Anselm Kiefer, The Seven Heavenly Palaces, 2004-2015, Permanente Installation, Pirelli HangarBicocca, | Foto: PARNASS

Rund um die Messe hat sich in Mailand ein umfangreiches Ausstellungsprogramm entwickelt, das sowohl mit Gegenwartskunst aufwartet als auch mit kunsthistorischen Ausstellungen und umfassenden Personalen. Ein kurzer Blick auf die Highlights.

 


Hypervisuality I Palazzo Dugnani

Das Event in Venedig zur Art Week war mit Sicherheit die Ausstellung „Hypervisuality“ mit Videoarbeiten aus der Sammlung Wemhöner, zu der zahlreiche Freunde des deutschen Sammlers anreisten, ebenso einige der Künstler. Unter dem Zusatztitel „Making the invisible visible“ sind Videoarbeiten von Issac Julien, Masbedo, Julian Rosenfeld und Yang Fudong im Palazzo Dugnani zu sehen.

Der bislang leerstehende beindruckende Palazzo wird, so Heiner Wemhöner, erstmals für Kunst benutzt, die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Commune di Milano. Das Zusammenspiel der historischen Räume mit den großen Videowalls beeindruckt, ebenso wie die Videos selbst.

Masbedo, Fragile, 2016, EInkanalvideo, Installationsansicht, Hypervisuality, 2019, Palazzo Dugnani | Foto: PARNASS 

Masbedo, Fragile, 2016, EInkanalvideo, Installationsansicht, Hypervisuality, 2019, Palazzo Dugnani | Foto: PARNASS 

Vor allem der Dialog von Mabedos Video „Fragile“ mit den historischen Fresken des Palazzo bietet ein visuell höchst vergnügliches Zusammenspiel. Die Sammlung selbst ist seit den 1990er-Jahren entstanden und umfasst internationale Positionen aus Fotografie, Skulptur und Malerei.

Das man in Mailand ausschließlich Videos zeigt ist den restauratorischen Anforderungen des Palazzo geschuldet, so Heiner Wemhöner. Auch wenn die Ausstellungen nur einen Bruchteil seiner Sammlung zeigt, so ist gerade der Fokus auf wenige – dafür umso eindrücklichere – Videoarbeiten sehenswert.

Bis 14. April 2019

Yang Fudong, New Woman, 2013, Fünf-Kanal-Video, Hypervisuality, 2019, Palazzo Dugnani | Foto: PARNASS

Yang Fudong, New Woman, 2013, Fünf-Kanal-Video, Hypervisuality, 2019, Palazzo Dugnani | Foto: PARNASS


Anna Maria Maiolino I PAC Padiglione d´Art Contemporanea

Insgesamt bemerkenswert ist die Präsenz von Künstlerinnen während der Mailänder Art Week. So präsentiert etwa PAC Padiglione d´Art Contemporanea eine Überblicksausstellung der in Italien geborenen, und seit den 1970er Jahren in Brasilien lebenden Anna Maria Maiolino.

Zu sehen sind sowohl neue Installationen als auch Werke der 1990er- Jahre bis hin zu den frühen Arbeiten aus den 1970ern, die zeigen, wie Maiolino die feministische Kunst antizipierte, jedoch auch mit der Formensprache der damals in Südamerika etablierte Konkreten Kunst experimentierte. In der Folge entwickelte Maiolino ein Repertoire an Formen, das sie sowohl in poetischen Tuschezeichnungen, als auch in ihrer Malerei und den Tonobjekten umsetzt. Zusammengestellt wurde die Schau vom Kurator des PAC Diego Sileo.

Anna Maria Maiolino I PAC Padiglione d´Art Contemporanea, Ausstellungsansicht, 2019 | Foto: PARNASS

Anna Maria Maiolino I PAC Padiglione d´Art Contemporanea, Ausstellungsansicht, 2019 | Foto: PARNASS

Er ist ein ausgewiesener Experte für Süd- und Lateinamerikanische Kunst und brachte daher schon viele dieser Positionen nach Italien. Auch das Gebäude selbst ist interessant in seinem Mix aus Elementen der Architektur der 1960er- Jahre mit modernen Ausstellungsräumen. Geschuldet ist dies einem Bombenanschlag, der das Gebäude schwer beschädigte und eine Renovierung notwendig machte. Zugleich war der Neubau auch ein Anlass so Sileo auch das Programm in eine neue Richtung zu entwickeln.

Bis 9. Juni 2019

Anna Maria Maiolino I PAC Padiglione d´Art Contemporanea, Ausstellungsansicht, 2019 | Foto: PARNASS

Anna Maria Maiolino I PAC Padiglione d´Art Contemporanea, Ausstellungsansicht, 2019 | Foto: PARNASS


Lygia Pape I Fondazione Carriero

Ebenfalls aus Brasilien stammt Lygia Pape, die in der Fondazione Carriero gezeigt wird, zusammengestellt und kuratiert von Francesco Stocchi. Es ist die erste Solopräsentation der Künstlerin in Italien, eine der führenden Positionen der brasilianischen neokonkreten Kunst, organisiert in Zusammenarbeit mit Projeto Lygia Pape. Pape, die 1927 in Rio de Janeiro geboren wurde, verstarb 2004. Die Fondazione Carriero präsentiert sowohl Positionen wie Sol LeWitt oder Pape, ebenso wie auch junge Künstler und Künstlerinnen in ihren eindrucksvollen Räumen.

Allerdings nicht die Sammlung ihres Gründers Giorgio Carriero. Es geht nicht darum eine Privatsammlung zu zeigen, sondern vielmehr will man mit der Fondazione ein Plattform kreieren, wo Kunst gesehen werden kann und auch in Italien wenig bis kaum bekannte Positionen gezeigt werden, ergänzt durch ein spezielles Bildungsprogramm. Die Ausstellungsräume befinden sich im Backsteinbau Casa Parravicini, eine der wenigen privaten Häuser Mailands die um 1400 gebaut wurden.

bis 21. Juli

 

Lygia Pape I Fondazione Carriero, Ausstellungsansicht, 2019, Foto: PARNASS

Lygia Pape I Fondazione Carriero, Ausstellungsansicht, 2019, Foto: PARNASS


Pirelli HangarBicocca

Das absolute Must See ist der Pirelli HangarBicocca. Situiert in einer ehemaligen Fabrik für Lokomotiven werden unglaubliche 15.000 Quadratmeter mit Kunst bespielt. Die Reifenfabrik agiert als Mäzen und stellt die Räume Künstlern zur Verfügung, deren Ausstellungen bei freiem Eintritt zu besichtigen sind. Unter dem Motto: „Our mission is to make art accessible and open to everyone“. Die Non-Profit Foundation wurde 2004 gegründet.

Neben den Ausstellungen bietet es zudem ein kulturelles Programm von Konzerten, Talks, Film- und Videovorführungen, Performances usw. an. Zwar außerhalb des Zentrums lohnt die weite Anreise allemal. Empfangen wird man von der Skulptur „La Sequenza“ von 1981 des italienischen Bildhauers Fausto Melotti (1901–1986). Die Ausstellungsfläche ist in drei Abschnitte geteilt: Shed, Navate und Cubo. In der Shed-Halle werden regelmäßig junge Künstler gezeigt.

Sheela Gowda, Remains, 2019, Ausstellungsansicht, Pirelli HangarBicocca, Milan | Foto: PARNASS 

Sheela Gowda, Remains, 2019, Ausstellungsansicht, Pirelli HangarBicocca, Milan | Foto: PARNASS 

Aktuell die Ausstellung „Cittàmilano“ des 1979 in Venedig geborenen Giorgo Andreotta Calo. 2017 repräsentierte er Italien auf der 57. Biennale von Venedig und zeigte ein großräumige Installation im Arsenale. Im Hangar präsentiert er erstmals eine Zusammenschau seines Werkes. Im Navate ist die beeindruckende Ausstellung der indischen Künstlerin Sheela Gowda „Remains“ zu sehen, kuratiert von Nuria Enguita und Lucia Aspesi. Gowda zeigt sowohl ältere Arbeiten als auch neue, für die Halle entwickelte Werke. Sheela Gowda erhält 2019 den Maria Lassnig Preis – die Preisverleihung findet am 7. Juni in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München statt. Gowda wurde 1957 im indischen Bhadravati geboren.

In ihren Arbeiten nützt sie Alltagsmaterialien oder Materialien aus denen diese gefertigt werden – und weist darin unmissverständlich auf gesellschaftlich-politischen Gegebenheiten hin, wie insbesondere auch auf die erschwerten Arbeitsbedingungen für Frauen in der indischen Gesellschaft. Das Besondere ihrer Installationen ist die farbliche Zusammenstellung und die Hereinnahme des olfaktorischen Aspekts. So schwebt auch im Hangar der Geruch von Reifen und verbranntem Ton in der Luft und gibt der Ausstellung ihre ganz besondere Atmosphäre.

Der Pirelli HangarBicocca beherbergt darüber hinaus die permanente Präsentation von Anselm Kiefers größter ortspezifischer Installation „The Seven Heavenly Palaces“, die 2004 bis 2015 im Auftrag des Pirelli HangarBicocca entstand. Riesige Leinwände korrespondieren mit den sieben Türmen, die zwischen 14 und 15 Metern in die Höhe des Raumes ragen. Der Titel bezieht sich auf die Hebräische Schrift Sefer Hechalot aus dem 4. und 5. Jahrhundert.

Bis 15. September

Anselm Kiefer, The Seven Heavenly Palaces, 2004-2015, Permanente Installation, Pirelli HangarBicocca, | Foto: PARNASS

Anselm Kiefer, The Seven Heavenly Palaces, 2004-2015, Permanente Installation, Pirelli HangarBicocca, | Foto: PARNASS


Unexpected Subjet I Frigoriferia Milanesi

In dieser Reihe der Ausstellungen ist auch die Schau „Unexpected Subjet“ zu nennen, die in der Frigoriferia Milanesi zu sehen ist. Sie zeigt Feministische Kunst der 1970er-Jahre aus Italien mit internationalen Referenzbeispielen, darunter Renate Bertlmann, Valie Export, Gina Pane, Carolee Schneemann und Marina Abramovic. Zum erstenmal haben die beiden Kuratoren Marco Scotini und Raffaela Perna eine Zusammenschau dieser Art zusammengestellt, die den engen Zusammenhang zwischen bildender Kunst und feministischer Bewegung in Italien zeigt. Eindrucksvolle Werke, die auch dokumentieren, dass die Themen die von den Künstlerinnen aufgegriffen wurden, durchaus internationale Parallelen haben – von Mutterschaft, Identität, Genderfragen bis hin zu Körperwahrnehmungen.

bis 26. Mai

Unexpected Subjet I Frigoriferia Milanesi, Ausstellungsansicht 2019 | Foto: PARNASS

Unexpected Subjet I Frigoriferia Milanesi, Ausstellungsansicht 2019 | Foto: PARNASS


Fondazione Prada

Die Genderthematik in einer schrillen Form steht bei Fondazione Prada im Mittelpunkt. Das queere Duo Lizzi Fitch und Ryan Trecartin bespielen mit ihre Schau „Whether Line“ nahezu das gesamte Gelände und zeigen audiovisuelle Installationen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Man schwankt zwischen interessiert und amüsiert und wähnt sich im kunterbunten Kinderspiel, das zudem auf die Fragilität der Natur hinweisen will. Ein wenig viel auf einmal. Sehenswert auf jeden Fall der Torre mit seinen großzügigen Ausstellungsräumen mit Arbeiten von Carsten Höller, Damien Hirst, Walter de Maria, Michael Heizer – also alles was Rang und Namen hat, darunter natürlich auch ein Jeff Koons. Darüber hinaus hat man eine gute Aussicht über die Stadt und auf die Berge nahe Mailands.

Zur Website

Lizie Fitch & Ryan Trecartin, Whether Line, Ausstellungsansicht, 2019, Fondazione Prada | Foto: PARNASS 

Lizie Fitch & Ryan Trecartin, Whether Line, Ausstellungsansicht, 2019, Fondazione Prada | Foto: PARNASS 

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