Psyche & Landschaft

Carsten Fock - Emotionale und empathische Landschaften

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Bis 1. Juni zeigt Zeller van Almsick neue Werke von Carsten Fock. Selten bis nie war die Galerie so voll – wer sie besucht, kann daher vollends in die Malerei eintauchen, ein überraschender Genuss.


Die Landschaft stand seit jeher im Fokus der Malerei von Carsten Fock. Jedoch weniger der Blick in die Landschaft selbst, sondern die Überwindung oder vielmehr eine Antwort auf die Kunstgeschichte. Insbesondere die Auseinandersetzung mit der Geschichte der deutschen Landschaftsmalerei schien ihn über Jahre zu beschäftigen. Zum Teil hatte man auch den Eindruck es war auch mit seiner Biografie, eine Suche nach seinem Platz in der Landschaftsmalerei – in letzten Jahren scheint er diesen gefunden zu haben. Zumindest vermitteln das die eindrucksvollen Bilder und Pastellzeichnungen in der Ausstellung bei Zeller von Almsick. Nicht nur dass er sich erlaubt, Stimmungen, die er in der Natur sieht zu interpretieren, etwas das er bislang vielleicht als kitschig, zu empathisch abgetan hätte. Nicht mehr die kritische Hinterfragung der Landschaftsmalerei im geteilten Deutschland gilt es zu hinterfragen, sich also nicht mehr damit auseinanderzusetzen, was bereits von der Malerei zur Landschaft gesagt wurde, was kritisiert wurde, was sie darf und was sie nicht darf – sondern tatsächlich „alla prima“ zu erfahren.

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Fock wirft alle Bedenken über Bord, lässt los und erkennt in der Landschaft eine neue – emotionale, wie empathische Qualität. Und er lässt diese Erfahrung auch zu und hat aufgehört diese Gefühle, mittels – oft mit bunten Filzstiften poppig und kräftig hingesetzten – Gesten nahezu zu erschlagen.

Silvie Aigner

Gewalt, Zerstörung, Teilung, Krieg und Nationalismen, die ihn aufgrund seiner eigenen Biografie naturgemäß beschäftigten und abgearbeitet werden mussten, sind eine neuen Formensprache gewichen. Geboren 1968 in Weida, Thüringen wuchs er in der DDR auf und flüchtete 1988 in die Bundesrepublik. Er begann eine künstlerische Ausbildung an der Werkbund Werkstatt Nürnberg, und setzte sein Studium an der Kunsthochschule Kassel und später bei Per Kirkeby an der Städelschule Frankfurt fort. Die stetige Hinterfragung und gleichzeitige Einnahme der überhöhten Geste des Malergenies ist verschwunden. Auch seine ganz persönlichen Krisen scheinen überwunden und Fock ist in einen neuen Lebensabschnitt eingetreten, in der er auch bereit ist Vergangenes loszulassen. Fock tritt, so hat man den Eindruck, zurück und überlasst der Entität der Landschaft die Hauptrolle. Doch unmissverständlich spielt er dabei eine große Qualität als Künstler aus – die Kenntnis und das Können diese Erfahrung des Landschaftlichen in Malerei umzusetzen. Sie überzeugt, macht viele Räume und Themen auf und schreibt sich auf vielen Ebenen beim Betrachter ein. Man kann sich den Bildern nicht entziehen, so lösen etwas aus, das man im Verborgen erahnt, im Alltag jedoch zumeist tief vergräbt – und sie verführen zu einem längeren Betrachten.

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Fingerarbeit und Präzision

Entstanden sind diese neuen Werke in Dänemark, in Kopenhagen und Vejby wo Fock neben Bamberg heute lebt und arbeitet. 2022 waren die Papierarbeiten und großformatigen Malereien bereits in der Münchner Galerie Wolfgang Jahn zu sehen und sind nun nach einem erfolgreichen Auftakt mit Zeller von Almsick auf der Wiener Kunstmesse SPARK auch in den Räumen der Galerie am Franz Josefs Kai 3 zu sehen. Die Papierarbeiten sind, man glaubt es kaum aufgrund ihrer farblichen Nuancierung und Präzision, sämtlich mit den Fingern gemalt. 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Romantisierung der äußeren und inneren Wirklichkeit

„Hör auf, schöne Bilder zu malen“, hat Carsten Fock einmal von einem seiner Lehrer gesagt bekommen. Mehr als zwanzig Jahre später scheint er diesen Rat ernst genommen zu haben, wenn auch nicht, indem er ihn einfach akzeptiert hat. Er hinterfragte ihn, um herauszufinden, ob und wie Schönheit einen Platz in Bildern haben kann, ohne dass sie an Kraft oder Glaubwürdigkeit verlieren. In „Psyche und Landschaft“, seiner ersten Ausstellung bei Zeller von Almsick, präsentiert der deutsche Künstler Werke, in denen die Schönheit von etwas anderem begleitet wird. 

Der Künstler ist sich bewusst, dass eine attraktive Farbpalette, besonders wenn sie ein abstraktes Vokabular schmückt, zu viel des Guten werden kann. Dennoch geht er das Risiko ein, sich ihr zu nähern, auch auf die Gefahr hin, die Grenze zu überschreiten.

Jurriaan Beschop

 Bedeutet dies letztlich, dass der Kunst die Mittel fehlen, die Natur in ihr Medium zu übersetzen, ohne in eine banale oder gar romantische Beschreibung zu verfallen? Dass beide voneinander unabhängige Systeme sind, in der die reale Natur in Widerspruch zur Kunst steht? Doch die Widerlegung dieser Frage war und ist stets Teil eines zeitimmanenten Kunstdiskurses, erzählt dieser doch vom Dialog zwischen einer äußeren und inneren Wirklichkeit. Die Suche nach einer adäquaten Form der Darstellung muss letztlich zu einer Loslösung von einem literarisch bestimmten Bild führen. Die Sinneseindrücke der Natur, der Sonnenuntergang, das Lichtspiel an der Wasseroberfläche, werden zu einem reinen Farbdiskurs. Nur so gelingt es dem Künstler die Wahrnehmungen von Sinneseindrücken, die plötzlich auftauchen und auf nichts als sich selbst verweisen, einzufangen und dem Betrachter eine Ahnung für die Essenz des Seins zu vermitteln.

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Diese kann dunkel und bedrohlich sein, hell und strahlend, lyrisch und rockig, punkig und sensitiv. Fock geht es nicht um das Auratische, nicht um das Schwärmen über den Sonnenuntergang, sondern um die Übersetzung der Natur in eine Bildform jenseits des Repräsentativen und Narrativen. Den eigentlichen Dialog mit der Natur führt der Maler auf der Leinwand, dort wo Vorbild und reine Form aufeinandertreffen, dort wo das Empfundene und Erfahrene der Wahrnehmung umgesetzt wird, ohne die Farbe als beschreibendes Element einzusetzen. Landschaftliches lässt maximal erahnen. Nicht die Suche nach den Motiven steht im Vordergrund, diese sind in Hülle und Fülle vorhanden, noch spiegeln die Bilder Gefühlslagen ihres Autors wider, sondern die Frage, wie es gelingt diese in eine andere Realität – in jene des Bildes zu übersetzen und damit zugleich die Parameter der Malerei zu benutzen, den immanenten Phänomenen der Farbe nachzuspüren. Wie verändert sich das Gelb, wenn daneben ein Grün erscheint, was passiert auf der Farbfläche, wenn eine Linie, diese begrenzt oder durchzieht? 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Das Bild beginnt zu vibrieren, sich zu bewegen und neue Farbnuancen zu entwickeln. Auch wenn wir den Bildern von Carsten Fock rein formal begegnen können, so darf man dabei nicht vergessen, dass er als Künstler stets noch immer politisch denkt und agiert. Naturgemäß nicht im Sinne eines Kommentars zur Tagespolitik, das wäre zu banal. Vielmehr geht es ihm um das größere Ganze, um ein Bewusstsein für die wichtigen Werte, um Selbstermächtigung ebenso wie um die Gemeinschaft und die Empathie. Auch wenn uns diese Bilder zu Stille gemahnen, trotz ihrer oft dramatischen farblichen Turbulenzen, so machen sie nicht sprachlos, sondern fordern uns geradezu auf einen Moment innezuhalten und unser Tun zu überdenken.

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Ausstellungsansicht Carsten Fock "Psyche und Landschaft", Galerie Zeller van Almsick, Foto: Simon Veres 

Zeller van Almsick

Franz-Josefs-Kai 3/16, 1010 Wien
Österreich

PSYCHE & LANDSCHAFT
Carsten Fock

bis 1. Juni 2024

ARTIST TALK mit Carsten Fock und Kurator Jurriaan Benschop
27. April, 16 Uhr

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