Waldeinsamkeit in Schwabing: And the FORESTs will echo with laughter …

Mit der Zeile aus einem Song von Led Zeppelin „And the FORESTs will echo with laughter ...“ lädt die ERES-Stiftung mitten in München zum Waldspaziergang ein. Vogelgezwitscher dringt bereits aus der Buchenhecke vor dem Eingang und geleitet in eine abstrakte Waldlandschaft ohne Bäume, die den Lebens- und Ideenraum Wald von unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet.


Im Fokus der Ausstellung steht der Wald als sozialer Raum. Sein Ökosystem basiert auf Vernetzung, Information und Kommunikation, Austausch und Symbiose. Die komplexen Prozesse finden im Verborgenen statt, für uns nicht sichtbar, und dennoch sind sie nicht nur für die beteiligten Organismen lebenswichtig. Der Wald ist Wirtschaftsgut, Lebensraum, Sauerstoffproduzent, CO- und Wasserspeicher, aber auch Sehnsuchtsort, mystischer Raum und Gegenentwurf urbaner Zivilisation, und spielt für den Menschen eine essenzielle Rolle.

Zeitgenössische künstlerische Positionen eröffnen unerwartete Zugänge in das Bedeutungsdickicht Wald, ergänzt durch naturwissenschaftliche Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Forschungsfragen rund um den Wald.

Zuerst besteht noch eine sichere Distanz zwischen dem Betrachter und dem geheimnisvollen Wald in den Gewölben der ERES-Stiftung. Man beginnt den Waldspaziergang aus dem Inneren einer Holzhütte. Durch zwei Fenster kann man sich rechts das dichte Geäst vor zwei weiteren Fenstern ansehen und links einen Blick auf zwei kuriose Plüschgestalten werfen, die sich über Stock und Stein durch eine schweizerische Gebirgslandschaft bewegen.

Sobald man durch die Tür tritt, dringen Waldgeräusche ans Ohr – ein trommelnder Specht und Blätterrascheln über einer Klangwolke aus Naturrauschen. Sound- und Videoinstallationen, Fotografie, skulptural anmutende Baumrinde und Arbeiten auf Papier säumen den Weg, während man weiter ins Innere vordringt.

Dramatische Filmmusik lockt in den hintersten Raum wie Irrlichter in die Tiefen des Waldes, vorbei an Martin Kippenbergers Arbeit „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“, die augenzwinkernd in den Trip durch die seltsam unbelebten Szenarien eines mystischen bis unheimlichen Waldes überleitet. „Mastering Bambi“ von Persijn Broersen und Margit Lukács konstruiert die Disney-Kulisse virtuell nach, erinnert aber eher an düstere Landschaften der Romantik.

Martin Kippenberger, Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald, 1993, Holz, Kunststoff, Siebdruck, Glas, Messing, 173 x 160 x 71 cm © Sammlung Johann Widauer, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber

„And the FORESTs will echo with laughter …“ entführt in den Wald als Natur- und Projektionsraum und offenbart verschiedene Bedeutungen, die der Mensch um diesen Lebensraum konstruiert – vom Zufluchtsort bis zum Ort, der eher Fluchtinstinkte weckt.

Schon die die Besucher empfangende Rauminstallation „Im Tiefen Wald“ des österreichischen Bildhauers Hans Schabus vereint beide Empfindungen und schlägt die Brücke zum anschließenden Werk gleich auf mehreren Sinnesebenen – die Filminstallation „Two Cabins“ von James Benning zeigt nachgebildete Ausblicke aus den simplen Behausungen zweier so berühmter wie konträrer US-amerikanischer Aussteiger: Henry David Thoreau, der seinen alternativen Lebensstil 1854 in „Walden“ niederschrieb, und „Unabomber“ Ted Kaczynski.

Antje Majewski, links: Kleine Passagen (1), 2019, Öl auf Leinwand, 160 x 120 cm © Antje Majewski / VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Courtesy the artist and neugerriemschneider Berlin, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber

Auf der anderen Seite huldigen Peter Fischli und David Weiss im Panda- und Rattenkostüm der Schönheit der Natur.

Wie eine Höhle im Stamm eines Urwaldgiganten wirkt Markus Maeders Installation „Espírito da floresta“, in die man kriechen und wo man unter der Projektion eines grünen Blätterdachs Geräuschen des Amazonas-Regenwaldes lauschen kann, die sonst akustisch nicht wahrnehmbar sind. Maeder überträgt Daten zum CO₂-Gehalt in Ton. Neben der vertrauten Geräuschkulisse des Regenwaldes (nuanciert in Zonen vom Wurzelbereich bis zur Krone) mischen sich zur Sonifikation dank Spezialmikrofonen auch die Klänge kleinster Lebewesen und erzeugen eine Hymne der Biodiversität.

Der Komponist John Cage hingegen dichtete, notierte, zeichnete für sein „Mushroom Book“, in das er außerdem die präzisen Lithografien der Künstlerin Lois Long und wissenschaftliche Einträge des Mykologen Alexander H. Smith mit einband und zu einer interdisziplinären Pilzbetrachtung verschmolz.

Daniel Roth, Encounters at a Possible End of the Inner Chambers, 2010, Rindenmantelobjekt: Stoff, Leim, Epoxy, Rinde, Moos, Metall, 210 x 100 x 60 cm © Daniel Roth, Courtesy Meyer Riegger, Karlsruhe, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber

Mit menschlichen Eingriffen in die Natur und daraus bedingten Veränderungen beschäftigen sich unter anderem Michael Sailstorfer und Tue Greenfort. Während Sailstorfer die Flächen eines imaginären Kubus in einem Stück Wald von allem befreit, was sich auf der Oberfläche von Boden und Stämmen angesiedelt hat („Waldputz“), und diesen surrealen Zustand von absehbarer Dauer fotografisch dokumentiert, nimmt Greenfort eine künstlerische Feldforschung auf. In einem Frankfurter Industriegebiet lockt er 2001 Rotfüchse mit Wurst in eine Fotofalle und porträtiert damit die urbanen Füchse, derer es in Deutschland laut Untersuchungen inzwischen bedeutend mehr gibt als im Wald.

Der ebenfalls surreale Anblick des Wörthersee Stadions im Herbst 2019 ist sicherlich vielen noch deutlich vor Augen. Klaus Littmanns Intervention „For Forest“, für die er letztes Jahr einen europäischen Mischwald mitten ins Klagenfurter Stadion verpflanzte, lebt hier als beleuchtete Fotografie und im Modell nochmals auf.

Persijn Broersen & Margit Lukács, Mastering Bambi, 2010, 1-Kanal-HD-Video, Farbe, Ton, 12:30 Min., Privatsammlung © the artists / AKINCI, Amsterdam, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber

Insgesamt wurden 20 Positionen aus dem Zeitraum von 1972 bis 2020 ausgewählt, um sich dem „sozialen Raum“ Wald aus verschiedenen Perspektiven anzunähern. Bewundernde und faszinierte Blicke auf die Schönheit, die von diesem hochkomplexen Ökosystem ausgeht, verbinden sich mit wachsamem Bewusstsein für dessen sensibles Gleichgewicht und globale Bedeutung. Der lange währenden Beziehung zwischen Mensch und Wald wird sowohl realistisch wie assoziativ, traditionell wie modern und mit allen Sinnen nachgespürt.

Begleitet wird die Ausstellung von einer Vortragsreihe zu aktuellen Forschungsfragen rund um das Ökosystem Wald, die (nicht nur) die Naturwissenschaft derzeit bewegen.

 


TIPP: GREEN HOUR

Es ist Sommer und überall leuchten die Wälder in sattem Grün. Das nimmt die ERES-Stiftung zum Anlass für ein besonderes Summer Highlight: die GREEN HOUR!

Ab Juni 2021 ist die Ausstellung „And the FORESTs will echo with laughter ...“ zusätzlich jeden Donnerstag von 18 – 21 Uhr geöffnet, so dass auch Berufstätige die Gelegenheit haben, die Schau zu sehen.

Vor oder nach Ihrem Besuch können Sie sich in unserem kleinen Garten bei einem kühlen "Waldmeister-Drink" über die Ausstellung unterhalten.

John Cage, Mushroom Book, 1972 (mit Lois Long und Alexander H. Smith), Illustriertes Buch mit 20 Lithographien (Detail), Privatsammlung © 2020 John Cage Trust, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber

 

ERES-Stiftung

Römerstraße 15, 80801 München
Deutschland

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