Gallery Diary - Galerie Petra Seiser | Roland Kollnitz

Courtesy Roland Kollnitz, Galerie Petra Seiser

Die Ausstellung "Studio" von Roland Kollnitz in der Galerie Petra Seiser ist nicht nur ein vom Künstler selbst getroffenes Arrangement von ausgewählten Werken, sondern ist per se als ein eigenständiges Werk zu verstehen. Wie der Titel schon andeutet, transformiert Roland Kollnitz die karge Eleganz des Galerienraums in eine Situation, die atmosphärisch derjenigen seines Ateliers nahekommt.


An der Fassade neben dem Zugang, nahe der Skulptur von Hans Kupelwieser, lehnt eine Doka Platte, wie sie am Bau für Schalungen zum Einsatz kommt; auf ihrer hochgestellten Kante ruht die endlose Schleife eines in sich verschlungenen verzinkten Stahlbands. Die hartkantige Doka Platte betont die Leichtigkeit und zarte Fragilität des metallenen Bands, trägt es und schützt es zugleich.

Und doch haftet etwas Momenthaftes an diesem Werk Endlose Form, das Band könnte auch nur temporär, mit derselben Beiläufigkeit abgelegt worden sein wie die Platte selbst, wird doch die Gestalt rein durch die Wirkung der Schwerkraft erzielt. In dieser subversiven Leichtfüßigkeit vermag die Arbeit en passant die Abstraktheit der Architektur zu unterlaufen und im selben Atemzug dem unverrückbar erscheinenden Standbild von Kupelwieser einen gewitzten Kontrapunkt entgegenzusetzen, mit diesem einen Dialog anzuzetteln.

Unterstützt wird dieses Unterfangen von der kühn gen Himmel strebenden Arbeit Weißer Stab mit Keilen. Eine über sechs Meter lange weiße Fiberglasstange, gehalten und fixiert von kleinen Holzkeilen in einem kurzen vierkantigen Rohr aus poliertem Aluminium, das scheinbar in der Erde steckt, überragt das Gebäude. Die flexible weiße Stange fungiert wie eine Sonnenuhr, biegt sich mit dem Wind, geht mit dem Umfeld im Freien eine bewegte spielerische Beziehung ein.

Courtesy Roland Kollnitz | Galerie Petra Seiser

Courtesy Roland Kollnitz | Galerie Petra Seiser

Im Inneren setzt Roland Kollnitz seine strukturelle Intervention in die Strenge des Ausstellungskubus fort. Mit einer vom Plafond abgehängten, diagonalen Lichtquelle (in einer Länge von neun Metern) aus aneinander gereihten Leuchtstoffröhren setzt er eine markante raumbestimmende Geste, welche die Qualitäten des Raums maßgeblich neu definiert. Die Adaption und Optimierung der vorherrschenden Lichtverhältnisse ist in Roland Kollnitz’ Ausstellungspraxis ein konstantes Kriterium. Durch den Einsatz von hochwertigen Leuchtstoffröhren mit präzise eruierter Lichtfarbe erreicht er im Ausstellungsraum eine Tageslichtqualität, wie sie auch sein Atelier in Wien permanent durchdringt. Der schwebende Lichtbalken in der Galerie Petra Seiser findet in dem analog am Boden liegenden weißen Fiberglasstab (Teil des Werks Podest, Bodenstück) eine Korrespondenz, die dem spartanischen Raum unmittelbar Spannung und Dynamik verleiht. Der Rundstab durchdringt einen Reif aus Edelstahl, der teilweise von einem einfachen, darauf positionierten Holzbrett verdeckt wird. Das Werk soll die Besucher verlocken über die Fiberglasstange zu balancieren um sich dann auf dem Brett aufzustellen. In dieser Handlung integriert sich dieser in das Kunstwerk, wird zum spielerischen Akteur und Exponat auf einem Sockel. Kunstwerk und Betrachter gehen darin einen Perspektivenwechsel ein.

Roland Kollnitz involviert sein Publikum mit Vorliebe in sein Werk, so etwa in der Installation Studio, die dazu einlädt an einem Tischchen Platz zu nehmen, in einem Buch über Michelangelos David zu blättern oder auch das gegenüber angebrachte Wandstück mit Bogen eingehend zu betrachten. Es ist ein Stück der Serie der Wandstücke, in welcher jeweils ein Stahlnagel der Protagonist ist. Schon das Einschlagen des Nagels stellt einen Teil des Werks dar. Diesmal sind es zwei Nägel, auf welchen zwei hölzerne Leisten horizontal aufliegen und zwischen sich ein zartes Gewebe halten. Die orthogonale Systematik wird durch ein schmales stählernes Kreissegment aufgehoben, das an einem der Nägel lehnt.

Roland Kollnitz schafft in seinen Wandstücken aus puristischen Komponenten abstrakte komplexe Kompositionen, die sich mit stiller Zurückhaltung Raum schaffen und sich mit der Umgebung wie den anderen Exponaten in Verbindung setzen. Sie stehen darin exemplarisch für das künstlerische Schaffen Roland Kollnitz’. Roland Kollnitz’ Werk ist abstrakt mit direktem affirmativem Bezug zum Leben, zum Leben im Alltag wie im zeitgenössischen Kunstgeschehen, doch auch zur Kunstgeschichte.

Courtesy Roland Kollnitz, Galerie Petra Seiser

Mit dem Selbstverständnis als zeitgenössischer Bildhauer sieht er sich der klassischen Tradition entwachsen, in der auch Michelangelo als hohes Ideal steht, dem er mit dem aufliegenden Buch über die Skulptur des David Tribut zollt, dessen Thema von Stand- und Spielbein er ebenso teilt. So spielen seine Arbeiten eine lapidar erscheinende, doch präzise getroffene Balance aus, die sich in der physikalischen Fragilität des einzelnen Werks ausdrückt, doch auch prinzipiell ihr prekäres Dasein zwischen artifiziellem Artefakt und direkter Nähe zu unserem Alltag auslebt.

Die Kraft des Werks gründet in Roland Kollnitz’ analytischer Beobachtung und gezieltem, feinsinnigen und oft subversivem Einsatz der spezifischen Materialien, die selbst aus dem Alltag gegriffen sind. Form und Materialität, physikalische Eigenschaften und Qualitäten werden in Bezug zueinander und subtil in Szene gesetzt. Auch die farbigen Akzente sind niemals sekundär erfolgt, sondern entsprechen rigoros dem angewendeten Material und seiner mechanischen Bearbeitung.

Courtesy Roland Kollnitz, Galerie Petra Seiser

Der Künstler fertigt seine Werke im Bewusstsein des eigenen menschlichen Maßes; er reflektiert darin auf die Umgebung, auf andere Exponate, architektonisches oder landschaftliches Umfeld und den Betrachter. So tritt das Werk als ein Gegenüber auf, das den Diskurs aufruft, spielerisch, leicht, mitunter verschmitzt.

All diese Komponenten werden von Roland Kollnitz miteinander verwoben und in der Ausstellung Studio zur Momentaufnahme einer Atelier-ähnlichen Konstellation verdichtet. Sie ist eine choreographierte Situation und gibt Einblick in seine Praxis und sein Denken. In manchem Werk verbirgt sich ein ironischer Kommentar zur Eitelkeit der Kunstbetrachtung und des Kunstbetrachters – sowie seiner selbst.

Galerie Petra Seiser

Weyreggerstrasse 11, 4861 Schörfling am Attersee
Österreich

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