Florin Kompatscher: Was haben Comics mit Malerei zu tun?
»COMIX & ATLANTIX« ist der humorvolle Titel der aktuellen Ausstellung von Florin Kompatscher in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman in Innsbruck. Und tatsächlich ist der ganze Ausstellungsraum in ein heiter bizarres Gefilde transformiert, denn ausgehend von seinen jüngsten Gemälden hat der Künstler auch die Wände malerisch besetzt und in einer abstrakten Dynamik gebündelt.
Florin Kompatscher ist emphatischer Maler, der sich radikal der Ölmalerei auf Leinwand verschrieben hat, die er mit Leidenschaft und dabei mit größter Sorgfalt und Präzision ausübt. Mannigfaltig sind die Malweisen, die sich in einem Bild begegnen, sich überlagern und gegenseitig durchbrechen: transluzente Farbschichten, die das Darunterliegende durchschimmern lassen, kompakte Farbfelder neben und über fein nuancierten Farbverläufen, großzügige Pinselstriche in schmeichelnden Schlingen, berauschende Farbwogen und -räume, die in die Tiefe führen können, daneben, darüber und darunter pastose Pinselspuren als kraftvolle freie Geste, welche die Eindeutigkeit der Bildwirkung aufheben und zu einem komplexen Farbgefüge vieldeutiger Heterogenität wandeln.
Figurative Komponenten scheinen erkenntnishaft aufzublitzen, um dann doch als abstrakte Farberscheinung ins Imaginäre abzutauchen. An den jüngeren Gemälden sitzen manches Mal schwarze Krakeleien, die in ihrem Duktus an Comiczeichnungen erinnern, pointiert als autonome Elemente an der Oberfläche auf. Sie rühren von launischer zeichnerisch-digitaler Bildbearbeitung spielerischer Natur, die der Künstler in Folge mit dem Pinsel in die Gemälde transferierte.
Einige dieser Elemente hat Florin Kompatscher verselbständigt und mit ihnen die Wände der Galerie besetzt, und so die Gemälde miteinander vernetzt und mit der Architektur zu einem Environment verklammert. Florin Kompatscher hat sich den gesamten Raum mit Kalkül angeeignet um seine eigentümliche Inszenierung zu entfalten. Die Struktur des Bildergefüges erinnert an eine lose Anordnung von einzelnen miteinander korrespondierenden Comicfeldern, ähnlich einem aufgeschlagenen Comicheft.
Von Foucault zu Calvino
Der Ausstellungsraum gleicht in seiner Eigentümlichkeit einer Heterotopie im Sinne Michel Foucaults, dessen Eigengesetzlichkeit am ehesten noch der Welt von Italo Calvinos Erzählung „Cosmicomics“ verpflichtet ist. Die Episode „Die Herkunft der Vögel“ wird von Calvino auch ausdrücklich wie ein Comic, gewissermaßen als Comic, geschildert. Florin Kompatscher hat dessen literarische Erzählweise gleichsam ins Bildliche transformiert und seine bildkonstitutiven Elemente sichtlich vergnügt innerhalb der einzelnen Gemälde wie mit der Architektur dialogisch miteinander verspannt. Unverblümt blitzen darin seine Freude an der Farbe, am Pinselstrich, an der lustvollen Geste, an der mitschwingenden Sinnlichkeit und vor allem sein spitzbübischer Humor auf.
Während Ausstellungs- und mancher Werktitel gezielt auf die surrealen und intelligent witzigen Kurzgeschichten Calvinos anspielen, bergen die anderen Bildtitel weitere Rückschlüsse auf die Welt des Comic, wie etwa die 2020 entstandenen Gemälde „Tom“ oder „Jerry“. Und doch erweisen sich die verführerischen Bezeichnungen als amüsant geistreiche Verwirrungsübung des Künstlers, die zu einer Intensivierung der Betrachtung herausfordert. Denn Gegenständlichkeit und Inhalt bleiben in der Schwebe.
Was sich indessen einstellt, ist ein Genuss an der Malerei im Freiraum des Unklaren, in dem der Betrachter sich bewegen muss. Illusionismus wird heraufbeschworen und zugleich dekonstruiert – was zunächst vorne scheint, schiebt sich unvermutet in die Tiefe und vice versa. Formen bauen sich vor dem Betrachterauge auf und interagieren, sich wechselseitig steigernd und zugleich dekonstruierend.
Subtile Erotik
Die verschiedenen Komponenten scheinen sich in ihrer bildlichen Wirkung zu unterstützen und gleichzeitig spielerisch zu sabotieren. Vorne und hinten, Figur und Grund lassen sich nicht kategorisieren. Sinnliche Farbwolken reiben aneinander, wühlen mitunter auch eine subtile Erotik auf, die das Atmosphärische unterschwellig auflädt. Alles in den Gemälden scheint wandlungsfähig, in Bewegung, in vergnügtem Abtausch und daher voller Energie und Leben.
Die Malerei Kompatschers hat jede Didaktik abgeworfen und zielt auf den Subjektivismus des Betrachters ab, die rezeptive Verantwortung ist allein an diesen verwiesen. Leichtigkeit und Unbeschwertheit schwingen dabei im Raum, die den Betrachter dazu verführen sich in der Flut der vieldeutigen Sinnesreize zu verlieren. Das Inszenario bietet ein Spiel schillernder Eigensinnigkeit, in das man sich lustvoll hineinbegeben sollte.
Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck
Maria-Theresien-Straße 34, 6020 Innsbruck
Österreich
FLORIN KOMPATSCHER. COMIX & ATLANTIX
25. Januar bis 12. April 2020