1957 – 2022

BRIGITTE KOWANZ

Von neuem anders, anders als es vorher war hieß ihre letzte große Personalausstellung 2020 in der Wiener Galerie Krinzinger in der sie vor allem neue Arbeiten zeigte. 2021 präsentierte die Münchner Galerie maxgoelitz Arbeiten von Brigitte Kowanz im Dialog mit dem Londoner Künstler:innen-Kollektiv Troika. Heute erschüttert die Meldung ihres Todes.


Brigitte Kowanz war eine großartige Gesprächspartnerin und eine sehr genaue Beobachterin unserer Zeit.

 

 

Silvie Aigner

Mit Brigitte Kowanz ist eine der großen Künstlerinnen Österreichs gegangen. Ausgezeichnet mit vielen Preisen, darunter 2009 den Österreichischen Staatspreis und 2018 der Deutschen Lichtkunstpreis 2018, langjährige Professorin an der Universität für angewandte Kunst (1997–2021). Gemeinsam mit Erwin Wurm vertrat sie 2017 mit einer sensationellen Ausstellung Österreich auf der 57. Biennale von Venedig. Bekannt sind viele ihrer Installationen im öffentlichen Raum. Zu den jüngsten Arbeiten zählen „Lichtnahrung“ für das Forschungszentrum Jülich, „ALWAYS A WAY ALWAYS AWAY“, Zürich oder „Tipping Point – Shift of Meaning“, Francisco Carolinum, Museum für Foto- und Medienkunst, Linz sowie die Lichtkreise am Dachaufbau/Terrasse des Leopold Museums der sogenannten Libelle im MuseumsQuartier, die weithin zu einem Signet für das Kulturareal wurden.

Lichtringe, Foto: © Studio Brigitte Kowanz

Seit den 1980er-Jahren verbindet Brigitte Kowanz Licht und Sprache zu einprägsamen Bildformeln. Was ihre Arbeiten darüber hinaus so einprägsam machen, ist ihre inhaltliche Klammer. Der Titel der damaligen Ausstellung „Von neuem anders, anders als es vorher war“ bringt den Beginn des World Wide Webs, den Versand und den Empfang des ersten E-Mails, den Start von YouTube am 14.02.2005, in einer Lichtarbeit von 2019, mit anderen Zäsuren unserer Gegenwart zusammen, wie den Anschlag auf Charlie Hebdo (Je suis Charlie 07.01.2015, 2017) und benennt die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche, die das Internet mit sich gebracht hat.

eine neue Kontextualisierung der Sprache

Damit verbunden ist, so erzählte Brigitte Kowanz damals bei unserem Gespräch in der Ausstellung, auch eine neue Kontextualisierung der Sprache, eine neue Form von Information und Erinnerung, die wir, anders als in der analogen Welt, kaum mehr räumlich verorten können. Ebenso hat sich die Sprache durch das das Internet, mobile Technologien und den beschleunigten digitalen Datentransfer verändert, sie wird teilweise in Bildern aufgelöst oder durch Kürzel ersetzt, wie dies auch eine ihrer Schriftarbeiten zeigte. Doch die heute so allgegenwärtigen Zeichen sind noch nicht so alt. Erst 1994 begann Nokia, Handys serienmäßig mit einer SMS-Funktion auszustatten. Und weil eine SMS mit maximal 160 Zeichen wenig Platz für lange Wörter bot, wurden für Begriffe und für gängige Sätze und Grußformel Kürzungen gefunden, die in der Folge auch in den elektronischen Medien verwendet wurde und heute allgegenwärtig sind, wie omg, sry, asap, fyi oder imo. Brigitte Kowanz hat daraus ein visuelle Licht-Notation gemacht.


Austellungsansicht, Brigitte Kowanz: „von neuem anders, anders als es vorher war“, Galerie Krinzinger Wien , Fotos: Anna Lott Donadel © Brigitte Kowanz, Bildrecht Wien, 2020

Austellungsansicht, Brigitte Kowanz: „von neuem anders, anders als es vorher war“, Galerie Krinzinger Wien , Fotos: Anna Lott Donadel © Brigitte Kowanz, Bildrecht Wien, 2020

BRIGITTE KOWANZ EDITION, Lost in Thought, 2020 Neon, Edelstahl, / neon, stainless steel, 16 x 85 x 12 cm Edition: je 3 Foto: Peter Hois

Brigitte Kowanz, UN Climate Change Conference Paris 30.11.2015 12.12.2015, 2019, Neon, mirror, aliminum and lacquer, 95 x 130 x 20 cm, Courtesy of max goelitz, Copyright the artist, Photo: Peter Hoiss

Brigitte Kowanz, Relations, 2021, Neon, aluminum, lacquer and cable, dimensions variable, Courtesy of max goelitz, Copyright the artist, Photo: Dirk Tacke

Brigitte Kowanz, Chances, 2020, Neon, aliminum and lacquer, 170 x 160 x 10 cm, Courtesy of max goelitz, Copyright the artist, Photo: Dirk Tacke

Brigitte Kowanz,, Connect the Dots, 2018, LED, Acrylglas, 85 x 265 x 13 cm | Foto Studio Brigitte Kowanz, Courtesy by the artist und Galerie Krinzinger

Brigitte Kowanz,, Connect the Dots, 2018, LED, Acrylglas, 85 x 265 x 13 cm | Foto Studio Brigitte Kowanz, Courtesy by the artist und Galerie Krinzinger

Brigitte Kowanz, Beyond Recall, 2011, Staatsbrücke, Salzburg, Foto: Wolfgang Lienbacher

Brigitte Kowanz, Beyond Recall, 2011, Staatsbrücke, Salzburg, Foto: Wolfgang Lienbacher

Brigitte Kowanz, ANOTHER TIME ANOTHER PLACE, 2004-2005, Bahnhof Baden, Foto: Wolfgang Wössner

Brigitte Kowanz, ANOTHER TIME ANOTHER PLACE, 2004-2005, Bahnhof Baden, Foto: Wolfgang Wössner

Ausstellungsansicht: "Cut a Long Story Short" Borusan Contemporary, Istanbul, 2012. r. n. l.: Brigitte Kowanz: "1234567890", 2012. Neon, Spiegel, 245 x 210 x 22 cm; "In light of light", 2011. Neon, Edelstahl, 150 x 150 x 20 cm; "Realm of Possibility", 2012. Neon, Aluminium, 130 x 220 x 120 cm (Foto: Atelier Kowanz)

Ausstellungsansicht: "Cut a Long Story Short", Borusan Contemporary, Istanbul, 2012. r. n. l.: Brigitte Kowanz: "1234567890", 2012. Neon, Spiegel, 245 x 210 x 22 cm;  "In light of light", 2011. Neon, Edelstahl, 150 x 150 x 20 cm; "Realm of Possibility", 2012. Neon, Aluminium, 130 x 220 x 120 cm  (Foto: Atelier Kowanz)


Zu den damals neuen Werken zählten auch „malerische Arbeiten“. Die einerseits natürlich auch wieder mit Licht und Reflexion spielen, jedoch auch an das Frühwerk der Künstlerin erinnerten. Sie sind raumgreifend, verändern je nach Standpunkt ihre visuelle Erscheinung und ihre Spektralfarben und entwickeln im Raum ein faszinierendes, einprägsames Schauerlebnis. Was das Werk von Brigitte Kowanz so einzigartig machte, war ihr Umgang mit Raum und dem Medium Licht. Doch ging es ihr nie nur um die formalen Parameter, stets verknüpfte sie diese mit Schrift, Zahlen und Codes, die auf die wesentlichen Ereignisse in unserer jüngeren Geschichte hinwiesen.

Ereignisse, die im realen wie virtuellen Raum einen Impact ausgelöst haben, der Welt eine neue Richtung gaben. Zahlen und Ereignisse verkommen in der Geschichte jedoch bald zu einer abstrakten Statistik, die man empathisch nicht mehr fassen kann. Kowanz stellt sie jedoch auf subtile Weise einprägsam und unmissverständlich in den Fokus. In dem wir uns in ihren Neon-Objekte spiegeln, erkennen wir uns als Teil dieser Geschichte, so die Künstlerin. Brigitte Kowanz war nie eine laute Künstlerin, jedoch stets eine großartige Gesprächspartnerin, die gerne Auskunft zu ihren Arbeiten gab und eine sehr genaue Beobachterin unserer Zeit. Sie wird vermisst.


Eines der letzten Interviews

KUNSTMATT BY PARNASS vom November 2021

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