5. bis 10. September 2023

PARALLEL VIENNA

Höher geht’s nimmer! Auf jeden Fall im Wiener Stadtgebiet, wenn es um passende Ausstellungsflächen für eine Kunstmesse geht. Die wanderlustige Parallel hat mit ihrer 11. Ausgabe zumindest einen Gipfelsieg erreicht: Sie bespielt drei Pavillons auf der Baumgartner Höhe.


Der Spitalskomplex von Otto Wagner mit ikonischer Kirche ist seit 1907 das Synonym für Psychiatrie, Alkoholentzug und Thomas Bernhard’sche Romanfiguren, die in Jugendstilpavillons mit ihrem Leben abrechnen. Spötter mögen einwerfen, dass da der Weg zur bildenden Kunst vorgezeichnet ist. Nachdem der Wiener Gesundheitsverbund sich sukzessive aus dem Gelände zurückzieht, sucht die Stadt Initiativen, die die einzigartigen Gebäude nutzen. Die PARALLEL setzt einen ersten Schritt. Ob die Messe im nächsten Jahr wieder hier zu finden sein wird, mag heuer niemand beantworten.

Christian Rothwangl, Foto: PARNASS

Sofia Goscinski, Foto: PARNASS

Eva-Maria Raab, Foto: PARNASS

Alina Grabovsky, Foto: PARNASS

Victoria Monteiro, Foto: PARNASS

PARALLEL VIENNA, Foto: PARNASS

Im Zuge der Eröffnung verweist der künstlerische Leiter Stefan Bidner eher auf den Gegensatz zwischen Wiens Vorzeigearchitekten und den Ungeheuerlichkeiten, die hier passiert sind. Stichwort: Spiegelgrund. Bidner prolongiert unvermittelt die historischen Schrecknisse weiter in die heimische Kunstszene und deren Repräsentanten, hier vor allem zu Institutionen und Museen. Die, wie Albertina oder mumok, würden lieber »Tourismusausstellungen« abliefern, anstelle sich mit der jungen Szene auseinanderzusetzen. »Denn wir haben eine ausgezeichnete wie vielfältige Kunstszene, die hier zu sehen ist«, unterstreicht er. 

An dieser Stelle muss ihm widersprochen werden. Denn es ist ein Geburtsfehler der PARALLEL, dass sie sich zwar als kuratierte, selektive Messe anpreist, jedoch letztendlich zahlreiche mediokre Positionen und Galerien präsentiert. Aber damit haben Sammler und Kuratoren zu leben gelernt und begeben sich wie jedes Jahr frischen Mutes auf die Suche nach Entdeckungen. Wie eingangs erwähnt, wohnt diesem Wahrzeichen der Donaumetropole eine grausame Vergangenheit inne. Anlass genug für einige Künstlerinnen und Künstler (gesellschafts-)politische und historische Topoi in den Mittelpunkt ihrer Präsentationen zu stellen.

Wie Alina Grabovsky, die eigens für den Ort und Raum unter dem Titel »vanishing points« Malerei und Installationen, wie jene am Waschbecken platzierte Arbeit »Spiegel/Grund«, geschaffen hat. Ihre überaus kräftigen Leinwände lassen Figuren erkennen, die sich überlagern und damit auch zum Verschwinden bringen (1500 bis 7500 Euro).

Die Künstlerin Victoria Monteiro erinnert in ihrer Arbeit an die gemeinsame Geschichte Österreichs und Brasilien (Stichwort: Kaiserin Leopoldine). Eine Episode der Ausbeutung und Unterdrückung. Die Gewalt gegen Frauen ist auf Monteiros im Raum hängenden Ponchos verschriftlicht und eingestickt (2300 bis 3600 Euro).

Mit Ironie begegnet Lionel Favre (bei Lucas Cuturi) in seinen Zeichnungen auf technischen Entwurfsplänen weltweiten Katastrophen: In einer Arbeit verpflanzt er den ersten weltweiten Finanzcrash (die niederländische Tulpenkrise 1637) ins Heute – mit Affen als Protagonisten (1680 bis 7000 Euro).

Lionel Favre, Foto: PARNASS

Einen beeindruckenden Totentanz, der an die mexikanischen Cinco-de-Mayo-Feiern erinnert, inszeniert Kata Oeschlägel: Ihre skelettierten Figuren in farbenfrohen Kleidchen erobern den septischen Krankenraum, ein externer pulsierender Blutkreislauf hält sie gerade noch am Leben (raumspezifisch ab 5500 Euro).

Bei Sofia Goscinskis Werkblöcken »Desert Plants« und »Barrikaden« hingegen beherrschen kühler Beton und Bronze die Szenerie. Besonders die handlichen Betonblöcke der »Barrikaden« (18 x18 x 5cm) faszinieren – es verwundert, dass die Künstlerin mit dieser groben Materialität Objekte von unglaublicher Feinheit und Verletzlichkeit kreiert hat (2300 Euro).

Ungemein filigran sind ebenfalls Arbeiten zwischen Zeichnung und Malerei auf Transparentpapier von Eva-Maria Raab. Die Künstlerin »paust« Treibholz ab und vermalt dies dann mit Donauwasser (480 Euro).

Kata Oeschlägel, Foto: PARNASS

Um einiges kräftiger und poppig-abstrakt geht es bei Violetta Ehnspergs Leinwänden (Galerie3) zu (900 bis 6200 Euro).

Einen originären Kosmos entwirft die junge Künstlerin Kater D. am Stand von PARNASS: Sie verbindet fulminant Mode, Grafik und Siebdruck zu reduziert-abstrakten Bildwelten, denen jedoch eine verführerische haptische Materialität innewohnt. Es fällt schwer, den Wunsch sie zu berühren, hintanzuhalten (1600 bis 5100 Euro; Editionen 65 Euro).

Bei Krinzinger Schottenfeld stechen die Gemälde Christian Rothwangls ins Auge: Die eindringliche Werkgruppe (inter-)agierender, fast abstrakter Gestalten in verhaltenen Farbtönen vermag zu fesseln (5500 bis 7700 Euro).

Kater D., Foto: PARNASS

PARALLEL VIENNA 2023

Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien
Österreich

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