Gallery Diary - Christine König Galerie | Maruša Sagadin & Thomas Reinhold

Courtesy Christine König Galerie, Wien und die Künstler, Fotos: Philipp Friedrich

Die aktuelle Situation bedeutet eine enorme Belastung für die Kultur- und Kreativwirtschaft und auch für uns als Kunstmagazin. In dieser Zeit wollen wir unseren Beitrag leisten und geben Ihnen täglich Einblicke in die Ausstellungen der derzeit geschlossenen Galerien.


Christine König Galerie. Die Arbeiten von Maruša Sagadin und Thomas Reinhold treten in ein Spannungsverhältnis, das den Wirkungsbereich von Malerei und Skulptur auslotet sowie psychosoziale Dimensionen eröffnet. Dabei wird der amorphe Charakter von Form- und Farbgebung einzelner Werkgruppen zueinander in Beziehung gesetzt.

In ihren letzten Ausstellungen setzt die Christine König Galerie auf eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Generationen und Positionen von Künstlern, die in dialogischer Weise die Aussage- und Wirkungskraft von Kunst verhandelt und auch konträr anmutende Ansätze zulässt. Aktuell werden Momente von Abstraktion in den skulpturalen Arbeiten von Maruša Sagadin mit jenen in Thomas Reinholds Malereien konfrontiert und verschiedene Fragestellungen zu diesen tradierten Kunstgattungen aufgeworfen. Wie haben sich Malerei und Skulptur seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt und welche Kriterien der Bild- und Objektbetrachtung lassen sich bei den beiden Künstlern anwenden?

Im Vergleich zu Künstlern wie Jackson Pollock oder Brice Marden wirft Reinhold die Frage auf, wie Abstraktion und Minimalismus ineinandergreifen können und Malerei abseits dessen ihre eigenständige Definitionsmacht behält.

Walter Seidl

Reinholds bildkünstlerische Strategien mögen vom Abstrakten Expressionismus herrühren, werden jedoch durch Schüttungen vollzogen, bei denen eine genau definierte Oberfläche von mehreren Farbschichten überlagert wird, um verschiedene Durchlässigkeitsgrade zu erzeugen. Der Prozess der Arbeit ist in den Bildern, bei denen jeweils die Idee vom Bild als zeitlich vollzogener Akt mitgedacht wird, sichtbar. Im Vergleich zu Künstlern wie Jackson Pollock oder Brice Marden wirft Reinhold die Frage auf, wie Abstraktion und Minimalismus ineinandergreifen können und Malerei abseits dessen ihre eigenständige Definitionsmacht behält. Bei Reinhold handelt es sich um amorphe Strukturen, die sich durch den physikalischen Kontakt der Farben zueinander ergeben, um ins Sichtfeld zu treten und dieses nachhaltig zu definieren. Die dadurch entstehenden Netzwerkstrukturen führen zu einer Dreidimensionalität hinsichtlich der Blickachsen, die unterschiedliche Räume öffnen, gleichzeitig aber auch verdecken. Reinholds Arbeiten oszillieren demnach zwischen gegenständlich und ungegenständlich, wobei eine abstrakt formulierte Herangehensweise das Spezifikum seiner Kunst ausmacht, die neue Denkräume eröffnet. Obwohl amorph in ihrer Gestalt, evozieren Reinholds Bildformationen semantische Ebenen, die von den Betrachtern weitergedacht werden können.   

Courtesy Christine König Galerie, Wien und die Künstler, Fotos: Philipp Friedrich

Courtesy Christine König Galerie, Wien und die Künstler, Fotos: Philipp Friedrich

Die „Geometrie des Amorphen“, wie es Reinhold nennt, kommt auch bei Sagadins Skulpturen zum Tragen, wenngleich sie themenspezifisch arbeitet und persönliche Bezugspunkte herstellt. Ihre Skulpturen sind oft lebensgroß und beziehen sich auf weibliche Verwandte wie Tante, Cousine oder Mutter. Die Titel der Arbeiten sind abstrakt gehalten und verweisen lediglich auf Begriffspaare, die Bezüge zu diesen Personen herstellen, ohne sie dezidiert zu erwähnen. So befindet sich in der Galerie eine Bankskulptur, die anstelle der realen Bank platziert wird und den Titel „Schnelle Beine“ trägt, um den Marathonlauf zu implizieren. Die Füße aus pigmentiertem Beton stellen flachgequetschte Brüste dar, deren amorphe Formen die Sitzfläche tragen. Domestizität und Femininität stellen jene Themenkomplexe dar, die die Künstlerin in ihren Skulpturen mit Ironie und Scharfsinn verhandelt, um dieses künstlerische Genre neu zu denken. Eine Regalskulptur mit dem Titel „Wolke in Hosen“ aus betonähnlichem Material referenziert auf Hängebrüste, die sie jedoch wie ein wallendes Haar zieren. Eine zinkenartig angereihte Skulptur mit ineinandergreifenden Fingern stellt ein intimes Dreieck dar und nennt sich „Mit Händen und Füssen sprechen“. Sagadins amorphe skulpturale Anordnungen verweisen auf Momente der Abstraktion, stellen inhaltlich jedoch konkrete Bezüge zu privaten und öffentlichen Lebensmomenten her, bei denen Gegenstände symbolisch für das stehen, was sich als reales Leben zwischen ihnen auftut.

Reinholds und Sagadins Arbeiten mögen unterschiedliche Ansätze aufweisen, versuchen jedoch Grundzüge einer Bildsprache zu formulieren, die variabel angelegt ist und sich einer vordefinierten Interpretation entzieht. Widersprüche werden klar, wenn etwa bei Reinhold zu den Bildkanten parallele Teilungen in Dialog mit der Geometrie des Bildträgers treten und diametral zu den amorphen Schüttungen stehen. Bei Sagadin werden Betrachter mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen Gebrauchsgegenstand und Objekt der bildenden Kunst konfrontiert. In ihrer Dialogführung werfen beide Künstler Fragen nach der Zuschreibung von künstlerischen Bezugspunkten auf, die in ihrer Kausalität Brüche mit tradierten Sehgewohnheiten evozieren.          

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