Im Porträt

Richard Deacon

Dynamische abstrakte Formen und eine Vielfalt an Materialien zeichnen das Werk des britischen Bildhauers Richard Deacon aus. Ebenso haben grafische Arbeiten einen wichtigen Stellenwert in seinem Œuvre. Die Galerie Thaddaeus Ropac eröffnete unter dem Titel „Tread“ eine Einzelausstellung des Künstlers. Ebendort trafen wir Richard Deacon zum Gespräch. 


Richard Deacon, Turner-Preisträger, seit 1997 Chevalier des Arts et des Lettres und seit 1999 Commander of the Order of the British Empire, wurde 1949 in Bangor, Wales, geboren. Bekannt wurde er in den 1980er-Jahren mit seinen prägnanten abstrakten Skulpturen aus gebogenem Holz sowie mit Objekten aus Metall, Kunststoffen und anderen Materialien. Dazu kamen Keramikobjekte, die seit über 20 Jahren fixer Bestandteil seines Œuvres sind. Durch ein sensibles Verhältnis von Hohlraum und Masse gelang es Deacon, ein Charakteristikum der britischen Skulptur – den Rhythmus aus geschlossener und offener Form – neu zu interpretieren. „Diese Verästelungen im Sinne eines Innen und Außen“, so Deacon „sind ein wichtiger Aspekt meiner skulpturalen Formen, zu denen ich auch immer wieder zurückkehre.“

„Tread“ ist die erste Ausstellung Deacons nach den COVID-bedingten Lockdowns und präsentiert neue Skulpturen aus sechs Werkgruppen, die sich jeweils durch die für den Künstler spezifische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Materialien auszeichnen. Sie zeigen wiederkehrende Elemente in unterschiedlichen Materialien und formalen Gestaltungen. Die Wirkung der Oberfläche ist jedoch stets von entscheidender Bedeutung. Bis auf die filigrane hochaufragende Holzskulptur „Under The Weather #3“, sind diesmal vor allem geschlossene Arbeiten zu sehen, in denen nicht das Verhältnis zwischen Hohlraum und Masse prägnant im Vordergrund steht, sondern das Zusammenspiel von Farbe, Oberfläche und Form. Ein Twist in der Beschäftigung des Künstlers mit Material und Oberfläche?

PARNASS: Farbe war bislang ein integraler Bestandteil des Materials. Seine Beschaffenheit, etwa die Maserung des Holzes, prägte die Oberfläche. Hat sich dieses Verhältnis zwischen Material und Oberfläche verändert? Was also bestimmt die formale Ästhetik Ihrer Skulpturen?

Richard Deacon: Die Oberfläche steht stets im Fokus meines Denkens. Wenn man versucht herauszufinden, was hinter der Oberfläche steckt, sieht man nur wieder eine weitere Oberfläche, Masse und die Eigenschaften des Materials können wir nicht sehen. Doch eben diese Eigenschaften, das Verhalten des Materials, prägen die Möglichkeiten im Arbeitsprozess und die Form der Skulptur. Darin besteht auch die Faszination und das Rätsel der Bildhauerei, dass man mit Materialen arbeitet, die sich auf bestimmte Weise verhalten. Ich habe mich lange damit beschäftigt, was man mit diversen Materialien machen kann, wie man sie biegen und formen kann. Doch sollte das Material ein Teil der Arbeit sein. Denn die Art und Weise, wie die Oberfläche erscheint, ist etwas sehr Wichtiges. So liegt ihre Eleganz auch darin, wie sie auf unterschiedliche Lichtverhältnisse reagiert. Im Grunde genommen gilt „The Surface is the work – Die Oberfläche ist das Werk“.

Richard Deacon, Tread, exhibition views, Thaddaeus Ropac Salzburg Villa Kast 2023. Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg · Seoul . Photo: Ulrich Ghezzi. © Richard Deacon

P: Die Edelstahlskulpturen in der Ausstellung sind farbig gefasst. Haben Ihre Keramikarbeiten dazu geführt, nun auch die Metallarbeiten farbig zu machen?

RD: Ja, richtig. Lange habe ich den Einsatz von Farbe problematisch gesehen, da ich Sorge hatte, ich würde etwas überdecken. Ich wollte die Spuren der Herstellung nicht beseitigen. Aber das Glasieren der Keramik hat zu einer gewissen Befreiung in meinem Umgang mit Farbe geführt. Bei der Verwendung von Farbe in der Keramik muss man sich vergegenwärtigen, dass diese sich im Brennvorgang verändert. Auch mit viel Erfahrung, die man im Laufe der Zeit darüber sammelt, wie sich bestimmte Glasuren verhalten, weiß man nicht genau, wie eine Farbe nach dem Brennvorgang aussieht. Ein anderer Aspekt ist, dass die Farbe bei den Keramikobjekten so auf der Oberfläche sitzt, dass sie ein Teil des Werks zu sein scheint. Was ja nicht immer unbedingt der Fall ist.

Ich habe dann überlegt, dass man vielleicht eine interessante Oberfläche erhalten könnte, wenn man Farbe auf der Oberfläche von rostfreiem Stahl aufträgt und wieder abnimmt . Die Bemalung hat keine schützende Funktion für die Skulptur, da diese ja aus rostfreiem Stahl besteht. Aber sie bringt ein Muster auf die Oberfläche, das eine Farbe einbringt. Die Menge an Farbe, die man sieht, ändert sich je nach Position.

Die Art und Weise, wie ich Farbe in den Keramikarbeiten verwendet habe, eröffnete mir die Möglichkeit, sie auch bei diesen Skulpturen einzusetzen – und die Farbe selbst zum Material zu machen. Das heißt ich frage nicht, welche Farbe beziehungsweise welche Oberfläche zum Werk passt, sondern sage, dass sie das Werk ist. Die Farbe ist Material – ja, das ist wohl die einfachste Antwort auf Ihre Frage

Richard Deacon, Tread, exhibition views, Thaddaeus Ropac Salzburg Villa Kast 2023. Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg · Seoul . Photo: Ulrich Ghezzi. © Richard Deacon

P: In der Ausstellung entsteht ein Dialog zwischen den Werkgruppen, aber auch vor allem zwischen den Zeichnungen und den Objekten. Sie zeigen erstmal eine Serie von Zeichnungen, die auf einem Tablet-Computer entstanden sind. Zeichnungen spielen seit jeher eine große Rolle in Ihrer künstlerischen Praxis, aber wie war es, plötzlich mit den Fingern zu zeichnen und eine Linie digital herzustellen?

RD: Das habe ich tatsächlich vorher noch nie gemacht. Doch gibt es eine gewisse Beziehung zwischen der Zeichnung, die ich auf Stein für meine Lithografien gemacht habe, und der Zeichnung, die auf der Oberfläche des Tablets entsteht. Hat man, so wie ich, den generellen Wunsch zu zeichnen, dann ist man interessiert, neue Möglichkeiten auszuloten. Und wenn man eine neue Oberfläche findet, wie das digitale Display, gibt das oft den Anstoß zu Neuem – das ist dann der Moment, in dem es interessant wird. Es muss nicht immer Bleistift und Papier sein.

Richard Deacon, Foto: Markus Huber

P: Ist es nicht viel unpräziser, mit dem Finger zu zeichnen als mit Stiften?

RD: Zu Beginn habe ich mit einem Tablet-Stift gezeichnet, aber das war schrecklich. Dann habe ich herausgefunden, dass ich ganz gut mit dem Finger zeichnen kann, sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand. Das Einzige, was wirklich anders ist, ist, dass man nicht sehen kann, was man zeichnet, da die eigene Hand die Fläche verdeckt.

P: Sie haben die digitalen Zeichnungen in Polyestergewebe übertragen. Digitales also materialisiert und dem Zweidimensionalen eine Haptik verliehen.

RD: Ich habe sie aus dem Digitalen in die Welt gezogen, wenn man so möchte. Es stellte sich die Frage, was man mit den digitalen Zeichnungen macht, irgendwie muss man sie ja aus dem Tablet herausbringen. Das Naheliegendste ist sie zu drucken, aber das wird ein ziemlich furchtbares Bild. Es ist flach und verliert jene Qualität, die man auf dem Display sieht. Inspiriert von einer Fotografie, die als gewebtes Bild reproduziert wurde und die ich in einem Museum gesehen habe, dachte ich, dass dies eine Möglichkeit sein könnte, die digitale Welt in eine materielle Welt zu transferieren, in ein haptisches Material. Und so gibt auch wieder eine Verbindung zwischen diesen Werken und den großen Stahlobjekten. Die Entwicklung ihrer Oberflächen steht in gewisser Weise in Zusammenhang mit meinen Erfahrungen, die ich mit der digitalen Zeichnung und ihrer Druckherstellung gemacht habe. Skulpturale und zeichnerische Geste wurden so zusammengeführt.

Das ganze Interview lesen Sie in unserer PARNASS Winterausgabe.

Richard Deacon, Tread, exhibition views, Thaddaeus Ropac Salzburg Villa Kast 2023. Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg · Seoul . Photo: Ulrich Ghezzi. © Richard Deacon

Galerie Thaddaeus Ropac Villa Kast

Mirabellplatz 2, 5020 Salzburg
Österreich

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