Wozu eigentlich Fernsehflohmärkte?
Fernsehflohmärkte boomen. „Bares für Rares“ verzeichnet in Deutschland Rekordquoten, im ORF sucht man mit „Was schätzen Sie“ und „Wunder oder Plunder“ neues Publikum. Doch worin liegt eigentlich der Zauber solcher Shows, was interessiert die junge Seherschicht an altem Tand? Ein Kommentar zu den „Trödel-Shows“.
Mehr als 900 Folgen, durchschnittlich über 3 Millionen Zuseher, Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis – „Bares für Rares“ hat nicht nur ZDF-Fernsehgeschichte geschrieben. Mit einem Marktanteil von etwa 17 bis 25 Prozent bedient die Show ein Publikum, von dem andere Primetime-Producer nur träumen können. Was 2013 als Geheimtipp begonnen hat, ist mittlerweile zum Dauerbrenner geworden, noch immer gehen pro Woche zwischen 500 und 1.000 Bewerbungen im Postfach der Redaktion ein.
Dabei ist das Format nicht wirklich neu. Schon vor Jahren fragten Hessischer Rundfunk und SWR „Kitsch oder Kunst?“ bzw. „echt antik?!“, ebenso durchziehen „Trödel-King“ und „Trödeltrupps“ mit ihrem Gefolge die TV-Landschaft, stets auf der Suche nach als Plunder getarnten Schätzen. Auch hierzulande kennt man den neuen Wert der alten Dinge, greift im ORF mit „Was schätzen Sie“ (mittlerweile 100 Folgen) oder „Wunder oder Plunder“ (seit September) nach einer ähnlichen Seherschicht und lässt auf ServusTV mit „Bares für Rares Österreich“ einen Ableger des deutschen Hits aufblühen. Selbst in Großbritannien schätzt man den Zauber des „Real Deal“, in den USA sind „Antique Roadshows“ oder „Storage Auctions“ ebenso begehrtes Fernsehgold. Launige Moderatoren und zum Teil skurrile Händler sorgen dabei für massentauglichen Unterhaltungswert, Experten würzen die inhaltlich unterschiedlichen Skripte mit einer Prise Hochkultur, kontextualisieren den kulturellen wie den historischen Stellenwert der Objekte und machen die künstlerische Verarbeitung der Exponate nachvollziehbar.
In der Hoffnung selbst einmal im Hauptabendprogramm aufzutreten, lassen viele dann das renommierte Auktionshaus liegen und pilgern stattdessen– mit Dollarzeichen in den Augen – zum Fernsehstudio. Vielleicht ist Opas streng gehütete Lieblingsmünze doch einige tausend Euro wert? Möglicherweise findet sich auf dem verstaubten Gemälde der Erbtante eine heißbegehrte Signatur?! Und während der Zuseher noch gemütlich über das Gerümpel aus Nachbars Keller herzieht, aktiviert sich sein Schatzsucher-Gen, treibt ihn dazu, den Ramsch am eigenen Dachboden nun doch endlich aufzuräumen. „Schätz dich reich“ lautet scheinbar die Devise. Doch neben der Aussicht auf das schnelle Geld und die Aufbesserung der Urlaubskasse bedienen diese Antik-Shows noch ein anderes, universelles Bedürfnis: Die Menschen des digitalen Zeitalters sehnen sich nach dem „Echten“, nach Objekten, die nicht in Massen produziert werden, sondern Geschichten erzählen, die in Krisen- und Pandemiezeiten Erinnerungen an Opa und Oma wachrufen. Gerade jüngere Zuseher (Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen: ca. neun Prozent) lassen sich von diesem Nachhaltigkeitsgedanken vor die Bildschirme locken. Der ideelle Wert tritt dann aber in harte Konkurrenz zum materiellen – mit „Lieb und Teuer“ und unbeschwerter Nostalgie ist gegen Barzahlung eben schnell auch wieder Schluss.