Das Zittern in Madrid

ARCO Madrid 2024

ARCOMadrid 2024, Courtesy und © IFEMAMADRID 2024

Die 43. Ausgabe der ARCO in Madrid hat am vergangenen Mittwoch ihre Pforten geöffnet: Die angespannte Situation am internationalen Kunstmarkt ist für viele Aussteller eine fast schon existenzielle Herausforderung – damit wird die spanische Kunstmesse zum Hoffnungsträger.


„Wir brauchen dringend Erfolgserlebnisse!“ Ein deutscher Galerist bringt es zu Beginn der ARCO-Preview unbeschönigt offen auf den Punkt. Zu einem Zeitpunkt während einer großen internationalen Kunstmesse, wenn normalerweise Optimismus unter den Galerien vermittelt wird. „Die vergangenen Monate waren alles andere als motivierend – es entstand des Öfteren der Eindruck, dass niemand mehr Bilder kaufen möchte“, führt er die Dramatik der aktuellen Situation weiter aus. Aber er möchte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen und setzt auf Madrid: „Wir haben hier immer gut verkauft und Spanien ist aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Stimmung besser als in Resteuropa“, begründet er seinen (Rest-)Optimismus. Mit seiner Einschätzung war er zur Preview nicht allein: Die (An-)Spannung war vielerorts deutlich zu spüren und in Gesprächen zu vernehmen.

Kunst bis in die Karibik

Trotz aller Mesalliancen stellen 205 Galerien aus 36 Ländern bei der ARCO aus. Wie es bei der Kunstmesse Usus ist, steht auch diesmal ein Land, eine Region im künstlerischen (Entdecker-)Fokus: die karibischen Inseln. Absolut kein leichtes Unterfangen die ungeheure Unterschiedlichkeit auf relevantes zeitgenössisches Tun abzuklopfen. Deswegen ufert die von Carla Acevedo-Yates und Sara Hermann Morera kuratierte Sektion qualitativ auch etwas aus: Von kräftigen, eindringlichen Positionen bis zu poppig-kitschigen, oberflächlichen Arbeiten ist hier alles vertreten.

Mit den fortschreitenden Stunden der Preview entspannte sich die Lage etwas: Wie bei der Galerie 1 Mira Madrid, die mit der spanischen Malerei-Ikone Juan Uslé ein originäres Ausstellungsprojekt zwischen Malerei, Fotografie und (Kunst-)Dokumentation – eine Fotosafari durch Museen, die sich mit Uslés strikter Malerei ergänzt und erweitert – umgesetzt hat. Eine große Leinwand wurde für 180.000 Euro verkauft. „Die Hälfte des Standes haben wir bereits verkauft“, zeigt sich Mira Bernabeu erleichtert und freut sich, dass sieben Künstlerinnen und Künstler seiner Galerie bei der heurigen Venedig Biennale vertreten sein werden.

Juan Uslé, Spain, 1954, Tentación, 2022, Painting: Vinyl, dispersion and pigments on canvase 274 x 287 x 5 cm, Unique Piece, Courtesy und © Gallery 1 Mira Madrid

Juan Uslé, Spain, 1954, Tentación, 2022, Painting: Vinyl, dispersion and pigments on canvase 274 x 287 x 5 cm, Unique Piece, Courtesy und © Gallery 1 Mira Madrid

Ähnlich erfolgreich gestaltete sich die Preview bei Sabrina Amrani (Madrid), die unter anderem Werke von Joël Andrianomearisoa an einen österreichischen Sammler verkaufen konnte (zwischen 7000 und 9000 Euro). Neben Andrianomearisoa waren es die Fotografien von Anastasia Samoylova (ab 9000 Euro) und die Malerei von Alexandra Karakashian (ab 2800 Euro) die bei Sammlern auf reges Interesse stießen.

Bei der Wiener Galerie Schwarzwälder standen einerseits die feinen, genähten Arbeiten von Natasza Niedziółka im Fokus (ab 20.000 Euro), andererseits als gelungene Ergänzung zu Niedziółka die poetischen Schriftbild-Kompositionen von Alice Attie. Ein weiterer Eye-Catcher am Stand: ein pastoses Kleinformat von Herbert Brandl (9000 Euro).

Die Galerie Thomann punktet mit den Keramiken und Aquarellen von Mai-Thu Perret (Keramik ab 25.000 Euro; Aquarelle 6000 Euro).

© Galerie Elisabth & Klaus Thoman / GRAYSC.de

© Galerie Elisabth & Klaus Thoman / GRAYSC.de

Wenn wir schon bei Keramiken sind. Am Stand der Galerie Krinzinger sorgt eine Skulptur von Hans op de Beeck für Aufsehen: Eine aus der Wand gestreckte Hand mit einer „Pusteblume“ verführte nicht wenige Besucher dazu, sie anzublasen (38.000 Euro). Ebenfalls gelungen bei Krinzinger: die Gegenüberstellung einer Fotografie von Marina Abramovic und das Diptychon „Feisty Sisters“ von Monica Bonvicini (38.000 Euro).

Newcomer Galerie

Eine spannende junge Position gilt es am Stand der Galerie Livie aus Zürich (erster Soloauftritt der Galerie) zu entdecken: die vielschichtige Malerei der Schweizerin Dimitra Charamandas (zwischen 6000 und 11.000 Euro). Bei Helga de Alvear sind es Kleinformate von Santiago Sierra, auf denen das Wappen der spanischen Krone mit dem Blut von Menschen ehemaliger Kolonien gestempelt wurde – ergreifend (600 Euro). Mit mehr Ironie geht am selben Stand das Künstlerduo Elmgreen & Dragset ans Werk: Die Installation „Kev“ zeigt einen geschlagenen Tennisspieler aus Bronze am Boden liegend auf einem Ausschnitt des Platzes (220.000 Euro).

Ausstellungsansicht Dimitria Charamandas, Foto: Galerie Livie

Sonst aufgefallen: Arbeiten von Ashley Hans Scheirl bei Crone (ab 23.000 Euro), ein kräftiger Nitsch (Teil der Walküren-Inszenierung in Bayreuth 2021; 120.000 Euro) bei Jahn & Jahn – verbunden mit einer heftigen Vorort-Diskussion unter Sammlern, ob das Spätwerk von Hermann Nitsch die Qualität und Nachhaltigkeit besitzt, um am Markt langfristig reüssieren zu können. Noch eine Entdeckung bei der Dvir Gallery aus Tel Aviv: die nuancierte Malerei der 75-jährigen Yudith Levin zeigt Menschen, die im Nichts verschwinden. Umso ergreifender, wenn das Datum des Fertigstellens eines der Bilder der 7. Oktober 2023 ist.

Die Anspannung der Galerien bei der ARCO hat sich am Ende des ersten Tages etwas gelegt, aber allgemeines Frohlocken war bei weitem nicht zu vernehmen.

Cristof Habres

 

Hermann Nitsch, Courtesy und © Jahn & Jahn

Hermann Nitsch, Courtesy und © Jahn & Jahn

Elmgreen & Dragset, Kev, Courtesy und © Galeria Helga de Alvear

Elmgreen & Dragset, Kev, Courtesy und © Galeria Helga de Alvear

Martha Jungwirth, Ohne Titel, aus der Serie "Francisco de Goya, Asmodea", 2022. Oil on paper on canvas. 247,5 x 242 x 3 cm.  (MJ 1267). © Martha Jungwirth / Bildrecht, Wien 2023. Photo: Ulrich Ghezzi 

Galerie Thaddaeus Ropac, Martha Jungwirth, Ohne Titel, aus der Serie "Francisco de Goya, Asmodea", 2022. Oil on paper on canvas. 247,5 x 242 x 3 cm. 
(MJ 1267). © Martha Jungwirth / Bildrecht, Wien 2023. Photo: Ulrich Ghezzi 

Robert Rauschenberg, Testimony (Japanese Claywork), 1985. Transfer and glaze on high-fired ceramic. 180 x 200 x 6 cm. (RR 1239), © The Robert Rauschenberg Foundation / ARS, New York 2022. Photo: Ron Amstutz 

Galerie Thaddaeus Ropac: Robert Rauschenberg, Testimony (Japanese Claywork), 1985. Transfer and glaze on high-fired ceramic. 180 x 200 x 6 cm. (RR 1239), © The Robert Rauschenberg Foundation / ARS, New York 2022. Photo: Ron Amstutz 

ARCOMadrid 2024, Courtesy und © IFEMAMADRID 2024

ARCOMadrid 2024, Courtesy und © IFEMAMADRID 2024

© Galerie Elisabth & Klaus Thoman / GRAYSC.de

© Galerie Elisabth & Klaus Thoman / GRAYSC.de

Hermann Nitsch, Courtesy und © Jahn & Jahn

Hermann Nitsch, Courtesy und © Jahn & Jahn

Ashley Hans Scheirl Courtesy und © Galerie Crone

Ashley Hans Scheirl Courtesy und © Galerie Crone

Ausstellungsansicht Dimitria Charamandas, Foto: Galerie Livie

Juan Uslé, Spain, 1954, Tentación, 2022, Painting: Vinyl, dispersion and pigments on canvase 274 x 287 x 5 cm, Unique Piece, Courtesy und © Gallery 1 Mira Madrid

Juan Uslé, Spain, 1954, Tentación, 2022, Painting: Vinyl, dispersion and pigments on canvase 274 x 287 x 5 cm, Unique Piece, Courtesy und © Gallery 1 Mira Madrid

YUDITH LEVIN Browns, 1999 acrylic on canvas 160 x 200 cm, unique, Courtesy und © Dvir Gallery

YUDITH LEVIN Browns, 1999 acrylic on canvas 160 x 200 cm, unique, Courtesy und © Dvir Gallery

Photo: © GRAYSC, Courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

Photo: © GRAYSC, Courtesy Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

43. ARCO Madrid

bis 10. März 2024

www.ifema.es/en/arco/madrid

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