Muskelspiel am Strand des MQ
Am Sand winden sich Rohre, verdreht um die eigene Achse, eingefasst in Stoff und Beton – gespiegelt von allen Seiten. Sophie Hirsch inszeniert die MQ Art Box mit mutmaßlich eingefrorenen Bewegungsapparaten und lebendiger Physik und Physis.
Als Sophie Hirsch das erste Mal an der MQ Art Box vorbeispazierte, hatte sie das Gefühl das wäre der perfekte Ort, wo ein Terrarium auf ein Fitnessstudio treffen könnte: „Das sind beides in sich geschlossene Räume wo man hineinschauen kann und auf das was drinnen ist etwas projizieren kann, auch wenn man eigentlich nichts sieht. Auch wenn die Fitnessstudio Geräte am Abend nicht in Bewegung sind, sind sie trotzdem mit so viel Spannung aufgeladen“. Figuren faszinieren die 1986 in Wien geborene Sophie Hirsch. Vor allem wenn sie in Bewegung geraten und zum architektonischen Prinzip werden.
Indem sie nämlich das Körperliche nicht organisch, sondern mechanisch untersucht, fordert Sophie Hirsch die Grundfesten der Skulptur heraus. Sie thematisiert Spannungen und Wechselwirkungen und eben nicht zentral die monumentale Starre, die dem Skulpturalen doch so wesensnormativ scheint. Und entlarvt dabei den Balanceakt, der jedem Körper innewohnt.
„Es ist eine Skulptur, die sich bewegt ohne in Bewegung zu sein und jede Bewegung ist Teil einer Kettenreaktion“, erklärt Hirsch. Sie interessiert der Körper in seinen Einzelteilen, innen wie außen, vor allem in Bewegung. Haltungen analysiert Hirsch indem sie den Körper gedanklich zerschneidet, in gestapelte Stücke fasst und diese gedanklich verschiebt. Wie bei einem Stapelspiel, muss ein Gelenk das andere ausgleichen, wenn es wegfällt.
Haltungsbeweise
So sind große Teile ihrer Praxis intuitive Momente, erprobt auch am eigenen Bewegungsapparat. Vor allem die Überlegungen von Joseph Pilates prägten Sophie Hirschs Auseinandersetzung maßgeblich. Inspiriert vom Pilates Reformer arbeitet sie Sprungfedern mit ein und verdeutlicht so die oft unterschätzte Abhängigkeit von Kraft und Stabilität. Prägnant formuliert sie im erprobten Verständnis von Balance das Prinzip der Stabilität im scheinbar Instabilen. Deckt das Fragile im angeblich Robusten auf und vice versa. So treibt sie die am menschlichen Körper studierten Fehlhaltungen skulptural bis ans Extrem und beweist Haltung. „Das interessiert mich an Skulptur aber eigentlich auch im täglichen Leben – wie kann etwas unter extremer Spannung stehen und an körperliche und dynamische Grenzen gehen aber trotzdem eigentlich in sich ruhen?“
Im Museumsquartier, wie im Fitnessstudio ist man einerseits als Gruppe zusammen, funktioniert aber auch als Einzelperson, erzählt die Künstlerin. Man tut etwas „für sich“ und inszeniert das aber auch gerne „für andere“. Muscle Beach, das Freilufttrainingsgelände in Venice Beach das zum legendären Aushängeschild für den Körperkult sowie zum Nabel des weltweiten Fitness-Booms wurde, war Inspirationsquell für die prekären Formen, die Hirsch nun ins Museumsquartier bringt. Just in der Wintersaison legt sie dazu auch einen Strandteppich unweit der Glühwein Hütten aus und zeigt damit abermals die absurde Parallelität von Sein uns Schein auf. Erstmalig lässt uns Hirsch diesmal auch an einigen Denkprozessen, die dieser Installation vorausgegangen sind, teilhaben. Auf Fernsehgeräten, in den oberen Ecken des Space montiert wie in einem Warteraum, zeigt sie selbstgedrehte Videos und found footage von gedrehten und gestreckten Körpern und Landschaften, letztere inspirieren Hirsch mindestens genauso wie ein Tag im Pilatesstudio.
„Mein Ding sind Faszien, Körper und Steine“, schwärmte die Künstlerin im Frühling in ihrem Studio in Brooklyn. Das hat sie inzwischen aufgelassen. Nach einem erfolgreichen Herbst mit Beteiligungen unter anderem auf der viennacontemporary und PARALLEL lautet die nächste Station Los Angeles. Zwischen Körperkult und der Weite der Natur tut sich für Hirsch ein Aktionsfeld auf, das sie nach Jahren in New York magisch anzieht.
MQ Art Box
Museumsquartier, 1070 Wien
Österreich
Sophie Hirsch - Muscle Beach
bis 31.12.2018