Läuft Wien dem Hotspot Berlin den Rang ab?

Still und leise verändern sich bedeutende Standorte für den Kunsthandel. Berlin scheint dabei gegenüber Wien zu verlieren. Höchste Zeit also für die heimische Kunstszene, sich den Standort Wien nicht länger schlechtzureden. Ein Kommentar unseres Berliner Autors Sebastian C. Strenger.


Nicht nur die Kaffeehäuser und Straßen in Wiens Innenstadt präsentieren sich trotz des weiterhin überwiegenden Fernbleibens asiatischer und amerikanischer Touristen wieder weitgehend belebt. In den Wochen des vergangenen Herbstes füllten sich rund um das Festival Curated by auch die die Räume der Galeristen. Die Ausstellungen waren gut besucht, Kunstwerke wurden mit Erfolg verkauft.

von 600 auf 120 Galerien – Berlins Kunstmarkt schrumpft

Blickt man zurück auf die jüngst stattgefundene Kunstmesse Positions in Berlin, den Ersatz für die Art Berlin, die nach dem Rückzug der Kölner Messegesellschaft erstmals nicht mehr stattfand, so wird deutlich, dass Berlins Gemischtwaren-Lösung mit Kunst, Mode & Co. unter einem Dach nie das Gesicht der deutschen Metropole war. Vielmehr war Berlins Gallery-Weekend immer schon der heimliche große Bruder mit circa 50 Galerien und tausenden internationalen und nationalen Gästen, der auch in puncto Umsatz für die Galeristen wie eine Messe in ihren eigenen Räumen funktionierte. So auch im vergangenen September – mit der Aussicht auf eine erneute Durchführung von 29. April bis 1. Mai 2022 in der deutschen Bundeshauptstadt.

Aber wie sieht es in Wien aus?

Mit Blick auf einen nicht erst seit Corona schrumpfenden Kunstmarkt ließ der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. (BVDG) zuletzt durch Kristian Jarmuschek, BVDG-Vorsitzender und  Galerist in Berlin, verlauten, dass die Verteiler seines wie auch des Landesverbandes Berliner Galerien (lvbg) nicht mehr als etwa rund 120 Galeristen in Berlin aufführen. Und auch eine nicht in diesen Verbänden organisierte kleine Gruppe von Galeristen oder Projekträumen dürfte nicht nennenswert etwas an diesen Zahlen ändern. Ein Trauerspiel also in Anbetracht von ehemals 600 Galerien in Berlin vor noch etwa 15 Jahren. Aber wie sieht es in Wien aus?

Berlinische Galerie, Alicja Kwade, Details installation view Clout-Count, 2018, Glances at Blueproject Foundation, Barcelona, 2018. Courtesy of the artist; Photo: Roman März

Wir haben heute etwa 650 Kunst- und Antiquitätenhändler in Wien, von denen rund 250 Kunstgalerien sind. Noch vor 15 Jahren waren es nur 150 und in den vergangenen Jahren haben wir in dem Bereich keine Schließung registriert, sondern nur Zuwächse.

Horst Szaal, Präsident des Verbandes Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler

Doppelt so viele Galerien in Wien

Nach Aussage des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler kommt Berlin heute also gerade noch auf rund halb so viele Galerien wie Wien. Hier war die Entwicklung während der vergangenen 15 Jahren genau gegenläufig. Und mit Blick auf die Kunstmessen beider Metropolen scheint sich ebenfalls Wien in den Vorteil zu spielen. Aber woran liegt es, dass still und leise Wien dem ehemaligen Kunst-Hotspot Berlin den Rang abläuft?

Bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage, lohnt es, den Blick auch auf die Mehrwertsteuersenkung 2020 und 2021 in der Szene zu lenken. Während in Deutschland die gegenwärtigen 19 Prozent nur Achselzucken hervorrufen, haben sich Österreichs Galeristen bei der temporären Senkung von 13 auf 5 Prozent in Reaktion auf die Covid-Pandemie die Hände gerieben. „Fünf Prozent ist schon ein Incentive. Es ist etwas, das einem bei Werken ab einer Million schon mal den Kauf versüßt“, so Thaddaeus Ropac aus Salzburg.

Namepickers 1989 von IRWIN in der Galerie Christine König, Curated by 2019 © Copyright Philipp Schuster

Stichwort Mehrwertsteuersenkung: Fünf Prozent ist schon ein Incentive. Es ist etwas, das einem bei Werken ab einer Million schon mal den Kauf versüßt.

Thaddaeus Ropac

„Es war ein sehr wichtiger Schritt mit Signalwirkung, der in Deutschland leider ausgebleiben ist. Denn die Sammler erhalten dadurch nicht nur das Gefühl, Kunst günstiger einzukaufen, sondern auch das Signal: Die Kunstszene ist von der Pandemie sehr betroffen. Das hat unter unseren Sammlern einen nicht hoch genug einzuschätzenden Solidarisierungseffekt erzeugt“, so Markus Peichl von der Galerie Crone mit Sitz in Berlin und Wien.

Kurzum, die Signale aus der deutschen Bundesregierung waren zuletzt nicht dazu geeignet, Euphorie im Kunsthandel zu verbreiten. Auch nach einem Regierungswechsel in Deutschland sind positive Veränderungen für Berlin vorerst nicht zu erwarten. In der Donau-Metropole hingegen eröffnen internationale Player wie Johann König aus Berlin und Eva Presenhuber aus Zürich Dependancen.

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