Verena Dengler im STRABAG Kunstforum

Verena Dengler: Für mehr Größenwahn unter Frauen

Verena Dengler, Preisträgerin STRABAG Art Award 2018 © Eva Kelety

Historismen, Politizismen, Feminismen, et cetera pp. Eben alle jene Gebiete welche die Kunsthistorischen "Ismen" um den Universalanspruch erweitern, sind Verena Denglers Revier. Denn nicht nur ist Dengler selbsternanntes "Universalgenie", auch ihre Kunst nimmt sich selbst-, medien- und milieureflexiv ernst genug universale Themen in einzelnen Einschnitten zu thematisieren und so vielleicht eine größere Neubetrachtung anzustiften. Obwohl sich Verena Dengler eigentlich in keine formalen Zuschreibungen einpassen lässt, sabotiert sie aktuell im STRABAG Kunstforum den Zuschauer indem sie "Malerei" verspricht und dann aber einiges mehr liefert, so torpediert sie eben gerne die vermeintlichen Regeln der Kunst.


Wenn "Malerei" ist, was an die Wand passt, dann trifft der kurze Titel die komplexe Ausstellung der Preisträgerin des "STRABAG Artaward International 2018" Verena Dengler ziemlich genau auf den Punkt. "Ich wollte dreidimensionale Arbeit im Medium Malerei ausprobieren", erzählt die 1981 in Wien geborene Künstlerin. Kaum verwunderlich also, dass die eine oder andere Arbeit in den Raum marschiert und über den Rand hinauswächst oder gar ein Pinselferner Druck ist.

Im Rahmen bleiben würde aber irgendwie auch nicht zu Verena Dengler passen. "Jede Leinwand spannt bei ihr ein weites Feld", meinte auch Barbara Rüdiger in ihrer Laudatio zur Ausstellungseröffnung. Hier trägt Dengler nun in Wien zusammen was in Teilen schon international präsentiert wurde. In der Ausstellung "American Painting" in Los Angeles etwa. Einige der Arbeit aus der dortigen Show in der Thomas Duncan Gallery bilden nun auch einen Kern der hiesigen Ausstellung.

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety


"Ich tu mir schwer im Flachen zu bleiben."

Verena Denglers Werke, die einen leisen Kampf eröffnen, der vor allem mit Ironie ausgefochten wird. Sie gehen in den Ring mit den zumeist männlichen Formalisten, die den Kunstmarkt der letzten Jahre und Jahrzehnte so gut im Griff hatten. Jenen Protagonisten des "Zombie Formalismus", ein von Walter Robinson geprägter Begriff für die generischen Abstraktionen auf Leinwand, die blind für den Markt erzeugt werden. In diesem Geiste referenziert sie zum Beispiel auch auf Keith Farquhar’s Neon Vaginas oder auf die vermeintlichen Heroen Falco und Pete Doherty. Für die Kunst des Teenie-Helden der 90er und 00er Jahre – textlastige Collagen und Drip Paintings aus Blutspritzern – könnte man fast meinen hegt sie ein gewisses Mitleid. Schließlich steht da rechts unten auf der Leinwand, die auch sein Konterfei trägt, "Ad Mercy". Das war nicht immer so. "Die Zeit malt das Bild", so die Künstlerin, für die die Leinwände flexible Variablen zu stellen scheinen, denn sie können sich mit den Umständen ändern. Der Zusatz "Ad Mercy" kam erst im Zuge der Ausstellung in der Kunsthalle Bern zur Arbeit "500 Jahre Reformation" dazu. Den Schweizer Umstand der Ausstellung geschuldet wurde der Zusatz angebracht – "'Adé merci', sagten die Schweizer immer", lenkt Verena Dengler ein, ehe man zu viel hineininterpretieren will in ihre Beziehung zu Männern wie Doherty.


Digital Natives und naive Digitalkunst

Dass sie den Macho-Posen der jüngeren Pop-Kulturgeschichte ein bisschen mehr Umsicht einimpfen will ist aber auch an anderen Ausstellungsecken deutlich. So interessiert sich Dengler auch für das zeitgeistige Phänomen der Computer Ästhetik. Über alte Arbeitsunterlagen ihres vor zwei Jahren verstorbenen Beamtenvaters geht sie zurück in die Zukunft und nimmt aktuelle Trends vorweg. Ganz unprätentiös über die Mittel der Reproduktion und Rekontextualisierung. Leise Kommentare mit lauten Botschaften, weniger mit Augenzwinkern als mit Pokerface formuliert.

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety

Nicht nur mit Blick auf die Konkurrenz, nein, ganz im Allgemeinen plädiert Dengler für mehr Größenwahn unter Frauen. Denglers Erweiterung der Konventionen der Malerei mit "Querverweisen auf das Kunsthandwerk", kann, so Barbara Rüdiger, "als Hommage an den feministischen Pioniergeist" gelten. Auf manchen ihrer Leinwände finden sich so beispielsweise Stickereien – Indizien nicht nur dafür wie breit aufgestellt Künstlerinnen, wie Dengler, schon lange arbeiten, sondern auch dafür wie sie Techniken des Digitalen längst auf ihre analoge Art anwandten, schließlich ist ein in Pixel aufgebautes Bild der Handarbeit ähnlicher als man es oft erst wahrnimmt.

Nicht nur mit Blick auf die Konkurrenz, nein, ganz im Allgemeinen plädiert Dengler für mehr Größenwahn unter Frauen.

Paula Watzl

Mit Wahrnehmungen beschäftigt sich auch die neu für die Ausstellung entstandene Serie an Aquarellen aus Spitzbergen. In einer Reise, die der Ausstellungsbesucher auch in den persönlichen Fotografien der Künstlerin nachvollziehen kann, begegnet Dengler den absurden Geschichten und Relikten der aufgebenden russischen Geistersiedlungen. Die ungewohnt zarten Arbeiten paraphrasieren die vom Menschen gesetzten Brüche in der Naturromantik auf synthetischem Papier.


Bildungsvorsprung gepaart mit Bescheidenheitsgeiz

Alltags-, Bild-, aber auch Sprachästhetik beschäftigen Dengler in ihrem Facettenreichtum. Und auch in ihren Talenten lässt sie sich nicht einschränken. Aktuell schreibt sie etwa Opernkritiken für den Standard und tritt als Schauspielerin im Musikvideo Hyäne Fischers auf. Außerdem entwickelte sie für die aktuelle Spielzeit des Berliner Ensambles gemeinsam mit Dominique Wiesbauer das Bühnenbild und die Kostüme für das Stück "Revolt. She said. Revolt again./Mar-a-Lago." inszeniert von Christina Tscharyiski.

2014 erschien begleitend zur Galerieausstellung bei Meyer Kainer das Essay "Dengled Up In Blue", wo sie sich selbst über ein Alter Ego begegnet und sich quasi im Spielbild lobt. Dabei kommt inzwischen mehr als genug Lob von außen – nicht nur den "STRABAG Artaward International 2018" nahm sie als Hauptpreisträgerin entgegen, im letzten Jahr wurde sie auch vom Bundeskanzleramt mit dem "outstanding artists award" geehrt.

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety

Verena Dengler, Malerei, 2019, Ausstellungsansicht, STRABAG Artlounge, Wien | Foto: Eva Kelety


"Das Dreckige interessiert mich"

Denglers Werke sind nicht die glatten oberflächlichen Schönheiten, in die man sich auf den ersten Blick verliebt. Schön sind sie in ihren Tiefen, Gleichzeitigkeiten und ausgefransten Enden. Man könnte von Konzeptkunst sprechen, die an den Wänden vortäuscht bloß "Malerei" zu sein. Denglers Werk bündelt das Radikale im Banalen und vice versa, dabei sind Referenzen ihr Degen und die Messages stets pointiert.

STRABAG KUNSTFORUM

Donau-City-Strasse 9, 1220 Wien
Österreich

Bis 8. Februar 2019

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