Gallery Diary - Galerie Thaddaeus Ropac | Daniel Richter

Die Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg präsentiert So long, Daddy. Eine Ausstellung neuer Gemälde von Daniel Richter. Den Viewing Room kann man ab dem 6. Juni 2020 auf www.ropac.net besuchen.


Die Serie zeigt die Auseinandersetzung des Künstlers mit Szenen der antiken Mythologie, insbesondere dem Marsyas-Mythos. Der Satyr Marsyas hatte Apollon zum Spiel auf der Flöte herausgefordert und als er den Wettstreit gegen den Gott verlor, wurde er zur Strafe bei lebendigem Leib gehäutet. Der Künstler übersetzt die mit der Szene verbundene Materialität von weicher Haut gegen die scharfe Klinge in eine neue Bildsprache, wobei ihn dabei nicht die narrative Erzählung selbst, sondern der starke haptische Kontrast beeinflusste, der dem geschilderten Vorgang des Häutens innewohnt. Die neue Serie großformatiger Leinwände zeigt vielfarbige, anthropomorphe Gestalten und verworrene Körperteile in einem obskuren, unbestimmten Raum. Die mittels bunter Linien und Farbfelder beschriebenen Figuren sind vor flachen, changierenden Bildhintergründen dargestellt, deren farbliche Abstufung von warmen, rostigen Orange- und hellen Gelbtönen bis hin zu irisierenden Blautönen reichen, die an den Himmel oder den Ozean erinnern.

Ich finde Kunstwerke, insbesondere Gemälde, am interessantesten, wenn sie versuchen, dem Betrachter etwas zu vermitteln, das nicht vollständig durch Sprache oder gar Vernunft ausgedrückt werden kann. Wenn Kunst ihr Versprechen einlöst, erweitert sie etwas in uns, und sie bietet eine Art Wahrheit an – was immer das auch sein mag.

Daniel Richter

Während diese Szenerien zum Teil an vielfarbige Phantasielandschaften erinnern, entziehen sie sich doch jeglicher räumlichen Zuordnung. Die in heftig verzerrten Posen miteinander verbundenen Figuren scheinen in diesem undefinierbaren Kosmos zu schweben und vermitteln somit trotz ihrer Greifbarkeit ein Gefühl der Abstraktion.

An der Fichte, 2020 Oil on canvas 244 x 186 cm (96,06 x 73,23 in) DAR 1147, Courtesy of Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg © Daniel Richter / Bildrecht, Wien 2020 Photo: Jochen Littkemann

Der Titel der Ausstellung, So long, Daddy., verweist auf das Fehlen einer männlichen Leitfigur in der persönlichen Empfindung des Künstlers. Daniel Richter beschreibt sich selbst als von zwei gegensätzlichen weiblichen Kräften getrieben: der Stimme eines kleinen Mädchens und der einer älteren Mutterfigur. Beide teilen ihm die jeweils eigene Sicht auf die Welt mit – die eine unbeschwert und bedenkenlos, die andere realistisch und streng. In seinen neuen Werken erforscht der Künstler erneut das Prinzip des Gleichgewichts in dem Verhältnis zwischen Helligkeit und Dunkelheit, beziehungsweise der Ausgewogenheit zwischen kräftigen Farbtönen. Die Dynamik in meinem Werk beruht hauptsächlich auf Drängen und Schieben oder auf Elementen, die einander gegenüberstehen – Vermischen, Schieben, Ziehen, so Daniel Richter. Trotz der den Darstellungen zugrunde liegenden Gewalt vermitteln die kraftvoll polychromen Werke eine berührende Sinnlichkeit und Schönheit, die der vehementen Energie ein wirksames Gegengewicht bieten.

Daniel Richters Werke zeigten bisher eine durchaus beeindruckende Vielschichtigkeit und Wandlungsfähigkeit, da sein Stil sich immer wieder verändert, gleichwohl aber den Grundelementen treu bleibt. [...] Dennoch sind Daniel Richters Arbeiten sofort als solche erkennbar, in ihrer grellen Farbgebung, pulsierenden Aufdringlichkeit, latenten Aggressivität und ihrem Reichtum an nervösen Effekten. Seine Werke verschränken kunsthistorische, massenmediale und popkulturelle Versatzstücke zu eigenwilligen Bildwelten.

Max Hollein

 

Über den Künstler

Daniel Richter entwarf ursprünglich Plakate und Plattenhüllen für Bands und wechselte erst 1992, im Alter von 30 Jahren, zur bildenden Kunst. Er absolvierte ein vierjähriges Studium bei Werner Büttner an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und arbeitete als Assistent von Albert Oehlen. Zunächst entstanden abstrakte Gemälde, deren farbintensiver, psychedelisch anmutender Formenkosmos sich zwischen Graffiti und verschlungenen Ornamenten bewegt. Seit 2000 entstehen großformatige figurenreiche Szenen, häufig durch Reproduktionen aus Zeitungen und Geschichtsbüchern angeregt. Darstellung von Kunstlicht, Blitzlicht, Wärme- und Röntgenbild evoziert eine Atmosphäre von Künstlichkeit und Nervosität. In seinen aktuellen Werken beschreitet Richter einen Weg zwischen Figuration und Abstraktion. Daniel Richters Werke befinden sich weltweit in bedeutenden Museumssammlungen, darunter das Museum of Modern Art, New York; Centre Georges Pompidou, Paris; National Gallery of Canada, Ottawa; Louisiana Museum, Humlebaek, Dänemark; Kunsthalle Kiel; Kunsthalle Hamburg; Nationalgalerie Berlin; Kunsthalle Stuttgart; Museum der Bildenden Künste Leipzig; Gemeente Museum, Den Haag; Sammlung Zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland; Denver Art Museum und Musée d'Art Moderne et Contemporain Strasbourg. Umfassende Einzelausstellungen fanden in der Kunsthalle Kiel und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (beide 2001), der National Gallery of Canada, Ottawa (2005), der Kunsthalle Hamburg und dem Gemeentemuseum, Den Haag (beide 2007), dem CAC Málaga und dem Denver Art Museum (beide 2008) sowie der Kestnergesellschaft, Hannover, Deutschland (2011) statt. In jüngerer Zeit war die Schirn Kunsthalle, Frankfurt, Gastgeber einer Retrospektive (2014/15), während eine monografische Ausstellung im Camden Arts Centre, London, im 21-er Haus Museum für Zeitgenössische Kunst, Wien, und im Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark, zu sehen war (2016/17). Sein Werk ist derzeit in der Gruppenausstellung Radical Figures: Painting in the New Millennium in der Whitechapel Gallery, London, zu sehen.

Mangodance, 2020 Oil on canvas 230 x 170 cm (90,55 x 66,93 in) DAR 1143, Courtesy of Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg © Daniel Richter / Bildrecht, Wien 2020 Photo: Jochen Littkemann


Impressionen

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