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Projektraum Viktor Bucher | Michail Michailov

Die Ausstellung "on the other side" im Projektraum Viktor Bucher ermöglicht den Besucher:innen einen Einblick in die von Michail Michailov über die Jahre entwickelten künstlerischen Strategien. Die Figur des Künstlers in Relation zur Ausstellungssituation kann dabei als beispielhaft für die menschliche Existenz im Allgemeinen gedeutet werden. Denn Michailov inszeniert sich nicht als heldenhaftes Subjekt, das sich gegen seine Umwelt oder gar auf deren Kosten durchsetzt, sondern als jemand, der vorhandene Strukturen einbindet und Prozesse des Abgleichens und Angleichens startet, in denen er vorhandene Momente des Sich-mit-der-Umwelt-Verbindens imitiert und zur eigenen Form verhilft. 


Flüssigkeit läuft aus, sie spritzt, sie tropft, sie wird verschüttet. Meist unbeabsichtigt. Sie durchdringt poröses Material, der Fettanteil in ihr verbindet sich mit seinem neuen Träger, setzt sich hartnäckig an und in ihm fest. Der Fleck lässt sich in der Folge kaum mehr von jener Substanz trennen, der er jetzt permanent innewohnt. Wie entsteht ein Fettfleck? Michail Michailov macht aus dem Unbeabsichtigten, dem Störenden, ja dem Unerwünschten ein Sujet. Mit Buntstiften und einer gewissen Obsession zeichnet er in einem minutiösen Prozess das, was üblicherweise nicht da sein soll und insbesondere im Zusammenhang mit Kunst unbedingt vermieden werden muss. Flecken sind ja der Grund für die weißen Handschuhe, die all jene tragen, die in Museen und sonstigen (Kunst-)Institutionen mit kostbaren Originalen zu tun haben. Sie sollen verhindern, dass sich das Körperfett auf den Händen mit den Oberflächen der Kunstwerke, der Dokumente oder der seltenen Artefakte verbindet. Körperkonfigurationen einschreibt, bezeugen die Existenz des Künstlers gleichermaßen wie sie seinen Körper zum Verschwinden bringen.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass eilige Ausstellungsbesucher:innen die Zeichnung übersehen, da sie ihre Aufmerksamkeit auf raumgreifendere Interventionen des Künstlers richten. Ähnliches vollzieht sich am Boden. Michail Michailov hat etliche der Bodenplatten umgedreht. Die Rückseiten der sonst anthrazitfarbenen Elemente glänzen silbrig und lassen bei aller Robustheit Erinnerungen an flirrende Wasseroberflächen im Sommer aufsteigen.

Michail Michailovs Auseinandersetzung mit Körper und Raum geht über die in der Kunst stets virulente Beschäftigung mit dem Verhältnis von Figur und Grund, von einer Form und ihrem Umfeld, hinaus und nimmt eine Wendung hin zu grundlegenden Fragen des Menschseins sowie nach dessen Bedingungen und Möglichkeiten. Der Künstler spürt diesen existenziellen Thematiken mittels Zeichnungen, Videos und Performances nach und inszeniert dabei die vielfältigen Varianten seines „Selbst“ in auf den jeweiligen Ausstellungsraum bezogenen Installationen. Sein genauer und dabei humorvoller Blick schließt den Mikrokosmos des Staubs, der sich in seinem Künstleratelier angesammelt hat, ebenso ein, wie die Landschaften, in denen er sich bewegt. Michailovs künstlerische Praxis liest sich wie der permanente Versuch, das Große im Kleinen widerzuspiegeln und umgekehrt das Kleine im Großen als Muster zu entdecken. Wiederholt erprobt er Architekturen und städtische Infrastrukturen, die ihn umgeben. Die Orte, die er dabei aufsucht, haben häufig etwas Abseitiges. Zu sehen sind etwa Lagerstätten an den Rückseiten von Gebäuden oder von Menschen genutzte Naturräume und, nur relativ klein, als Element unter mehreren, der Künstler. Die Farben, die Materialität, die Muster und die formalen Bedingungen der natürlichen oder urbanen Landschaften, in die sich Michailov mit immer neuen Körperkonfigurationen einschreibt, bezeugen die Existenz des Künstlers gleichermaßen wie sie seinen Körper zum Verschwinden bringen.

SELF BRAINWASHER, 2023, Foto: Franz Thalmair

Projektraum Viktor Bucher

Praterstraße 13/1/2, 1020 Wien
Österreich

Am 28.4. von 17-20 Uhr bietet sich die letzte Gelegenheit, MICHAIL MICHAILOV in seiner Ausstellung noch einmal persönlich zu erleben.

 

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