Ob Wiener Künstlerkurator oder internationaler Kuratorensuperstar. Die Einladungen zur 12. Ausgabe des Galerienfestivals Curated by fielen vielfältig aus und lassen Im September 2020 ein heterogenes Kunsterlebnis quer durch die Wiener Innenstadt entstehen. Ein sehenswertes Ereignis, das etablierte Räumen mit noch jüngeren Galerieprojekten zusammenführt. erfrischend gleichberechtigt werden internationale sowie nationale und Emerging Art sowie hochpreisige Kunst miteinander erfahrbar macht.


Am deutlichsten wird dieser gewagte und doch gelungene Dialog in Gruppenausstellungen wie in der Galerie Meyer Kainer oder Gabriele Senn. In beiden Räumen zeichnen Künstler für die kuratorischen Strategien verantwortlich. Die prominenten Künstlerinnen Sarah Lucas und Kris Lemsalu gestalteten das Programm der Galerie Meyer Kainer in der Eschenbachgasse – „SEÑORA!“ zeigt wie bunt, offen und weit vom Binären sich Weiblichkeit ausgestalten kann. Adrian Buschmann, selbst Künstler der Galerie Gabriele Senn, sorgte in der Schleifmühlgasse für eine sehenswerte Gruppenschau mit intellektuellem Anspruch.

Ausstellungsansicht, Galerie Gabriele Senn, Foto: PARNASS

Auch die Galerie Crone entschied sich für eine Künstlerin als Kuratorin. Mit Jakob Lena Knebl erarbeitete man einen Aspekt des Hybriden den die Knebl selbst als „Diskrete Simulation“ bezeichnet. „Welche Ereignisse, Methoden, Ästhetiken und im besonderen auch Räume produzieren eine Verschiebung in normierten Systemen? Diese Frage läuft durch meine eigene künstlerische Praxis und setzt sich auch in meiner Tätigkeit als Künstler-Kuratorin fort. Insofern ist meine Involviertheit in diese Ausstellung bereits eine hybride Position“, so die Künstlerin. Den Galerieraum gestaltete sie kurzerhand zur Filiale des bekannten Baumarkts Hornbach um und kombiniert die Werbemittel mit zeitgenössischen und historischen Werken von James Ensor, Robert Zeppel-Sperl bis Judith Fegerl und Blaukind.

Unmittelbar direkt wird es hingegen in Soloausstellungen, wie der beeindruckenden Schau „The Sadness Descends Again“ des nigerianisch-amerikanischen Künstlers Olu Oguibe in die Galerie Lisa Kandlhofer, kuratiert von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, der Oguibe auch für die documenta 14 in Kassel und Athen ausgewählt hatte. Die Basis der Ausstellung bilden Arbeiten die Oguibe seit 2000 geschaffen hat. Er visualisiert darin Räume, Formen und Ideen die Erinnerungen an einschneidende Ereignisse der jüngeren Weltgeschichte generieren ohne Denkmäler im herkömmlichen Sinn zu sein, wenngleich sie mit diesen Parametern arbeiten: sie mahnen, fordern unsere Auseinandersetzung ein, und stellen diese Ereignisse in den Fokus.

Ausstellungsansicht, Galerie Lisa Kandlhofer, Foto: PARNASS

Ein sensibles kuratorisches Konzept entstand auch in der Galerie Christine König. Hier stellte die Kuratorin Marina Fokidis eine Schau zusammen, die das Ich und das Wir befragt und dabei existentialistische Fragen zum Sein aufwirft und diese sodann mit Künstlern wie Jimmie Durham, Peter Friedl, Penelope Georgiou, Sislej Xhafa nicht nur ästhetisch, sondern höchst politisch ausverhandelt. So fasziniert unter anderem die Serie von Zeichnungen aus dem Wartesaal eines Gerichts von Anna Tereshkina. Die russische Künstlerin musste selbst aus erster Hand erfahren was politische Festnahmen bedeutet und verarbeitet diese Eindrücke mit brisanten Skizzen.

Stimmungsgeladen sind auch die Arbeiten in der Galerie Martin Janda. Die Ausstellung präsentiert „zeitgenössische künstlerische Praxen, die historischen Begebenheiten Form, Stimme und Gestalt verleihen, indem sie die materiellen, diskursiven und symbolischen Sedimentationen akzentuieren, durch die und mit denen sich Geschichtsereignisse in der Gegenwart manifestieren“, so Kuratorin Noit Banai. Sie macht Platz für poetische Kommentare, wie die von Helen Mirra händisch aus der ungefärbten Wolle zweier schwarzer Schafe gewebten Dreiecke, ein Verweis in Richtung cleaner, minimalistischer Abstraktionsästhetiken und vergessene Handwerkstraditionen. Daneben steht eine vermeintlich humoristische Arbeiten mit bitteren Beigeschmack: Die Fotoserie 182 von Endri Dani, die den Künstler posierend in den Eingängen von Wohnblocks, die während der kommunistischen Nachkriegsdiktatur in Albanien allesamt nach gleichem Maß errichtet wurden, zeigt und über solch Bautypologien den Totalitarismus bis heute architektonisch spürbar machen.

Wesentlich formaler löst Gérard A. Goodrow die Fragestellungen rund um Hybrids. Im Projektraum Viktor Bucher experimentiert der amerikanische Kurator mit Lebensmittelpunkt in Köln mit vier skulpturalen Positionen. Neben einer sehenswerten Arbeit von Julie Hayward überrascht der Niederländer Willem Harbers mit modern interpretierter Steinskulptur, die vermengt mit gefundenen Objekten und neuen Materialien funktioniert.

Ausstellungsansicht, Galerie Christine König, Foto: PARNASS

Auch die Galerie Steinek hat sich für eine Gruppenausstellung entschieden. Kuratorin Susanne Rohringer arbeitete unter anderem mit Matthias Herrmann zusammen, der auf den Impuls eines kaum bekannten Gemäldes aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums hin das Thema Hybridität durch die Kunstgeschichte hindurch und anhand der mythologischen Erzählung von Diana und Actaeon aufrollt. Seine Arbeit wird im Kontext der Künstler Samuel Fosso, Ian Hamilton Finlay, ORLAN, Michael Powolny und Jana Sterbak zeigt sowie neben einem faszinierenden Objekt von Eva Jospin. Wie in diesem Werk, das eine Waldszenerie skulptural umsetzt – allerdings in jenem Endbestimmungszustand, den die moderne Gesellschaft für Bäume vorgesehen hat, nämlich verarbeitet zu Papier und Karton, tritt der oft brutale Umgang mit unserer Natur auch in weiteren Ausstellungen aufs Display.

Markant etwa in der Galerie Sophie Tappeiner, wo der Künstler Trevor Yeung zwei Pflanzen in den Ausstellungsraum kettet. Die von Jeppe Ugelvig kuratierte Ausstellung hat ihren Namen „Get Rid of Yourself“ vom gleichnamigen „Anti-Dokumentarfilm“ des US-Kunstkollektivs Bernadette Corporation aus dem Jahr 2003, der im Rahmen der Schau ebenfalls in der Galerie gezeigt wird.

Ausstellungsansicht, Galerie Steinek, Foto: PARNASS

Ausstellungsansicht, Galerie Sophie Tappeiner, Foto: PARNASS 

Eine von gleich mehreren Videoarbeiten, die im Zuge des Festivals für Gesprächsstoff sorgen – allen voran ist der Film „Murderkino“ von Scott Clifford Evans, zu sehen in der Galerie Charim, wohl eines der meistbesprochenen Kunstwerke von Curated by 2020. Das Projekt, welches von Kuratorin Brigitte Huck ausgewählt wurde, umfasst die Medien Film, Rauminstallation, Fotografie, und Performance sowie eine bemerkenswerte Produktionstechnik: Sie beruht auf buchstäblich keinem Budget und dem Einsatz zahlreicher Künstlerinnen und Künstler – unter ihnen etwa Hanna Putz und Sophie Thun.

Andere, sehr fragile Erzählformen berühren derweil in der Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder. Hier stellt Hans Ulrich Obrist das zeichnerische Werk seiner langjährigen Freundin Friederike Mayröcker in den Fokus. Mayröckers Zeichnungen, welche sie über Jahrzehnte in Serien realisierte zeigen unter anderem Schutzgeister für schwierige Zeiten. „Es war mir ein Anliegen, die vielseitigen Dimensionen von Mayröckers Schaffen zusammenzubringen und sowohl ihre Poesie, als auch ihre Prosa und Hörbücher in einen Kontext mit ihren Zeichnungen zu bringen“, so Hans Urlich Obrist über diese nichtkommerzielle Ausstellung die in der Vielfalt des Galerienfestivals Curated by eine ganz besondere Stellung einnimmt.

Ausstellungsansicht, Galerie Nächst ST. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Foto: © Markus Wörgötter


Charim Galerie Wien / curated by Brigitte Huck |  Crone Wien / curated by Jakob Lena Knebl |  Croy Nielsen / curated by Christina Lehnert | E X I L E / curated by Julius Pristauz |  FELIX GAUDLITZ / curated by Richard Birkett & Taylor Le Melle | Gianni Manhattan / curated by James Lewis | Galerie Martin Janda / curated by Noit Banai |  Galerie Lisa Kandlhofer / curated by Bonaventure Soh Bejeng Ndikung | Georg Kargl Fine Arts / curated by Alistair Hicks | Christine König Galerie / curated by Marina Fokidis | Krinzinger Projekte / curated by Erno Vroonen | Galerie Emanuel Layr / curated by Lili Reynaud-Dewar und Olga Rozenblum | Projektraum Viktor Bucher / curated by Gérard A. Goodrow | Mario Mauroner Contemporary Art Vienna / curated by Scrum: Séamus Kealy & Tilo Schulz | Galerie Meyer Kainer / curated by Sarah Lucas & Kris Lemsalu | 16 shore / curated by Steph Kretowicz (initiated by Chris Viaggio) | Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder / curated by Hans Ulrich Obrist / Friederike Mayröcker |  Galerie Raum mit Licht / curated by Heidrun Rosenberg | Gabriele Senn Galerie / curated by Adrian Buschmann |  Galerie Steinek / curated by Susanne Rohringer | SOPHIE TAPPEINER / curated by Jeppe Ugelvig | VIN VIN Gallery / curated by Emily Watlington | Galerie Hubert Winter / curated by Chiara Vecchiarelli |  Zeller van Almsick / curated by Kerstin von Gabain

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