Herbert Liaunig im 79. Lebensjahr verstorben

Der Industrielle und Kunstsammler Herbert Liaunig starb am 29. September 2023 im 79. Lebensjahr, wie das Museum Liaunig in einer Aussendung am Sonntag bekannt gab.


Mit dem Museum Liaunig in Kärntner Neuhaus/Suha, das Ende August 2008 eröffnet wurde, erfüllte sich Herbert Liaunig einen Herzenswunsch. Sein engagierte Verhältnis zur zeitgenössischen Architektur prägte auch den Museumsbau, mit dem die Architekten der Gruppe querkraft ein markantes Zeichen in die Landschaft des Drautales gesetzt haben. Ihr stringentes Konzept eines sehr reduzierten Bauwerks, wo nur der lang gezogene Galerietrakt außen sichtbar ist während der Rest des Museums sich unter der Erde befindet, wurde international viel beachtetet, prämiert und besprochen. „Ursprünglich war das Museum nur als Platz für meine Sammlung gedacht und mit dem Bau erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch unserer Familie, ein adäquates Ambiente dafür zu schaffen.“ so Herbert Liaunig in einem Interview mit der Autorin. „Doch es waren nicht zuletzt die Architekten querkraft die mich in zahlreichen Gesprächen überzeugten, dass eine so umfangreiche Sammlung öffentlich gemacht werden muss. Zum Zeitpunkt der Errichtungsarbeiten war dies für mich allerdings kein Thema.“ 2015 wurde das Museum durch einen Erweiterungsbau und einen Skulpturenpark noch um wesentliche Teile erweitert, um Platz zu schaffen für Wechselausstellungen, einen Bookshop, eine Studienbibliothek, aber auch für Sammlungsschwerpunkte der Familie, die bisher in Schloss Neuhaus untergebracht waren. Im Erweiterungsbau zeigte Herbert Liaunig unter dem Titel „Alte Freunde“ gerne seine Wegbegleiter in Soloausstellungen. Sein Sohn, Architekt Peter Liaunig ­– übrigens selbst ein großer Sammler, der in den letzten Jahrzehnten bereits wesentlich die Ausstellungskonzepte mitprägte, übernahm 2015 die Leitung des Museums.

Gesammelt hat Herbert Liaunig seit er denken kann. So begann er in der Volksschulzeit mit Briefmarken, auch daraus hat sich bis heute eine umfangreiche erlesene Kollektion entwickelt. Zur bildenden Kunst kam Herbert Liaunig im Gymnasium durch seinen Schulfreund Michael Krapf, dem späteren Kustos des Wiener Belvedere. „Sein Onkel besaß eine Sammlung an Bildern deutscher Brücke-Maler, die mich faszinierte. Die Anregungen und Eindrücke die ich damals aufgenommen habe, bildeten später Basis für meine eigenen Abenteuer. Ebenso die 1960er-Jahre in Wien, in der sich bereits viel in der bildenden Kunst tat, u.a. wurde 1962 das sogenannte 20er Haus gegründet und Werner Hofmann bespielte es mit einem internationalen Ausstellungsprogramm, in das er von Beginn an auch die Österreicher einbezog und setzte damit wichtige Maßstäbe. Durch die Freundschaft zu Drago Prelog habe ich dann in meiner Studienzeit auch engen Kontakt zu vielen Gegenwartskünstlern erhalten und es entwickelte sich rasch der Wunsch eine eigene große Sammlung zu etablieren.“, erinnerte sie Herbert Liaunig bei einem gemeinsamen Rundgang durch Schloss Neuhaus.

„Die Eröffnung des Museum“ hatte jedoch so Herbert Liaunig gravierenden Einfluss auf die Sammlertätigkeit. „30 Jahre lang habe ich ausschließlich aus einem privaten Aspekt heraus gesammelt, ohne System, jetzt ist die Sammlung durch die Ausstellungsaktivitäten und auch durch den Anspruch der Kataloge weitaus zielgerichteter geworden.“

Herbert Liaunig © Walter Schramm

Doch hatte auch davor die Sammlung einen geschlossenen und sehr umsichtigen Charakter und gilt zu Recht als einer der besten Sammlungen österreichischer Kunst ab 1950, ergänzt durch erlesene Papierarbeiten sowie um markante Werke ausländischer Maler, Plastiker und Bildhauer. Ebenso – und das kann in der österreichischen Sammlungshistorie nicht genug betont werden –,  hat sich die Familie Liaunig über die Jahre hinweg konsequent mit Positionen konkreter und reduktiver Kunst beschäftigt, sodass das Museum heute auf einen großen Bestand zurückgreifen kann, darunter Werke von Wegbereitern wie von Marc Adrian, Hildegard Joos, Helga Philipp, bis Ingo Nussbauer und Jakob Gasteiger und den internationalen Künstlern Pierre Soulage, Heinz Mack, Imi Knoebel und Bernard Aubertin. Man könnte die Reihe noch um Hans Grosch, Engelbert Erben, Norbert Pümpel, Wolfgang Ernst oder den in Paris lebende Paul Wallach erweitern. Es ist eine Sammlung die im Bereich bildende Kunst – von der Miniaturmalerei bis in die  Gegenwartskunst stets in die Tiefe ging, nie nach Moden kaufte und vor allem über einen veritablen Bestand der sognannten „Zwischenräume“ der österreichischen Kunst nach 1945 verfügt.

„Mein Ziel ist jene österreichischen Künstler und Künstlerinnen zu sammeln und im Museum zu präsentieren die für die zeitgenössische Kunst in Österreich wichtig und prägend sind, das hat – und das gebe ich gerne zu – auch einen selektiven Charakter, da ich nie bestrebt war nur den Mainstream zu erwerben, sondern auch jene Künstler zu besitzen, die vielleicht in der Öffentlichkeit nicht so bekannt sind, jedoch für mich und für die österreichische Kunst einen wichtigen Stellenwert haben.“, so Herbert Liaunig bei einem unserer Gespräche.  Gewisse Richtungen hat er jedoch nie gesammelt, dazu gehört u.a. der Phantastische Realismus und auch das Medium der Fotografie sowie Videoarbeiten. „Ich finde die beiden Medien zu flüchtig und sie haben auch eine Tendenz zum Inflationären. Mich interessieren das Greifbare, Haptische und Medien, die mit Material arbeiten. Doch gibt es in der Sammlung durchaus Positionen die an der Schnittstelle zu Fotografie und Video stehen wie u.a. Cornelius Kolig oder Meina Schellander “.

© Museum Liaunig

Die Sammlung  war und ist stets in Bewegung und schließt Ankäufe junger Gegenwartkünstler ebenso ein, wie Erwerbungen etablierter Künstler und Künstlerinnen. „Gott sei Dank“ meinte Herbert Liaunig einmal, „gibt es noch Lücken bzw. sehe ich die Ankäufe von jungen Künstlern auch als wichtige Förderung an.“ Die Wunschliste war immer groß, manche Desiderate von damals wurden erfüllt und Lücken geschlossen. Die Sammlung umfasst auch einen großen Anteil internationaler Kunst. „Dies hat zum einem nostalgische Gründe, weil es sich oft um Positionen handelt, die mir bereits in meiner Jugend wichtig waren, als ich zu sammeln begonnen habe, wie u.a. Künstler der École de Paris. Zum anderen ist es jedoch auch eine Standortbestimmung im Dialog mit den österreichischen Positionen.“, erklärte der Sammler. Und diese Standortbestimmung war immer das Anliegen seiner Ausstellungen, die er zum Teil, selbst oder in Zusammenarbeit mit Peter Baum und anderen Kuratoren wie Günther Holler-Schuster, Günther Oberhollenzer oder mit Peter Liaunig zusammenstellte.

© Museum Liaunig

Stets generationsübergreifend, stets ausgerichtet um formale Zusammenhänge sichtbar zu machen. Die Ausstellungen machten stets deutlich, dass der Sammler Herbert Liaunig jene Künstler besonders schätzt, die eigenständig und eigenwillig vom Mainstream abweichen –  Werken relevanter Außenseiter meinte er einmal im Gespräch.

Das Wohnhaus der Familie in Neuhaus/Suha ein Renaissanceschloss, wurde von Günther Domenig mit großer Umsicht und dennoch modern und im Hinblick auf die Sammlungen der Familie umgebaut und beherbergte bis zum Bau des Museums auch einen Großteil der  Kunstsammlung. Denn ein eine weitere Leidenschaft Herbert Liaunigs war stets die zeitgenössische Architektur, was sich im Schloss Neuhaus ebenso manifestierte, wie in seinen Büros, der Wiener Wohnung und den von ihn umgebauten oder errichteten Industriebauten. So engagierte Herbert Liaunig in den späten 1980er-Jahren Coop Himmelb(l)au, für das neue Funder-Werk in St. Veit an der Glan. In ihrem ersten Großauftrag schufen die Architekten die En­er­gie­zen­trale mit heute berühmt gewordenen tanzenden Kaminen.

In Schloss Neuhaus wurde darüber hinaus ein permanenten Platz für den Werkzyklus „Haus der Stäbe“ von Walter Pichler – in einem von Günther Domenig und Walter Pichler gestalteten Raum, geschaffen. Neben afrikanische Gold- und Glasperlenkunst, Porträtminiaturen, Waffen und Europäisches Silber umfasste ein weiteres jedoch privates Sammlergebiet Herbert Liaunigs  geographische Bücher und Atlanten, denen er mit Begeisterung und großem Wissen auf der ganzen Welt nachspürte. „Sammeln“, so schrieb Herbert Liaunig im Eröffnungskatalog des Museums 2008 „hat mich schon immer interessiert. Das meist vergnügliche Verlangen, es zu tun, liegt offensichtlich tief im Menschen verankert. Dass diese Manie nicht notwendigerweise bei jedem durchbricht, ist allerdings eine weise Fügung des Schicksals.“

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