Sterblich Sein im Dom Museum Wien
Der Tod betrifft alle. Er ist das Thema der menschlichen Existenz schlechthin. Noch bis August befragt das Dom Museum Wien die Sterblichkeit.
Die von Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, gemeinsam mit Klaus Speidel kuratierte Ausstellung befasst sich auf sensible Weise mit dem unausweichlichsten Bestandteil des Lebens, dem „Sterblich-Sein“.
5 Aspekte der Sterblichkeit
In einem kulturhistorischen Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart zeigt sie die tiefe Bedeutung des Todes nicht nur im individuellen, sondern auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext. Wie auch in den bisherigen Ausstellungen entwickeln die Kuratoren keine chronologische Geschichte, sondern nähern sich dem Thema anhand der Gegenüberstellungen von Werken unterschiedlichster Kunstepochen an. Den Einstieg in das Thema bildet „Die Kunst des guten Sterbens“ ein Buch, das 1761 vom Benediktinermönch Notker in St. Gallen verfasst wurde und die Praktiken der Meditation im Hinblick auf den Prozess des Sterbens und das Leben nach dem Tod darlegt. Es wird im Kontext von Timm Ulrichs Arbeit „The End“ und einer Fotografie von Eva Schlegel gezeigt, die durch einen fernen Lichteinfall Assoziationen zur Nahtoderfahrung hervorruft. Einen weiteren Dialog bildet das Tafelbild „Ce n´est qu´un au revoir“, des senegalesisch-französischen Alexandre Diop, das der „Weinende Maria“, einem Frühwerk des Italieners Giovanni Giuliani aus dem Jahr 1694, gegenübergestellt ist.
Fünf Aspekte beleuchten das Thema eindrucksvoll aus unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Blickwinkeln. Für den Bereich „Dagegen anzeichnen“ bilden Blätter aus der Sammlung Otto Mauer das Herzstück. Alfred Kubins ikonische Werke, in denen er den Krieg, Epidemien, Medizin und Verwandtes thematisiert, sind aktueller denn je. Ebenso bemerkenswert sind die Aquarelle des österreichischen Aktionskünstlers Günter Brus, die während der Corona-Pandemie ab 2020 entstanden sind und von denen das Blatt „Junger Tod“ als Plakatsujet für die Ausstellung dient. In einer Mischung aus Poesie, Witz und zugleich philosophischer Ernsthaftigkeit zeigt diese Interpretation von Brus, dass der Tod stets mitten im Leben weilt.
Kunst und Tod: Eine vielschichtige Auseinandersetzung
Ergänzt werden die Werke von Kubin und Brus durch eine subtile zeichnerische und skulpturale Auseinandersetzung mit dem Tod der österreichischen Künstlerin und Philosophin Maria Bussmann, die sich unter anderem von Adalbert Stifters literarischem Werk inspirieren ließ. Es ist eine von fünf für die Ausstellung in Auftrag gegebenen Arbeiten. Über all dem schwebt ein vier Meter langes, metallenes Objekt des OttoMauer-Preisträgers Manfred Erjautz: eine Art Skelett, dessen knöcherne Hände die Augen zu verdecken scheinen und somit dem Titel der Arbeit „Blindflug“ gerecht werden. „Man kann das Ringen der Kunstschaffenden, eine Form für den Tod zu finden, erkennen“, analysiert Co-Kurator Klaus Speidel.
Hochkarätig ist das großformatige Gemälde von Jan Brueghel dem Jüngeren aus dem 17. Jahrhundert. „Bei ihm gibt es nur Tod, keine Auferstehung, wie in den Bildern seines Großvaters“, erklärt Johanna Schwanberg. Die Kuratoren haben den österreichischen Künstler Nikolaus Gansterer eingeladen, sich mit dem Brueghel Bild auseinanderzusetzen. Entstanden ist eine kreative Wandarbeit mit assoziativen Texten.
Einen Kontrapunkt bildet die dynamische, figurenreiche „Kreuzabnahme“ von Giovanni Giuliani aus 1730, eine Leihgabe aus der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz.
Anton Romako, Maria Lassnig, Renate Bertlmann und Ferdinand Hodler sind mit Arbeiten zum Thema ebenso vertreten wie die französische Künstlerin ORLAN, die mit einem Stoß von Plakaten als Petition zur „Abschaffung des Todes“ für Schmunzeln sorgt. „War Reports“, eine immer weiter wachsende Sammlung an Zeichnungen und Postkarten aus Kriegsschauplätzen des Rumänen Dan Perjovschi, oder die textliche Aufarbeitung des Todes ihrer Mutter der Grazer Künstlerin Petra Sterry werfen prägnante Schlaglichter auf den Tod und führen zu guter Letzt in einen stillen, leeren Raum, in dem die Besucher das Gesehene und selbst Erlebtes reflektieren können. „Das Dom Museum Wien ist ein idealer Ort, um die Todesthematik aus verschiedenen Perspektiven sensibel zu beleuchten“, ist Johanna Schwanberg überzeugt. „Wir sehen unsere Schau als Chance, gerade in schwierigen Zeiten einen Ort zu haben, an dem die vielen Eindrücke, Berichte und Erfahrungen der belastenden letzten Jahre durch Kunstwerke ästhetisch verdichtet, in Ruhe reflektiert und verarbeitet werden können.“
Dom Museum Wien
Stephansplatz 6, 1010 Wien
Österreich
Sterblich sein
bis 25. August 2024