ZONE1, viennacontemporary 2022, Julia Belova, Galerie Rudolf Leeb, Foto: PARNASS

Hervorzuheben wären noch die Stände von Georg Kargl Fine Arts, wo unter anderem kleine Assemblagen von David Fesl gezeigt werden und eine große, prägnante Arbeit aus textilen Materialien von Katrina Daschner. Martin Janda hat unter anderem die nun neu im Galerie Programm vertretene und vielversprechende Chin Tsao im Gepäck, während die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman eine ungewöhnliche neue Skulptur – eine Keramik aus dem 3D Drucker – von Thomas Feuerstein gemeinsam mit feinen Neonobjekten von Mai-Thu Perret präsentiert. Auch KOW aus Berlin besticht wieder mit einem ausgewählten Messestand, hier zu sehen Heinrich Dunst, Sophie Gogl, Simon Lehner und Oswald Oberhuber. Schrill, bunt und an der Schnittstelle von analog und digital mit einem Hang zum Kitsch, wie immer Gretchen Andrew, mit der die Elektrohalle Rhomberg auf der viennacontemporay einen Solostand  bespielt. Gegenüber bringen einem die Bilder von Philip Emde bei ruttkowski;68 zum Schmunzeln. Anschauen sollte man sich auch die Skulpturen des deutschen Objektkünstlers Jo Schöpfer bei Sturm & Schober, die auch ein schönes Polaroid von Inge Dick im Angebot haben.

ZONE 1 im Keller

Wie immer ist die Zone1 ein besonderes Erlebnis. Die Kellerarchitektur steht im Kontrast zu den Nobeletagen der klassischen Galeriepräsentationen. Kuratiert von Tjaša Pogačar aus Ljubljana werden neun junge Galerien präsentiert. Faszinierend sind etwa die Textilien aus Klebstoff von Parastu Gharabaghi geziegt von der City Galerie Wien oder Keramiken von Julia Belova | Galerie Rudolf Leeb. Mit Gašper Kunšič präsentiert sich die erst heuer in Wien gegründete Galerie "house of spouse" erstmals auf einer Messe, während es mit Agnieszka Polska (Georg Kargl Fine Arts) auch eine bereits recht etablierte künstlerische Position in diesen Reigen der jungen Talente, für den die Zone1 traditionell steht, geschafft hat. Die Bildrecht zeichnete Selma Selman und acb Galéria innerhalb der Zone1 für eine aktivistisch, politische Präsentation als Gewinnerin des "viennacontemporary | Bildrecht SOLO Award 2022" aus.

Selma Selman, acb, ZONE 1, viennacontemporary 2022, Foto: kunstdokumentation.com

Selma Selman, acb, ZONE 1, viennacontemporary 2022, Foto: kunstdokumentation.com

Zurück in den Hauptgeschossen der Messe spannt den politischen Bogen ins weisse haus unter anderem die Präsentation von The Naked Room mit Arbeiten von Pavlo Makov. Der 1958 in St. Petersburg geborene ukranische Künstler lebte und arbeitete bis März in seinem Atelier in Charkiw, wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt und aktuell in der Nähe von Florenz. Makov zählt zu den bekanntesten ukrainischen Künstlern und bespielt auf der diesjährigen Venedig Biennale den ukrainischen Pavillon. Auf der viennacontemporary zeigt er mittels fünf Arbeiten eine Mini-Retrospektive. Mit Kunst gegen die Erschöpfung der Ukraine. "Wir kämpfen nicht nur um unsere Existenz, sondern auch um seine Identität." so Makov, der gemeinsam mit anderen Künstlern auch die Initiative Frontart gegründet hat. Die Messe hat ein umfangreiches Portfolio in dem formale, materialimmantente Arbeiten ebenso zu finden sind, wie gesellschaftskritisch und hochpolitische – und zumeist gute Qualität. Ein Besuch auf der neuen viennacontemporary lohnt auf alle Fälle. Man sei gekommen, um zu bleiben, so Boris Marte bei der Pressekonferenz und betont, "viennacontempory is back again, stronger than before" – die ersten Anzeichen eines turn arounds sind zumindest vorhanden.

The Naked Room, Pavlo Makov, Foto: kunstdokumentation.com

The Naked Room, Pavlo Makov, Foto: kunstdokumentation.com


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