SPECULATIVE SPECULUM
SPECULATIVE SPECULUM, kuratiert von Livia Klein & Kai Philip Trausenegger, ist ein fingiertes Traum- szenario, innerhalb dessen die Überwindung des Kapitalismus als Bühne für utopische Ausblicke, verschwommene Visionen und verklärte Blicke auf die Vergangenheit dient.
Ausgehend von der Annahme, dass es unmöglich ist, das gegenwärtige System des Kapitalismus zu überwinden, inszeniert die Ausstellung eine fiktive Revolution, die reale Gegebenheiten völlig außer Acht lässt und das Politische zu einem surrealen Narrativ verformt. Wissenschaftliche Analyse, Pseudo-Poli- tik, Esoterik, Verschwörungstheorien und Live-Action-Rollenspiele werden schamlos ineinander verwo- ben und entwickeln sich zu performativen Akten. Ähnlich einem luziden Traum werden Betrachter*innen in prophetische Traumsequenzen verschlungen, die sowohl von Zeit als auch Raum befreit sind – das Spekulum als magischer Apparat, um einen Einblick in einen sich fortwährend verändernden Körper zu ermöglichen.
„Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus“, lautet ein beliebtes Zitat des Theoretikers Fredric Jameson. Aber warum ist es so schwer, sich eine alternative Realität vor- zustellen?
Obwohl unsere kulturellen Zeugnisse durchgehend von Systemkritik durchzogen werden, scheint es, dass mit dem Fall des Eisernen Vorhangs die letzte ernsthafte Opposition zu Grabe getragen wurde. Bereits die Idee einer imaginierten Utopie scheint heutzutage ähnlich naiv, wie die klassischen Illustra- tionen von fliegenden Autos als Symbol einer technophilen Allheilslösung. So erweist sich in der Kapi- tulation zu einer immerwährenden Postmoderne entweder das Ende der Geschichte verkündet oder werden nostalgische Geister von verlorenen Zukünften beschworen.
„The Future is cancelled“ schreibt der Theoretiker Mark Fisher als eines seiner bekanntesten Konzepte, und trotz des fragwürdigen Inhalts einer solchen universellen Erklärung, scheint eine gewisse Resigna- tion zu einer alternativen Zukunft sich immer bemerkbarer zu machen. Führt jeder Versuch, das System zu kritisieren, zu einer Stärkung eben dieses Systems? Ist die kulturelle Kritik am Kapitalismus lediglich ein performativer Akt als Teil einer Endlosschleife? Diese Erkenntnis eben jener Ohnmacht lenkt den Blick auf Probleme, welche tatsächlich leichter bewältigbar scheinen als die Konfrontation eines riesi- gen, gesichtslosen Gebildes.
Was sollen also ein paar Skulpturen und Bilder in einer Ausstellung ausrichten, fragten wir uns, und ka- men zu dem Schluss, dass wir es nicht wissen. Es gibt keine praktikablen Lösungen, die wir vorschlagen, und wir sehen die primäre Rolle der Kunst nicht als visionäres Werkzeug, als politischen Aktivismus oder als gesellschaftliche Theorie, sondern als ein Potenzial zur Schaffung von Bedeutung durch Zufall. Ein Feld, das es nicht zur Aufgabe hat, wie in etwas die Wissenschat, exakt zu sein oder sich überhaupt um Wahrheit bemühen muss.
SPECULATIVE SPECULUM dient als Maschine — eine „Sandbox“ innerhalb eines Betriebssystems. Hinter einer dicken Schicht aus Sicherheitsglas werden Programme ausgeführt und getestet, Viren geprüft und potenziell schädliche Codes beobachtet, deren Performance streng ausgewertet und an- schließend ins Performative überführt wird — eine Anthologie von Fragmenten, die ein politisches Stück ohne Politik schaffen.