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Die neuen Großmächte der Kunst

RICHARD SERRA 7, 2011, Skulptur MIA-Park, Museum für Islamische Kunst Doha, Katar © Qatar Museums

Von Abu Dhabi bis Katar investieren die Staaten am Persischen Golf Milliarden in Kunst und neue Museen. Davon profitiert auch die junge Szene. Eigentlich ist das ein Grund zur Freude – wenn da nicht die Rivalität zwischen zwei mächtigen Herrscherhäusern wäre.


Selten wurde ein neues Museum so kontrovers diskutiert wie der Louvre Abu Dhabi. Die Fachwelt bewunderten das Bauwerk des Pritzker-Preisträgers Jean Nouvel – eine strahlend weiße Medina aus 55 Gebäuden, über deren Zentrum sich eine flache Kuppel aus Sternenmustern wölbt –, aber es schimmerte auch Misstrauen gegenüber dem eingekauften Statussymbol eines Ölscheichs durch. Die „NZZ“ sprach sogar von einem „Verrat an den Werten der Aufklärung“. Debattiert wurde die These des französischen Politologen Alexandre Kazerouni, der in seinem Buch „Le miroir des cheikhs“ schreibt, der Louvre Abu Dhabi solle mehr dem Westen imponieren als der einheimischen Bevölkerung. Dagegen spricht die inhaltliche Ausrichtung des Museums, die den Respekt gegenüber und die Akzeptanz anderer Kulturen fördern möchte. Im Vertrag zwischen Abu Dhabi und Frankreich war 2007 vereinbart worden, dass das „Universalmuseum“ den „Dialog zwischen den Kulturen“, speziell den zwischen „Orient und Okzident“, fördern solle.

Louvre Abu Dhabi’s exterior © Louvre Abu Dhabi, Photography: Mohamed Somji

Louvre Abu Dhabi’s exterior © Louvre Abu Dhabi, Photography: Mohamed Somji

Das Konzept ist genauso an arabische Besucher adressiert wie an Touristen. Mohamed Khalifa Al Mubarak, der Vorstandschef der Behörde für Tourismus und Kultur (TCA), die den Louvre Abu Dhabi betreibt, schwärmte vom Saal der Weltreligionen, wo ein mittelalterlicher Koran, eine gotische Bibel und eine Thora sich ebenbürtig gegenüberstehen. Auch die Direktorin der Kunstmesse Dubai, die Libanesin Myrna Ayad, widersprach Kazerouni indirekt, als sie sagte, sie freue sich über ein Weltklassemuseum vor ihrer Haustür, das sie nun regelmäßig mit ihren Kindern besuchen könne.

Journalisten, die sich die Mühe machten, die im Vertrag aufgezählten Zahlungen zusammenzuzählen, kamen auf rund eine Milliarde Euro, die Abu Dhabi im Rahmen der Kooperation über Jahre an Frankreich überweist.

Für diesen Betrag darf sich das Emirat dreißig Jahre und sechs Monate mit dem Namen des Louvre schmücken, fünfzehn Jahre Wechselausstellungen aus Pariser Beständen zeigen und zehn Jahre Kunstwerke ausleihen. Nicht nur der Louvre, sondern alle dreizehn Häuser der Organisation „Musées de France“ sind mit Werken beteiligt: Aktuell sind darunter Leonardo da Vincis „La Belle Ferronnière“ (Louvre), Vincent van Goghs Selbstporträt aus dem Musée d'Orsay; ein seltener Salzstreuer aus dem Benin (Musée du Quai Branly), Primaticcios Bronze-Kopie des Apoll vom Belvedere (Fontainebleau) und Jacques-Louis Davids berühmtes Heldenbild Napoleons bei der Überquerung der Alpen (Schloss Versailles). Abu Dhabi bringt dem Vernehmen nach dreihundert eigene Kunstwerke ein, die das Emirat in den letzten Jahren auf dem Kunstmarkt erwarb, darunter Piet Mondrians „Komposition aus Blau, Rot, Gelb und Schwarz" und Preziosen asiatischer Kunst wie einen goldenen Armreif mit Löwenköpfen aus dem Nordwesten Persiens. Mit dem Bau auf der Saadiyat-Insel hat Abu Dhabi nun auch das weltliche Wahrzeichen mit Strahlkraft, das ihm bisher fehlte. Gemeinsam mit dem geplanten Guggenheim Abu Dhabi von Frank O. Gehry und dem Nationalmuseum aus dem Büro Lord Norman Fosters soll in den nächsten Jahren einer der spektakulärsten Kulturbezirke der Welt heranwachsen.

Der Louvre Abu Dhabi ist nur das jüngste Großmuseum in einer Region, die sich auf den Tag vorbereitet, an dem das Erdöl versiegt – auch wenn dieser Tag seit Jahren nach hinten geschoben wird. Dubais Scheich Al Maktoum setzte dabei auf Luxustourismus, Dienstleistungen und Mega-Bauprojekte wie die Jumeirah-Palme und das Burj Khalifa (das in der Finanzkrise von Abu Dhabi gerettet wurde).

NATIONAL MUSEUM KATAR | Ateliers Jean Nouvel, Paris/Frankreich | © Qatar Museums

NATIONAL MUSEUM KATAR | Ateliers Jean Nouvel, Paris/Frankreich | © Qatar Museums

Herrscherfamilie am Kunstmarkt


Abu Dhabis Emir, Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan, der zugleich Staatsoberhaupt der Vereinigten Arabischen Emirate ist, möchte hingegen nicht allein mit schnödem Mammon glänzen. Er eifert darin dem kleinen Nachbarstaat Katar nach, der seit Jahren eine Supermacht der Kunst ist. Ob alles so begann, wie der Politologe Kazerouni behauptet, sei dahingestellt. Demnach habe es Kuwait im Zweiten Golfkrieg 1990 geholfen, dass islamische Kunstschätze der Al-Sabah-Familie auf Amerika-Tournee waren und in Washington ein positives Image des Landes erzeugten. Fest steht, dass Katars Herrscherfamilie Al Thani Ende der 1990er-Jahre massiv auf dem Kunstmarkt aktiv wurde. Das nötige Geld dafür besitzt das Emirat, das so groß wie Oberösterreich und halb so groß wie Hessen ist, im Überfluss, da es auf den drittgrößten Erdgasvorkommen der Erde sitzt.

Als Kunstkäufer trat zuerst der damalige Kulturminister, Scheich Saud bin Mohammed Al Thani, hervor, ein entfernter Cousin des Emirs. Zu seinen legendären Ankäufen gehörten Meisterwerke der Mogulkunst – darunter das Clive-of-India-Flakon, das Großbritannien bis heute nicht herausrückt –, und so unterschiedliche Highlights wie ein seltenes Subskriptionsexemplar von James John Audubons „Bird of America“, die Fotografiesammlung Werner Bokelbergs, die römische Venus Barberini, ein Fabergé-Ei und die Ruhlmann-Möbel-Kollektion eines Maharadschas. Eine Milliarde Euro soll Scheich Saud die Kunst wert gewesen sein. Nicht immer war klar, ob er für sich oder für den Staat auf Beutezug ging. Wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten enthob der Emir, Hamad bin Khalifa Al Thani, den Kunstliebhaber 2005 seines Amtes. Zwei Monate stand Scheich Saud unter Hausarrest, wurde dann rehabilitiert und starb, nur 48-jährig, 2014 in London, angeblich an „Herzproblemen“. Zuletzt hatten ihn Händler wegen Zahlungsverzug verklagt. Wohl auch um Forderungen zu bedienen, kam kurz nach seinem Tod bei Sotheby’s eine Uhr aus seinem Besitz, die Henry Graves Supercomplication von Patek Philippe, unter den Hammer. Sie erzielte sagenhafte 24 Millionen Dollar...

Lesen Sie den gesamten Artikel in PARNASS 01/2018

 

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